Bauprojekt in Grafing:Balkone statt Gärten

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Ehemaliger Stadtrat skizziert Grundzüge für neue Wohnsiedlungen

Von Thorsten Rienth, Grafing

"Gedanken zur Gestaltung zukünftiger Siedlungen in Grafing" - so titelt der ehemalige SPD-Stadtrat und Lehrer am Grafinger Gymnasium, Udo Helmholz, sein Positionspapier. Dieses verschickte er an den neuen Bürgermeister Christian Bauer (CSU) und die Stadträte. Die Absicht: Die Stadt soll bei geplanten neuen Siedlungen stärkeren Einfluss nehmen auf Gebäudearchitektur und Außenbereich-Gestaltung.

Anlass sind laufende Planungen in Helmholz' Nachbarschaft: die Wiese an den Nordenden von Pfarrer-Dr.-Zeiller- und Pfarrer-Dr.-Rauch-Straße. Die 5500-Quadratmeter-Fläche gehört zu den letzten größeren Grünfläche im Südosten der Stadt. Im Bauausschuss vor einigen Wochen hatte die Stadt in Form einer kombinierten Reihen- und Mehrfamilienhausbebauung eine denkbare Lösung skizziert. Als Obergrenze einer "behutsamen Höhen- und Geschossentwicklung" stehen aktuell zwei Vollgeschosse plus Pultdach in den Entwürfen.

Die Baulandentwicklung des Areals stellt Helmholz nicht in Frage. Eine gewisse Radikalität ist ihm jedoch nicht abzusprechen. "Grundsätzlich dürften im Großraum München weder Einzel- noch Reihenhäuser mehr gebaut werden", fordert er. "Bebaubare Flächen werden zu knapp, und die Grundstückspreise haben inzwischen eine irrsinnige unsoziale Höhe erreicht." So auch in Grafing, wo der Bodenrichtwert für den Quadratmeter Bauland vor zwei Jahren die Schwelle von 1000 Euro genommen hatte.

"Unsere Stadt ist im Großraum München einem wachsenden Siedlungsdruck ausgesetzt und muss - wenn auch auf organische Weise - im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts unaufhaltsam neuen Wohnraum schaffen." Die Krux beginnt für ihn bei der Art und Weise, wie größere Bauprojekte geplant würden: In der Regel von privaten Investoren mit eigenem Architekten und dem Ziel, einen möglichst hohen Gewinn herauszuholen. Die durchschnittliche Wohnfläche sei dadurch "luxuriös groß", die demografische Entwicklung zu wenig berücksichtigt und der Vorrang für Fußgänger und Radfahrer zu kurz gekommen.

Mit beherztem Eingreifen der Kommune ließe sich dies ändern. Helmholz nennt in seinem Papier eine Reihe von Möglichkeiten, die in Grafing genauso wie anderswo probate Mittel wären. "Keine Reihenhaussiedlung mit Einfamilienhäusern, weil das die unproduktivste, flächenfressendste Art von Wohnraumschaffung ist."

Zudem sei sie extrem unflexibel: "Die übliche Aufteilung - im Erdgeschoss ein sehr großes Wohn- und Esszimmer, Küche und WC. Schlafräume und Bad im Obergeschoss - ist für das älter gewordene Ehepaar, wenn die Kinder ausgezogen sind, nicht nur zu groß, sondern kann bei nachlassender Mobilität zum Problem werden." Außerdem falle es zunehmend schwer, Haus und Garten in Ordnung zu halten.

Helmholz hält es deshalb für sinnvoller, die Planung nicht aus der Perspektive der einzelnen Häuser, sondern aus der einer gesamten Wohnanlage heraus zu starten. Deren Planungsgrundzug müsse lauten: generationenübergreifend und mit verschieden großen sowie barrierefreie Wohnungen. "Ältere Ehepaare können in eine kleinere Wohnung umziehen und damit im gewohnten Umfeld bleiben." Breite Balkone und Terrassen könnten als Ersatz für Gärten fungieren. Gemeinschaftsfördernde Anlagen wie kleine Plätze, Innenhöfe, eventuell Dachterrassen und gemeinschaftlich nutzbare Mehrzweckräume könnten den Platzbedarf in seiner Wohnung oder Haus spürbar senken.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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