Bauen in Vaterstetten:Je ferner, desto lieber

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Die Gemeinde Vaterstetten will eine zu große Nachverdichtung in ihren Wohngebieten verhindern. Die neue Bayerische Bauordnung mit ihren geringeren Abstandsflächen wird daher nur zum Teil übernommen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Abstand halten wird ja derzeit stark empfohlen, und auch in der Großgemeinde setzt man künftig auf mehr Abstand. Das hat nun aber ausnahmsweise nichts mit Corona zu tun, und es sind auch nicht die Leute, die mehr Abstand halten sollen, sondern die Häuser. Wobei ganz genau genommen geht es gar nicht um mehr Abstand zwischen den Gebäuden, sondern darum, dass es in Zukunft nicht sehr viel weniger wird. Ein bisschen dichter werden die Häuser in Vaterstetten künftig nämlich schon zusammenrücken dürfen.

Hintergrund ist eine Novelle der Bayerischen Bauordnung, die zum Februar Gültigkeit erlangt hat. Darin werden die Abstandsflächen zwischen Gebäuden teilweise drastisch reduziert. Galt in Wohngebieten bislang die 1- H-Regel, also dass zwischen zwei Häusern mindestens so viel Platz sein muss, wie das größere davon hoch ist, schreibt die neue Bauordnung lediglich einen Abstand von 0,4 H vor. In Gewerbegebieten sinkt der Mindestabstand ebenfalls von bislang 0,25 auf jetzt 0,2 H. Ziel ist es, eine stärkere Nachverdichtung zu ermöglichen, um durch den starken Zuzug in die Ballungsräume, wie etwa die Region München, die Siedlungen nicht zu sehr in die Breite wachsen zu lassen.

Allerdings räumt der Gesetzgeber den Kommunen ausdrücklich ein, an den alten Abstandsregeln festzuhalten. Städte und Gemeinden können dazu Satzungen erlassen, wenn sie dies mit dem Ortsbild, der Verbesserung oder dem Erhalt der Wohnqualität begründen. Mehr als die 1 H sind laut Bauordnung indes nicht möglich, außer die Gebäude sind sehr niedrig: Ein Mindestabstand von drei Metern ist nämlich ebenfalls möglich.

Dieser soll nun auch in Vaterstetten gelten, wie Karin Klos vom Bauamt in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorstellte. Künftig müssen in den meisten Wohngebieten in Vaterstetten mindestens drei Meter zwischen zwei Häusern liegen. Eine Ausnahme gibt es hier nur in sogenannten "Kern- und urbanen Gebieten", hier gilt uneingeschränkt die neue Bauordnung und der Mindestabstand von 0,4 H. Die drei Meter dürften allerdings wohl auch hier nicht unterschritten werden, Gebäudehöhen von mehr als 7,5 Meter sind in den "urbanen Gebieten" vermutlich üblich. Ebenso wie in den Gewerbegebieten, auch hier übernimmt die Satzung den Wortlaut der Bayerischen Bauordnung und senkt die Abstandsflächen auf 0, 2 H.

In den allermeisten Siedlungen der Großgemeinde sollen die Abstandsflächen aber fast so bleiben, wie sie vor der Novellierung der Bauordnung waren. Ein kleines Zugeständnis an die Nachverdichtung gibt es indes schon statt 1 H gilt dort künftig 0,8 H, wenn dies mehr als drei Meter beträgt. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Vor zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 Meter Länge darf der Abstand zum Nachbarhaus auf 0,5 H sinken - aber auch hier gilt die Drei-Meter-Untergrenze.

Die Notwendigkeit einer solchen Satzung begründet die Verwaltung sehr ausführlich - wohl auch, weil es bereits nach der Vorberatung im Bauausschuss vor einigen Wochen Beschwerden potenzieller Bauwerber im Rathaus gegeben hatte. Man sei sich sehr wohl bewusst, so der Text der Begründung, dass die höheren Abstandsflächen einen gewissen "Eingriff in grundrechtlich geschützte Eigentümerinteressen" darstellen. "Das Eigentumsgrundrecht wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet", heißt es in der Begründung weiter, die Kommunen hätten ausdrücklich das Recht, hier Einschränkungen zu verfügen.

Die Gemeinde beruft sich dabei auf die von den Verwaltungsgerichten bestätigte "Regelungskompetenz (. . .) zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke" sowie zur "Herstellung (. . .) des Wohnfriedens". Zudem schöpfe man den vom Gesetzgeber festgelegten Maximalrahmen ohnehin nicht aus und setze statt 1 H eben nur 0,8 an, was "immer noch eine Privilegierung" darstelle.

Besonders auf den Punkt Wohnfrieden geht die Begründung ausführlich ein. Das Problem sei, dass es für viele ältere Siedlungen keine Bebauungspläne gibt. Zwar sei man dabei, dies für die Bestandsgebiete nachzuholen, die Verwaltung verweist aber auf die "sehr lange Verfahrensdauer". Bereits in der Vergangenheit sei zudem auf vielen Nachverdichtungsgrundstücken eine "reine Abstandsflächenarchitektur" zu beobachten gewesen, also die größtmögliche Ausnutzung der bebaubaren Flächen.

Dies führe "neben einer Änderung des Ortsbildes zu einer immer weiter voranschreitenden Verschlechterung der Wohnqualität insbesondere mit Blick auf den angemessenen Sozialabstand". Letzteres mache sich insofern bemerkbar, dass auch unter Einhaltung der alten Abstandsflächen "die Störung des Wohnfriedens insbesondere zwischen Eigentümern mit Bestandsgebäuden und Neubauten, insbesondere Mehrfamilienhäusern" seit Jahren zugenommen habe. Beschwerden gab es etwa "durch hinzukommende Einblicksmöglichkeiten" der Neubauten.

Denn traditionell sei das Wohnen in Vaterstetten "durch adäquaten Abstand zum Nachbarn geprägt". Dies stelle in der Gemeinde "einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar". Oder, wie es Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) zusammenfasste: "Wir wollen die dörfliche Struktur erhalten, und das wollen auch die Bürger." Genau wie die Gemeinderatsmitglieder: Ohne Diskussion und ohne Gegenstimmen wurde die neue Abstandsflächen-Satzung beschlossen.

© SZ vom 12.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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