Ausstellung:Ein Abend für Bluebeard

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Bei der Vernissage der neuen Ausstellung des Kunstvereins erinnern Weggefährten an den verstorbenen Robin Page

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Dass man den Philosophen Peter Seyferth gebeten hatte, eine Rede zur Eröffnung der Ausstellung "A Tribute to Robin Page" im Kunstverein Ebersberg zu halten, war in zweierlei Hinsicht eine gute Idee: Erstens näherte sich der Mann, der sich als Punk und Anarchist versteht, dem Kunstschaffen von Page und dessen Schülern aus der Perspektive des weisen Narren; außerdem brachte Seyferth die gut sechzig Besucher der Galerie immer wieder zum Lachen, indem er beispielsweise dem im Mai vor einem Jahr gestorbenen Fluxus-Künstler, der sich "Bluebeard" nannte, mit "Schlümpfeblut" um den blau gefärbten Bart ging.

"Bluebeard" war das alter Ego Pages, der von 1981 bis 1998 Professor an der Münchner Kunstakademie war. Mike Spike Froidl, Punk und Künstler, hat einst den schlohweißen Bart des Lehrers blau gefärbt. Schlumpfblut hat er allerdings dafür definitiv nicht verwendet. Froidl präsentierte sich bei der Vernissage nicht nur als sehniger Kampf- und Kalligrafiekünstler, sondern auch als Pirat auf den Kanälen Venedigs, in einem Film anlässlich der Biennale 1990, zu der er Robin Page begleitet hatte. Obwohl es um dessen Werk ging, nutzte Froidl die Gelegenheit, sich als Meister der Performance feiern zu lassen.

Die Projektleitung der Ausstellung hatte Thomas Hager, Mitglied des Kunstvereins und ebenfalls ein ehemaliger Schüler von Page. Erst im letzten Augenblick war man mit dem Hängen der Arbeiten fertig geworden. Das störte aber niemanden. Chaos, Staunen, Wiedersehensfreude, Gelächter - die Stimmung glich einem Klassentreffen. Andreas Mitterer, Vorsitzender des Kunstvereins, freute sich, dass viele Münchner in die Alte Brennerei gekommen waren. Wer braucht schon Listen und Namen, wer braucht Ordnung, wenn doch das Chaos so schön ist?

Irgendwie war er an dem Abend dabei, der Mann, der seinerzeit so viel Schwung und anarchischen Unernst in die schläfrige Akademie brachte, der an Thanksgiving im Akademiegarten für die Studenten einen Truthahn grillte. Erinnerungen an Page hängen in gedruckter Form neben den Arbeiten und sind ebenso aufschlussreich wie die Kunstwerke selbst. Paul Martin Cambeis etwa schrieb: "Ich war Taxifahrer und fuhr Nachtschicht, als am Münchner Siegestor Robin Page in mein Taxi stieg" Wenig später war Cambeis Student bei ihm. Tom Hager erzählt, dass Page bei seinen Studenten meist nach "authentischen Persönlichkeiten mit ungewaschenem Kopf" gesucht habe. Sympathisch, lustig, raubeinig sei er gewesen. "The spirit of Bluebeard watches over you", steht auf einer plastischen Arbeit von Page, der hier mit drei Exponaten vertreten ist.

Ins Herz geschlossen hatte der Meister auch Fritz Neise, der in der Druckerei der Akademie beschäftigt war. Page erkannte dessen Talent und nahm ihn als Schüler an. Neise lebt nicht mehr, deshalb hat seine Freundin, die Page-Schülerin Susanne Urban, eine Arbeit Neises mitgebracht. Es sind drei Stühle, zwei gewöhnliche und einer im Puppenstubenformat mit Beinen aus Buntstiften. "Neise hatte viel Sinn für Sprachspiele", berichtet Urban. Auf dem ersten Stuhl steht eine Mini-Nähmaschine. Der Name des Objekts ist doppeldeutig: "Nature" sowie "Näh" und "chair". Gleiches auf dem Stuhl daneben, dem "Pig chair" oder "picture". Darauf liegt ein rohes Schweinekotelett. Urban hat eine Kühltasche dabei und tauscht das Fleisch täglich aus. Das dritte Objekt heißt "teacher". . . darauf ist, klar, ein Teebeutel drapiert. Zwei Bilder mit dem Titel "Paradies" hat wiederum sie für Neise gemalt. Darin etwas versteckt die doppeldeutige Botschaft: "Klau die Sky"; das Ganze in Spiegelschrift, um daran zu erinnern, dass Neise gerne mit den Fingern Worte an Fensterscheiben geschrieben hat. "Stiehl dir den Himmel", will sie sagen, auch wenn er wolkenverhangen ist.

Geschichten und Anspielungen überall! Etwa in der "Mose-Show" von Steffen Haas, einem Comic aus dem Leben einer Maus, die von Schlössern aus Käse träumt. Der Künstler wird die wunderbare Show bei der Finissage vorführen. Anderes erinnert an das Leben damals rund um die Akademie. Etwa Klaus Soppes fotorealistische Porträtserie von Stadtstreichern. Ein ergreifendes "Ecce homo" hat er gemalt, versehrte Gesichter, verwundete Seelen. Staunend registriert der Besucher, dass auch die Drohungen gegen den Zornedinger Pfarrer Ndjimbi-Tshiende Thema der Fluxuskunst geworden sind. Mike Spike Froidl hat einen Linolschnitt geschaffen, mit Porträt und Kirche und blauem Bart. Die Arbeit entstand, bevor er von der Ausstellung in Ebersberg wusste. Fluxus, das bedeutet unter anderem die Einheit der Dinge: "Everybody is Bluebeard!"

Die Ausstellung "A Tribute to Robin Page" in der Alten Brennerei dauert bis 15. Mai, geöffnet Freitag 18 bis 20, Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr. Am 12. Mai heißt es um 20.30 Uhr: "Kunst und Musik".

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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