Bauprojekt:Punktsieg für Pliening

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Plienings Bauamtsleiter Martin Schmidt-Roschow (r.) erläutert dem Vorsitzenden Richter Josef Beil und Anwalt Ferdinand Kuchler den Flächennutzungsplan. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Streit um ein Bauprojekt im Außenbereich bekommt die Gemeinde gegen das Landratsamt und den Bauwerber Recht - obwohl das Gelände ringsum von Wohnhäusern umgeben ist und 30 Jahre lang als allgemeines Wohngebiet gekennzeichnet war

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Der Streit schwelt seit Jahren. Die Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde Pliening und dem Grundeigentümer Ludwig Soller füllt mehrere Akten im Plieninger Bauamt - und jetzt hat sie auch das Verwaltungsgericht München erreicht.

Zum Augenscheintermin am sogenannten "Soller-Grundstück" in Landsham jedenfalls, das Teil einer ungenutzten Gesamtfläche von 1,9 Hektar südlich des neuen Dorfplatzes ist, hatte der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Josef Beil einen fast so dicken Ordner mitgebracht wie die beiden Rechtsanwälte, Kerstin Funk für die Gemeinde und Ferdinand Kuchler als rechtlicher Vertreter Ludwig Sollers. Mit weiteren Ordnern waren die Vertreter des Landratsamts angerückt, sowie die Geschäftsleiterin und der Bauamtsleiter der Gemeinde. Letztere hatte dagegen geklagt, dass das Landratsamt eine Bauvoranfrage Sollers positiv beschieden hatte, die sie zuvor abgelehnt hatte.

Am Ende der einstündigen Verhandlung musste Richter Beil die Verfahrensbeteiligten auf den folgenden Tag vertrösten, um zu einem Urteil zu kommen. Die rechtliche Beurteilung des Falls erwies sich als kompliziert, noch komplizierter allerdings sind die politischen Hintergründe der Auseinandersetzung. Das fragliche Grundstück ist im Flächennutzungsplan als allgemeines Wohngebiet dargestellt - und das seit 30 Jahren, wie Sollers Anwalt erklärte - liegt aber im Außenbereich. Eine Bebauung ist hier also grundsätzlich gar nicht, oder nur in Ausnahmefällen möglich, etwa in privilegierter Nutzung durch einen Landwirt. Einen landwirtschaftlichen Betrieb führe er zwar, erklärte Soller, der liege aber in Ismaning. Die Fläche in Pliening, die im Süden und Westen von Wohnhäusern, im Osten von einer Wiese und ebenfalls Wohnbebauung eingerahmt ist, sei "mehr ein Problemfeld", erläuterte Soller, der in Ismaning das Sternhotel Soller betreibt. Vor zwei Jahren habe er es mit einem Maisfeld probiert, da hätten ihm Kinder Wege hineingetreten; im Jahr davor habe er Gülle auf das Feld gefahren, erzählt er und schüttelt den Kopf. Man kann sich vorstellen, was er damit sagen will, angesichts der dicht stehenden Wohnhäuser rundherum.

Statt zu ackern wollte er also bauen, zunächst plante er Wohnungen auf der gesamten Fläche bis fast zur Kirchheimer Straße im Norden. Als sich Soller und die Gemeinde darüber nicht einigen konnten, stellte der Grundeigentümer im Sommer 2014 und erneut im Mai 2015 eine Voranfrage auf Errichtung eines einzelnen Einfamilienhauses auf dem südlichen Teil des Grundstücks. Beides lehnte der Bauausschuss ab. Im Dezember 2015 fragte Soller erneut an, diesmal wollte er zwei Wohngebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen und eine Tiefgarage bauen. Wieder weigerte sich der Ausschuss einstimmig. Der Wortlaut der veröffentlichten Argumentation: "Begründet wird dies mit einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB hinsichtlich der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft sowie der Gefahr des Entstehens einer Splittersiedlung." Darüber hinaus aber fand Bürgermeister Roland Frick deutliche Worte: "Vorführen lassen" wolle man sich im Gemeinderat nicht, mann wolle keinem Projekt unter anderem Namen zustimmen, das man längst abgelehnt habe. Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde sah die Sache allerdings anders und ersetzte die gemeindliche Zustimmung, im Sinne Sollers.

