Ausstellung:Rauschhafte Menschenleere

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Geisterhaft verlassen wirkt dieser Bungalow in einer Arbeit von Greta Schnall. (Foto: Christian Endt)

Fotografin Greta Schnall verfremdet Architektur

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Wenn Architektur erstarrte Musik ist, wie der philosophische Allrounder Friedrich Schelling dereinst feststellte, dann sind die Bilder von Greta Schnall irgendwo zwischen Elektro und Trance anzusiedeln. Wie das Resümee einer wild verfeierten Partynacht, wie ein grotesker Spaziergang durch eine surreale Wohnlandschaft liest sich die Fotoausstellung "Fantastic House", die noch bis 2. März in der Großen Galerie im Obergeschoss des Rathauses Ebersberg zu sehen ist.

Dabei ist die Grundlage der stark nachbearbeiteten Bilder eine sehr nüchterne: Wohnhäuser. Greta Schnall nimmt schlichte, geradlinige Architektur unter die Lupe und verwandelt sie in zumeist grell farbige, monströse Bauten. Durch die kommentarlose Iteration von Fenstern, Vorsprüngen, Balkonen erzeugt Schall eine rauschhafte Verfremdung, die sich durch das horizontale Aufbauschen der Motive noch verstärkt. So spielen die Sinne verrückt, etwa bei dem Bild mit dem augenzwinkernden Titel "Wohnen im Fokus", das einem 3-D-Puzzle gleicht: Die Front eines unpersönlichen, mehrstöckigen Wohnhauses wird hier durch schräge Zusammensetzung und die Konzentration auf einen nicht vorhandenen Mittelpunkt ad absurdum geführt. Etwas gesitteter und grafischer geht es in dem Werk "White City" zu, in dem sich ein schmuckloser Bungalow beinahe geisterhaft in seinen baulichen Einzelteilen spiegelt und überlagert. Die heruntergelassenen Rollläden verstärken das Gefühl der Menschenleere und Verlassenheit dieses Ortes noch.

Wie die Kulisse eines fantastischen Tim-Burton-Films hingegen wirkt das Foto "Deep In Red Village": Häuserfassaden und Wände sind wuchtig ineinandergeschoben, türmen sich auf, als würden sie den Dalíschen Uhren ähnlich im nächsten Moment zerlaufen.

Greta Schnall wurde 1964 in Simbach am Inn geboren. Sie absolvierte ein Examen in Krankenpflege und wohnt seit 2000 in Obing. Künstlerisch ist Schnall Autodidaktin: Seit zwölf Jahren beschäftigt sie sich mit Pflanzen- sowie mit Makro-Fotografie, vor etwa zehn Jahren ist sie in die erweiterte digitale Bildbearbeitung eingestiegen. Abstraktes, Grafik und Gebäude nimmt Greta Schnall bereits seit 2010 in ihren Fokus. Neben dem Docma Award, den das Magazin für Digitale Bildbearbeitung auslobt und bei dem sie im Jahr 2013 den ersten Platz machte, kam die Künstlerin auch bei den Weißenburger Foto-Tagen vor drei Jahren unter die besten 50 Bewerber.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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