Bauausschuss Grafing:Expansion im Osten

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Gegen den Bebauungsplan für das neue Grafinger Wohngebiet "Schönblick Nord" gibt es heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. Hauptkritikpunkte sind die alleinige Anbindung des Baugebiets über die Max-Wagenbauer-Straße und die grundsätzliche städtebauliche Entwicklung am Ort. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Grafinger Bauausschuss entscheidet über die Einwände gegen das geplante Neubaugebiet "Schönblick-Nord". Was zunächst nach einer Formalie klingt, birgt lokalpolitischen Zündstoff

Von Thorsten Rienth, Grafing

In der Grafinger Bauausschusssitzung an diesem Dienstag steht die nächste Bebauungsplan-Etappe für das Neubaugebiet "Schönblick Nord" auf der Tagesordnung: die Prüfung der eingereichten Stellungnahmen aus dem sogenannten frühzeitigen Beteiligungsverfahren. Was nach einer Formalie klingt, birgt lokalpolitischen Zündstoff. Denn mit der zum allergrößten Teils über die Max-Wagenbauer-Straße laufenden Erschließung der Nord-Erweiterung sind die Anwohner ganz und gar nicht einverstanden.

Mit einer rekordverdächtig hohen Anzahl von 99 Seiten kommt die Beschlussvorlage des "Top 4" daher. Sie beginnt mit den Stellungnahmen von Regierung von Oberbayern, Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt. Also Behörden und sogenannten Trägern der öffentlichen Belange. Von Seite 34 bis zum Ende des Dokuments ist die kritische Öffentlichkeit an der Reihe, oder besser: die kritische Nachbarschaft, die von ihrem Recht auf Einwände ausgiebig gebraucht macht.

"Die geplante alleinige Anbindung des Baugebiets über die Max-Wagenbauer-Straße ist eine deutliche zusätzliche Belastung für die Anwohner", heißt es etwa in einer der rund 20 Stellungnahmen aus dem direkten Umfeld. "Der entstehende zusätzliche Lärm, die Abgase und verbunden auch die Feinstaubbelastung durch die vielen zusätzlichen Fahrbewegungen werden im Verfahren nicht berücksichtigt bzw. wurden nicht untersucht." Stattdessen solle das Neubaugebiet eine zweite Zufahrt aus westlicher Richtung erhalten.

Eine andere Stellungnahme kommt auf folgende Rechnung: Bei 29 neuen Häusern - vorgesehen sind Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser - sei mit rund 100 neuen Bewohnern und täglich 400 zusätzlichen Autofahrten durch die Max-Wagenbauer-Straße zu rechnen. "Auf diese erhebliche Mehrbelastung wird im Bebauungsplan in keiner Weise eingegangen."

Inwieweit die Formulierung so haltbar ist, hätte wohl ein Gericht zu bewerten. Fest steht jedenfalls, dass sie Stadt im Zuge der Bebauungsplanaufstellung sehr wohl eine Verkehrsuntersuchung hatte durchführen lassen. Mit täglich 390 zusätzlichen Fahrten durch die Max-Wagenbauer-Straße liegt die Prognose im Bereich dessen, was auch die Anwohner schätzen.

Die Schlussfolgerung aus dem Rathaus ist allerdings eine gänzlich andere. Die zusätzlichen Fahrzeuge könne der aktuelle Plan "problemlos abwickeln", heißt es in der städtischen Stellungnahme zu dem Einwand. Und: "Der Ausbaustandard und die Funktion der Straße sind mehr als ausreichend." Doch die Kritik aus dem Ortsteil beschränkt sich nicht nur auf die Verkehrsführung. "Der sicher traurigste Punkt ist die allgemeine städtebauliche Entwicklung von Grafing", schreibt ein Anwohner. "Die Stadt wächst unkoordiniert weiter, allerdings nicht für Einheimische, sondern nur durch Zuzug von Auswärtigen, die sich die Preise leisten können." Würde der Profit einzelner Großgrundbesitzer über dem Wohl der Allgemeinheit stehen, laufe die Stadtentwicklung in die falsche Richtung. "Es scheint das Ziel zu sein, nur noch als Schlafstadt wahrgenommen zu werden, in der zugereiste Münchner ihre Kinder im Kindergarten abliefern, um dann nach München zu pendeln."

Die beteiligten Behörden bewerten die "Schönblick Nord"-Pläne deutlich positiver. "Die Planung entspricht grundsätzlich den Erfordernissen der Raumordnung", attestiert die Regierung von Oberbayern. Die Expansion am Ortsrand sei damit zu rechtfertigen, da die innenstädtischen Siedlungsflächen weitgehend ausgeschöpft seien. Größere Einwände, die das Grafinger Bauamt nicht schon in den Bebauungsplanentwurf eingearbeitet hätte, gibt es auch vom Ebersberger Landratsamt und dem Rosenheimer Straßenbauamt nicht. Dass die Anwohner die Planungen gegen diese Front kippen können, scheint daher eher unwahrscheinlich.

Beginn der Sitzung ist am Dienstag, 23. Februar, um 17 Uhr in der Stadthalle Grafing.

© SZ vom 23.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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