Besonderer Saisonbetrieb:Ein zartes Pflänzchen

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Drauß’ von der Christbaumplantage kommen sie her: Josef „Sepp“ Kendlinger (rechts) und sein Sohn Josef junior. (Foto: Christian Endt)

Christbaum ist nicht gleich Christbaum: Das weiß kaum jemand besser als Josef Kendlinger aus Wiesham. Seit fast 50 Jahren ist er im Geschäft - und das ist stabil geblieben

Von Andreas Junkmann, Grafing

Josef Kendlinger stapft den matschigen Feldweg entlang. Der Schneeregen der vergangenen Nacht hat den Boden aufgeweicht. "Da müssen wir schauen, ob wir überhaupt mit dem Anhänger reinfahren können", sagt er und blickt auf die umgesägten Bäume, die links und rechts vom Wegrand liegen. "Zur Not ziehen wir sie eben per Hand nach vorne." Von einer staden Zeit kann für den 64-jährigen Landwirt rund um Weihnachten keine Rede sein. Zusammen mit seinen Söhnen Josef junior und Michael verkauft er auf dem Huberhof in Wiesham bei Grafing Christbäume. Und da gibt es im Moment viel zu tun. Täglich müssen die drei entweder selbst Bäume aus der eigenen Plantage schneiden oder Lieferungen entgegennehmen. Jährlich sind das mehrere tausend Stück, die der "Kendlinger Sepp" während der Adventszeit in die Wohnzimmer der Menschen bringt.

Seit fast 50 Jahren ist der Seniorchef schon im Christbaumgeschäft. Angefangen hat alles durch einen Zufall. "Wir haben damals auf einer unserer Flächen sehr viel Naturflug gehabt. Da hat der Papa zu mir gesagt, schneid ein paar Bäume raus und verkauf sie. Das Geld kannst behalten", erinnert sich Kendlinger. Fünf Mark habe er damals für eine Fichte bekommen. "Ein Haufen Geld für einen 16-Jährigen!" Danach gab es für den jungen Josef natürlich kein Halten mehr. In den nächsten Jahren hat er unzählige Bäume zu einem Christbaumhändler nach Ebersberg geliefert - bis er schließlich seinen eigenen Verkauf am Huberhof eröffnet hat.

Das Hauptgeschäft der Kendlingers ist heute eigentlich der Vertrieb von Freilandeiern. Zur Winterzeit verwandelt sich der Hof jedoch jedes Jahr in einen großen Christbaumverkauf. Ihre Bäume bekommt die Familie nicht nur aus der eigenen Aufzucht, sondern zum großen Teil von Erzeugern aus ganz Bayern. "Gemischte Schiene" nennt Josef Kendlinger dieses Konzept. Dadurch könne er seiner Kundschaft die größtmögliche Vielfalt bieten, denn "eine Tanne im Bayerischen Wald wächst anders, als eine aus Oberfranken". Außerdem könne er so besser reagieren, falls einer der Händler ausfallen sollte.

Dieses Risiko ist immer gegeben, denn der Christbaum als solches ist ein recht sensibles Gewächs. Etwa zwölf Jahre dauert es, bis ein Setzling in etwa Zimmerhöhe erreicht hat. Dazwischen liegt viel Arbeit für den Züchter. "Ungefähr einmal pro Woche muss man bei jedem Baum vorbeigehen und schauen, ob alles in Ordnung ist", sagt Kendlinger. Bei mehreren Tausend Pflanzen kämen da schon einige Kilometer zusammen. Zusätzlich müsse man mehrmals im Jahr den Beiwuchs entfernen und die Bäume bei Bedarf ein bisschen in Form bringen.

Vor der Naturgewalt schützt aber auch die beste Pflege nicht. "Stehendes Wasser ist für einen Christbaum zum Beispiel absolut tödlich", erklärt Kendlinger. Aber auch lange Trockenheit, so wie im zurückliegenden Sommer, setze den Pflanzen zu. Wie sehr, das zeigt sich jedoch erst, wenn der Baum im Wohnzimmer steht. "Es kommt drauf an, wie viel Wasser er gespeichert hat. Man kann leider nicht in den Stamm reinschauen." Deshalb ist es Kendlinger zufolge in diesem Jahr besonders wichtig, die Bäume so spät wie möglich zu schneiden.

Aber auch der Käufer kann seinen Teil dazu beitragen, dass der Christbaum am Weihnachtsabend noch gut in Schuss ist. Wichtig sei, dass sich der Baum an die Temperatur in der Wohnung gewöhnen könne - gerade wenn es draußen richtig frostig ist. "Ein Kunde hat mal an Heiligabend noch einen Baum bei mir gekauft", erzählt Kendlinger. "Da war's richtig kalt draußen und der Baum war gefroren. Jetzt hat er ihn in die Badewanne gestellt und mit warmen Wasser abgespült! Dem sind natürlich alle Nadeln abgefallen." Deshalb rät Kendlinger, den Christbaum zunächst draußen stehen zu lassen, anschließend einige Tage in der Garage zu lagern und dann erst in die Wohnung zu stellen. Auch eine gute Bewässerung sei wichtig. "Der Baum darf ruhig bis zu den Ästen im Wasser stehen, denn die Rinde nimmt auch Feuchtigkeit auf."

Josef Kendlinger hat in seinem Leben schon viele Bäume verkauft und einige Trends kommen und gehen gesehen. So sei vor einigen Jahren der Plastikbaum eine große Modeerscheinung gewesen. "Da gab es schon die Befürchtung, dass die unser Geschäft kaputt machen." Davon sei letztendlich aber nur wenig zu spüren gewesen und inzwischen lasse der Trend auch wieder deutlich nach. Die Verkaufszahlen der Christbäume dagegen seien in den vergangenen Jahren recht konstant geblieben. Was sich dagegen regelmäßig ändere, seien die Schwankungen zwischen teuer und günstig. "In manchen Jahren verkaufen wir mehr hochpreisige Bäume, im anderen Jahr wollen die Leute lieber wieder einen billigen Baum."

Auch bei der Frage, wie denn der perfekte Weihnachtsbaum auszusehen hat, gehen die Meinungen weit auseinander. "Das kann man so pauschal nicht sagen. Der eine mag ihn lieber hoch, der andere breit - reine Geschmacksache", so Kendlinger. Wichtig ist nur, dass der Baum pünktlich zum Fest im Wohnzimmer steht. Und dafür haben sie sich am Huberhof etwas Besonderes einfallen lassen. Seit zehn Jahren bieten die Motorradfreunde Grafing einen Lieferservice für die Christbäume an. "Das wird sehr gut angenommen", sagt Kendlinger, der selbst leidenschaftlicher Biker und Mitglied im Verein ist. Der Erlös kommt wohltätigen Zwecken im Ebersberger Raum zu Gute. In diesem Jahr gehen die Einnahmen an das Landkreisprojekt "Fördern und Helfen" und sollen dort vor allem für Senioren in Not eingesetzt werden.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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