Besonderes Rathauskonzert:Wenn der Landrat zum Vortänzer wird

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„Why Not“ am Samstagabend in Vaterstetten im Reitsbergerhof. (Foto: Christian Endt)

Das Trierer Ensemble "Why not" legt mit einem Ude-Jürgens-Abend in Vaterstetten einen umjubelten Auftritt hin. Viele Zuschauer reißt es aus den Sesseln, unter ihnen ein langjähriger Fan aus dem Ort

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

"17 Jahr', blondes Haar", "Aber bitte mit Sahne", "Griechischer Wein", "Anuschka", "Zeig' mir den Platz an der Sonne": Als am Ende des fast dreistündigen Konzerts ein Medley dieser großen Udo Jürgens-Hits durch die Halle am Reitsberger Hof klingt, da stehen sie alle, singen mit, klatschen mit, tanzen mit. Wer verstehen möchte, wie das damals war mit den großen Samstagabend-Shows im ZDF, der bekommt jetzt ein Gefühl für die Atmosphäre, die vor 30, 40 Jahren Konzerthallen durchwehte und das Publikum mitriss. Das Verblüffende daran ist, das es immer nur wenige Worte oder ein, zwei Takte braucht, um Melodie und Text in den Erinnerungen der Zuhörer wachzurufen und sie zum Mitmachen zu bewegen.

Wobei dies gar nicht die Absicht war beim diesjährigen Sonderevent der Rathauskonzerte Vaterstetten, am Samstagabend wie üblich zu Gast an diesem Ort. Beim Auftritt des Ensembles Why not aus der Gegend von Trier ging es viel mehr darum, unter dem Titel "Vielen Dank für die Blumen" an einen Weltstar zu erinnern, der früh in seiner Karriere 1966 bis 1969 mit seiner Familie im Johannes-Brahms-Weg am Ort gelebt hat. Der bei den Weihnachtsfeiern auf dem Reiterhof Eyting den Laien-Chor der Gäste unterstützte. Der mit dem Cabrio einmal im Jahr vor dem Parsdorfer Amt vorfuhr, um sich - als Österreicher - seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern zu lassen, und dabei großzügig Autogrammkarten verteilte. Wer sich in der Pause mit Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger zusammensetzte, der selbst einer musikalischen Familie entstammt, erfuhr eine ganze Reihe solcher Geschichten und Anekdoten.

Ein anderer, der sich zwischen Hof und Halle zu seiner Begeisterung für Jürgens' Musik bekannte, ist Landrat Robert Niedergesäß, von dem man berichtet, dass er so gut wie alle Konzerte des Sängers seit den 1990ern in München besuchte und dessen Fahrer stets Jürgens- CDs im Dienstwagen dabei hat. "Im zweiten Set wird jetzt getanzt", appelliert der Landrat zur Pause an die Umstehenden. In der Tat ist er der erste, der bei den treibenden Bläsersätzen von "Ich weiß, was ich will" aufspringt, zu Tanzbewegungen ansetzt und zwei Dutzend andere ebenfalls aus den Sesseln reißt.

Aber er sagt noch einen anderen Satz, der mehr als die rhythmische Begeisterung verdeutlicht, was die Lieder von Udo Jürgens auszeichnet. "Die sind von brennender Aktualität", meint Niedergesäß auf dem Weg in die Halle. "Tausend Jahre sind ein Tag zum Beispiel oder fünf Minuten vor zwölf." Da schrieb zum Beispiel 1979 der Texter Siegfried Rabe im erstgenannten Song: "Wie wird der Mensch zum Nimmersatt/Wer alles hat, kriegt noch Rabatt/Und woher kam die Gier nach Geld?/Wie kommt der Hunger auf die Welt?" Drei Jahre später gab ihm dann Michael Kunze in "Fünf vor Zwölf" unter anderem die Zeilen mit auf die Bühne: "Und ich sah einen Zaun, wo es früher nur Freiheit gab./Ich sah' grauen Beton, wo vor kurzem die Wiese lag./Und ich sah einen Strand, der ganz schwarz war von Öl und Teer./Und ich sah eine Stadt, in der zählte der Mensch nicht mehr." Auch die einsame Melancholie aus "Griechischer Wein" oder die philosophischen Gedanken in "Ihr von morgen" (1985, Kunze) spiegeln sich deutlich in der Gegenwart: "Ihr von Morgen habt gefunden/Was uns unerreichbar schien./Schlugen wir der Welt auch Wunden,/Vielleicht habt ihr uns verzieh'n."

Man kann es der Gruppe Why not hoch anrechnen, dass es sein Programm so zusammengestellt hat, dass gebührend Platz für den nachdenklichen Jürgens bleibt, für Stücke, in denen seine Vorliebe für den französischen Chanson den Ton angibt. Mehr als 1000 Titel hat er in 60 Jahren Bühne veröffentlicht: Ein authentisches Lebensbild erfordert da die ganze Bandbreite. Auch liefern das singende Quartett Michael Thinnes, Markus Mitschke, Maryna Bense und Christine Orth deutlich mehr ab als nur das Absingen von Hits. Eigene Arrangements und überraschende Besetzungen - etwa bei Orths elegant-flotter Interpretation von "Das ist Dein Tag" oder bei Benses dramatisch fließendem "Griechischer Wein" - geben den vielen Facetten Raum, die diesen Künstler ausmachten.

Zweifellos kommt es dabei mitunter zum Wettbewerb zwischen Groove und Botschaft. Aber beides ist vorhanden, beides bleibt erhalten. Mit einer veritablen Big Band auf der Bühne (Piano, Bass, Gitarre, Schlagzeug, Saxophon und je zwei Posaunen und Trompeten) stimmt das Klangbild bis ins Detail. Gerade die bei Jürgens charakteristischen Bläsersätze, wie sie etwa in der Zusammenarbeit mit Pepe Lienhard seinen Sound prägten, sind von erster Güte, man denke an "Und immer wieder geht die Sonne auf" oder ans "Ehrenwerte Haus" - und an eine Musik, die das Zeug dazu hat, Menschen, die sich vor einer Stunde nicht gekannt haben, so zu verbinden dass sie gemeinsam singen.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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