Bauen im Landkreis Ebersberg:Näher am Nachbarn

Lesezeit: 3 min

Die Reform der Bayerischen Bauordnung soll künftig den Wohnungsbau vereinfachen. Vor allem das neue Abstandsflächenrecht stößt in den Gemeinden des Ebersberger Landkreises aber nicht überall auf Begeisterung. So könne eine höhere Baudichte etwa zu mehr Streit führen

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Das Bauen in Bayern soll einfacher werden - besonders im Bereich des Wohnungsbaus. Am 1. Februar tritt deshalb die Reform der Bayerischen Bauordnung in Kraft, verabschiedet wurde die Novelle im Landtag bereits im Dezember. Die größten Veränderungen betreffen die Abstandsflächen und die Dauer des Antrags. So gelten nun viele Bauanträge nach maximal drei Monaten nach Eingang in der Behörde als automatisch genehmigt. Außerdem sind geringere Abstände als bisher zwischen den Bauten erforderlich. Dies bedeutet auch Umstellungen in den Gemeinden und im Bauamt des Landkreises.

Bis auf solche der Gemeinde Vaterstetten - diese übt seit Ende der 90er Jahre die sogenannte "Große Delegation" aus und agiert somit unter anderem als Bauaufsichtsbehörde - landen früher oder später alle Bauanträge aus dem Landkreis im Landratsamt Ebersberg. Doch auch wenn die Reform viele Neuerungen bringt, "die Arbeitsabläufe in unserem Bauamt werden sich nicht grundlegend verändern", sagt Pressesprecherin Evelyn Schwaiger auf SZ-Nachfrage. Kontrollmechanismen würden analog auch für die von der Genehmigungsfiktion betroffenen Fälle ausgeweitet beziehungsweise angewandt, heißt es.

Die neue sogenannte Fiktionsfrist liegt bei drei Monaten, allerdings erst nachdem die Behörde den Antrag innerhalb von drei Wochen auf Vollständigkeit geprüft hat. Liegt nach dieser Zeit keine Entscheidung vom Amt vor, gilt der Antrag als genehmigt. Zu beachten ist: "Die Fiktionsfrist greift dabei nicht bei allen Bauanträgen, sondern gilt nur für Bauvorhaben, die keine Sonderbauten sind und die zudem überwiegend der Wohnraumbeschaffung dienen", so Schwaiger. Außerdem gelte diese Neuerung erst ab Anfang Mai.

Anders als zum Beispiel das neue Abstandsflächenrecht. Hier gilt schon von Februar an: Die Abstandsflächen werden auf 40 Prozent der Wandhöhe reduziert, in Gewerbe- und Industriegebieten noch weiter. Ein Mindestabstand von drei Metern soll dabei bestehen bleiben. Eine Regelung, die nicht unproblematisch ist.

"Auf den ersten Blick klingt das angesichts der Wohnungsknappheit sehr charmant", sagt etwa Michael Stolze (parteilos), Bürgermeister von Markt Schwaben. "Dieses Thema werden wir aber ganz ausführlich im Gremium diskutieren". Die signifikante Verkleinerung des Abstands diene der besseren Nachverdichtung und sei ganz im Sinne von Schaffung von Wohnraum, so Stolze, bedeute aber auch mehr Verkehr und mehr benötigte Infrastruktur. Als Gemeinde mit dem kleinsten Flächenanteil müsse man sich das bewusst überlegen. "Wenn noch dichter gebaut wird, muss man auch mit mehr Nachbarschaftsstreitigkeiten und Beschwerden wegen Ruhestörung rechnen." Es sei deshalb gut, dass jede Gemeinde eine eigene Satzung erlassen könne.

Ähnlich sieht es der Aßlinger Bürgermeister Hans Fent (parteilos). "Wir müssen sehr sensibel mit Flächen umgehen. In Hauptorten verschwindet immer mehr grün." Passt das überhaupt zur ländlichen Kommune? Das müsse man sich gut anschauen, so Fent, "ich würde da ein großes Fragezeichen setzen. Letztendlich muss das jede Kommune aber selbst wissen."

Auch die Stellplatzsatzungen sollen durch die Reform der Landesbauordnung flexibler gehandhabt werden, außerdem ist bei dem Ausbau eines Dachgeschosses keine Genehmigung mehr erforderlich. Holz soll künftig in allen Gebäudeklassen verwendet werden dürfen, Aufzüge müssen nicht mehr zwingend eingebaut werden, wenn der Aufwand dazu unverhältnismäßig groß wäre. "Eine gute Sache", so Hans Fent. Holz sei als regenerativer und nachhaltiger Baustoff sehr wichtig und der Einbau von Aufzügen ein unglaublicher Kostenaufwand. "Es geht um günstigen Wohnraum. Und alles was ich hoch reglementiere sind Mehrkosten, die sich auf den Mietpreis schlagen. Da muss man aufpassen."

Interessant ist auch ein Blick nach Vaterstetten. Die einwohnerstärkste Gemeinde des Landkreises ist ihre eigene Bauaufsichtsbehörde. "Natürlich sind bei uns verschiedene Ämter am Genehmigungsprozess beteiligt, am Ende des Tages erhält der Bauherr aber einen Briefkopf der Gemeinde", so Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Was die Reform konkret für die Behörde bedeutet, erklärt die Leiterin des Bauamts, Brigitte Littke: "Für die Verwaltung einen erheblichen Aufwand." Man habe nur wenig Personal, so Littke, anders als bisher müsse man nun exaktere Fristen für Bauherren berechnen und beachten. "Aber bis Mai haben wir Zeit, alte Anträge aufzuarbeiten und uns auf die Genehmigungsfiktion vorzubereiten." Auch hier werde man über die Abstandsflächenregelung diskutieren. Positiv fasse sie die Regelungen für den Klimaschutz auf, so Littke.

Ihrer Prognose nach wird der Wohnungsmarkt durch die Reform nicht unmittelbar angekurbelt werden. "Hier muss man ganz andere Stellschrauben angehen", sagte sie. Allerdings könne, wenn der gesamte Ablauf in ein bis zwei Jahren digitalisiert sei, die neue Bauordnung für viele Behörden große Erleichterungen darstellen.

Während in Vaterstetten alle Voraussetzungen geschaffen werden, um später auf den digitalen Bauantrag umzustellen, können Planer Anträge im Landratsamt Ebersberg - einem von 15 Pilotlandratsämtern in Bayern - bereits seit vergangenem Jahr digital einreichen. Rund 700 Bauanträge werden dort jährlich bearbeitet. Zusätzlich sind noch Änderungsanträge, Vorbescheide und isolierte Abweichungsverfahren zu bearbeiten, insgesamt also etwa 1000 bis 1100 Prüfungsverfahren. Trotz tiefgreifender organisatorischer Veränderungen im Bauamt und den unmittelbaren Auswirkungen der Coronakrise auf die Prozessabläufe, gehe man im Landratsamt davon aus, dass der Eintritt von Fiktionsfristen vermieden werden kann, so Evelyn Schwaiger.

© SZ vom 19.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: