Beim Kulturverein:Freuden ohne Altersbeschränkung

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Hörenswerte Achterbahnfahrt: Die "Gitanes Blondes" geben in der Orangerie der Grafinger Gärtnerei Köstler ein Kinderkonzert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Gitanes Blondes" geben ein locker-leichtes Familienkonzert in der Orangerie einer Grafinger Gärtnerei

Von Pauline Weindorf, Grafing

Der Kulturverein Grafing hat für ein Familienkonzert zum Auftakt seiner Saison ein ganz besonderes Ensemble eingeladen: Gitanes Blondes, die "blonden Zigeuner". Zwar sehen diese in Hemd und Anzughose ziemlich gepflegt aus und sind, wie der Name schon sagt, ziemlich hellhäutig. Dafür lässt die vor Lebensfreude sprühende Musik keine Fragen offen!

Die Besetzung eignet sich hervorragend für diesen abwechslungsreichen Nachmittag: Das Fundament bilden Simon Ackermanns Kontrabass und Christoph Peters Gitarre. Konstantin Ischenkos chromatisches Knopfakkordeon ist überall zu Hause: mal Melodie, mal Klangteppich, mal rhythmische Komponente. Vornehmlich als Melodieinstrument, aber auch begleitend ist die Violine zu hören, unglaublich vielseitig zum Leben erweckt von Mario Korunic. Mehrstimmig singend und dabei spielend laufen die Musiker in die Orangerie der Gärtnerei Köstler ein. Was dann folgt, gleicht einer Achterbahnfahrt, es geht rasant auf und ab, hin und her: Bekannte klassische Werke wie das "Katzenmenuett" von Mozart oder der "Hummelflug" von Nikolai Rimski-Korsakow teilen sich das Parkett mit traditionellem Liedgut aus Russland und Irland sowie Balkan- und Klezmermusik.

Dabei kokettieren die Gitanes Blondes damit, dass mittel-europäischen Musikern oft nachgesagt wird, weniger locker zu musizieren als andere Nationalitäten. Sie beweisen das Gegenteil! In Sekundenschnelle wechselt das Hauptmotiv zwischen Geige und Akkordeon hin und her, wird zweistimmig und schraubt sich immer schneller zu einem furiosen Finale hinauf. Untermalt von pulsierend-rhythmischer Begleitung durch Bass und Gitarre. Typisch Klezmer. Dann wieder das Gegenteil, alles beruhigt sich, der Bass stellt sich mit einer getragenen Melodie über einem beschwingten Walzer vor.

Als nächstes wäre die Gitarre dran, aber Peters versucht vergeblich, hinein zu pusten und sie mit dem Geigenbogen zu spielen, was für einiges Gelächter sorgt. Schließlich löst er die Spannung, indem er ein sanftes Solostück spielt. Das Akkordeon beeindruckt durch seine Vielseitigkeit. Dass es eine Mini-Orgel sein kann, beweist Ischenko mit der D-Moll Toccata von Bach, ein E-Gitarren-ähnlicher Sound erklingt mit Deep Purples "Smoke on the Water". Korunic entlockt seiner Violine ein wundervolles Liedchen, wobei sich der Geigenhals kurioser Weise zwischen Bogenstange und -haaren befindet! Vier, statt wie gewöhnlich eine oder zwei Saiten werden so gleichzeitig in Schwingung versetzt und lassen schöne Akkorde erklingen.

Nach Notenständern indes sucht man hier vergeblich: Die vier studierten Musiker spielen alles auswendig, nein, sie improvisieren alles auswendig! Kein Stück sei jemals genau gleich, erzählt Ischenko. Alles immer neu, immer frisch. Das hält kreativ, macht frei und spiegelt sich einer tollen Kommunikation mit dem Publikum wider. Vor allem die Kinder ziehen die vier Virtuosen mit Witz, Spontaneität und kleinen Geschichten in Bann. Die Stimmung ist locker und familiär, doch leider sind die Zuhörer nicht sehr zahlreich. Das gute Wetter ist eine starke Gegenveranstaltung. Die Anwesenden beteiligen sich dafür aber umso aktiver am Geschehen.

Auch beim Familienkonzert legen Gitanes Blondes Wert auf höchstes Niveau. "Das merken Kinder natürlich sofort, ob jemand gut spielt, und die sind sehr gut" lässt ein Junge verlauten, der selbst gerade mit dem Gitarrespielen begonnen hat. Recht hat er! Und nicht nur die Kinder sind beeindruckt. Auch die Gesichter der älteren Semester verraten, wie sehr sie die wilde, aber souveräne Fahrt durch die verschiednen Stilistiken genießen. Am Ende laden die Künstler alle Kinder nach vorne ein, um die Instrumente genau in Augenschein zu nehmen und sie sogar auszuprobieren. Sie bringen ihnen die Musik näher, mit allen Sinnen und in höchster Qualität - denn ja, auch die Kleinen hören den Unterschied.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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