Sein Mandant, so führte Rechtsanwalt Kuchler beim Verhandlungstermin aus, werde seit Jahren von der Gemeinde ausgebremst. Ein privilegiertes Vorhaben, das im Außenbereich genehmigungsfähig wäre, könne sein Mandant nicht bauen, weil die Fläche rechtlich als allgemeines Wohngebiet gekennzeichnet sei und nicht als landwirtschaftliche Fläche. Wohnhäuser aber genehmige ihm die Gemeinde auch nicht, mit dem Verweis auf den Außenbereich. Über allem aber argumentiere die Gemeinde mit ihrer Planungshoheit. Auf die aber könne sie sich nicht berufen, schließlich habe sie es seit 30 Jahren vermieden, einen Bebauungsplan aufzustellen. "Das verstößt gegen Treu und Glauben und wir sehen das als rechtswidrigen Eingriff in Artikel 14, die Nutzung der Eigentumsrechte." Die Gefahr einer Splittersiedlung könne er, so Kuchler, ebenfalls nicht erkennen, da sich das Vorhaben unmittelbar in die umliegende Bebauung einfüge.

Eine Argumentation, der Richter Beil wohl so nicht folgen konnte, er gab der Klage der Gemeinde nach reichlicher Überlegung statt. Eine Begründung steht aber noch aus, die möglicherweise auch noch einige Hausaufgaben für die Gemeinde enthalten könne, mutmaßte Plienings Bauamtsleiter Martin Schmidt-Roschow. Immerhin hat der Bauausschuss zuletzt beschlossen, im Flächennutzungsplan aus dem Allgemeinen Wohngebiet nun eine Fläche für die Landwirtschaft zu machen - womit zumindest "der Rechtsfrieden" wiederhergestellt wäre, wie Gemeindeanwältin Funk in der Verhandlung erklärte.

Nicht aber der Frieden zwischen Ludwig Soller und der Gemeindeverwaltung. Da ist das Tischtuch zerschnitten, seit der Unternehmer im Jahr 2011, wie er und sein Anwalt nach der Verhandlung erläuterten, 60 bis 80 Wohnungen in kleineren Sechsfamilienhäusern auf der Gesamtfläche hatte bauen wollen, mit einer Tiefgarage und einer verkehrsfreien Erschließung. Mit dem Gesamtkonzept, das auch einen Dorfanger anstelle des noch bestehenden Hofes an der Kirchheimer Straße beinhaltet hätte - war die Gemeinde zunächst auch einverstanden, erzählte Soller. Bauamtsleiter Schmidt-Roschow bestätigte das auch.

Dann aber sei die Gemeinde erst von ihrem Anwalt darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich hier um einen Außenbereich handle, und in dem Fall sei es in Pliening gängige Praxis, dass der Bauwerber 30 Prozent seines Grundes günstig als Einheimischenbauland abtrete, "das machen wir immer so." Mit einer Überplanung des Sollergrundstücks aber hätte man wohl die benachbarte Fläche, deren Eigentümer mittelfristig nicht bauen will, automatisch mit zum Innenbereich gemacht. Um eine Abtretung wäre der dann herum gekommen. Das aber, hatte Bürgermeister Roland Frick bereits früher erklärt, bedeutete zum einen eine Ungleichbehandlung und zum anderen könne das als Präzedenzfall für andere Bauwerber gelten, die sich in ähnlichen Fällen zusammentun könnten: Der Erste könnte 30 Prozent abtreten und sich dann mit dem Zweiten über einen Ausgleich einigen. Beide gäben 15 Prozent, die Gemeinde habe das Nachsehen.

Ludwig Soller und sein Anwalt können dieser Argumentation nichts abgewinnen. "Das mit den 30 Prozent und der Gleichbehandlung", das habe die Gemeinde vor drei Jahren erst erfunden, schimpfte Anwalt Kuchler, nachdem er vom richterlichen Beschluss erfahren hatte. Die Frage stelle sich doch grundsätzlich, was mit dem Erlös aus dem Verkauf von Grundstücken passiere, die Gemeinden günstig bekämen und die als Baugrundstücke ein Vielfaches vom Ursprungswert einbrächten. "Eine Gemeinde sollte sich aus Steuern finanzieren und nicht aus Grundstücksgeschäften." Und ein weiteres Argument der Gemeinde wolle er nicht gelten lassen. Wenn auf dem Grund, den Bauwerber an Gemeinden für Einheimischenprojekte abtreten, etwas errichtet werde, dann seien das Ein- und Zweifamilienhäuser. So ein Haus aber könne sich eine alleinerziehende Kassiererin auch in Pliening nicht leisten, sagt Soller. "Da wird immer gejammert, dass es keine Wohnungen gibt und keine Grundstücke dafür. Die Wahrheit ist, es scheitert an den Behörden. Die Gemeinde will das nicht."

Ob Ludwig Soller und sein Anwalt gegen das Urteil vorgehen, wollen sie erst entscheiden, wenn sie Urteilsbegründung in Händen halten.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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