Ausnahmekonzert:Attraktiv geschärft

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Ein klangvolles "Dankeschön" für die treuen Abonnenten: Für einen einzigen Abend kehren die Vaterstettener Rathauskonzerte an ihren Ursprungsort zurück, wo sie aus Gründen des Feuerschutzes eigentlich nicht mehr stattfinden können. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit einem Duoabend rücken die Vaterstettener Rathauskonzerte ihren ursprünglichen Spielort wieder ins Hörfeld des Publikums. Cellist Mattia Zappa und Pianist Massimiliano Mainolfi glänzen

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Es ist keine Übertreibung, wenn man das 1758 von Giovanni-Batista Gabbrielli geschaffene Cello als ein Wunderwerk der Instrumentenbaukunst bezeichnet. Sich vorzustellen, wie viele Solisten sein warmer, intensiver Wohlklang im Lauf der Zeit angespornt und wie viele Zuschauer es je betört hat, bleibt nur Ehrfurcht vor großer Kunst. Beim Vaterstettener Rathauskonzert hatte nun in Mattia Zappa einer dieses Instrument in der Hand, der es verdient: Grieg, Mainardi, Dvořák und Beethoven mögen einen solchen Solisten im Sinn gehabt haben, als sie die Stücke komponierten, die das Programm des Sonntagabends bildeten. Aber wie oft kommen schon Wunsch und Wirklichkeit im Leben zusammen - und dann auch noch vier Mal, direkt hintereinander?

Exemplarisch für den Umgang des Künstlers mit dem Cello sei die "Sonata quasi Fantasia" von Enrico Mainardi genannt, ein Opus, das 1962 entstand und, aufs erste Hinhören, geprägt ist von der kulturellen Zerrissenheit jenes Jahrzehnts des Aufbruchs und der Revolution. Mainardi, selbst begnadeter Cellist, war hörbar daran gelegen, ein Stück zu schaffen, das den Zuhörern zeigt: "Hört her, es geht auch ganz anders." Mit Dissonanzen und scharf konstruierten Läufen macht er sichtbar, dass unter dem glänzend polierten Holz des sonoren Instruments und zwischen den sanften Rundungen seines Korpus' eine Seele steckt, die nicht nur edel und süß den Sonnenschein widerspiegelt, sondern auch Zorn, Ärger und Angriffslust in sich birgt. Das ist keine Schmeichelei fürs Ohr, das ist die Konfrontation mit den Abgründen des Daseins. Gerade weil Zappa zuvor aus Edvard Griegs Sonate a-Moll alle Romantik und Anmut zutage gefördert hatte, die das Herz erwärmt, war seine Interpretation Mainardis in der Folge so glaubwürdig und so berührend: Wie sehr muss einer sein Instrument lieben, um ihm solche Schreie zu entlocken? Sehr.

Nun war dieses Konzert kein Soloauftritt, sondern ein Duo aus Cello und Klavier. Der Pianist Massimiliano Mainolfi ist gleichberechtigter und gleichwertiger Partner im Spiel und im Klangbild, die Auswahl der Stücke entsprechend, von denen es nicht so reichlich gibt wie mit Klavier und Violine, aber doch genügend, um wählerisch sein zu dürfen. Es überrascht nicht, dass die beiden Musiker, die seit Jahren aufeinander eingespielt sind, hier ihre Favoriten haben. Gleichwohl darf ihre Entscheidung sowie die Abfolge - Grieg zu Beginn, Beethoven zum Beschluss, vor der Pause moderner Mainardi, nach der Pause heiterer Dvořák - als mustergültig gelten, um Einheit in der Vielfalt zu zeigen. Jedes der vier Stücke betont die Unterschiede zwischen den Instrumenten und gibt den Musikern ein breites Feld, sich zu beweisen und ihre Kunstfertigkeit zu demonstrieren. Es ist ein Vergnügen, Mainolfi dabei zuzuhören, wie er dies mit sicherer Hand und eleganter Intonation in die Tat umsetzt, mit ausgeprägtem Sinn für die Seele der Komposition und die dramaturgische Intention ihrer Schöpfer.

Die Akustik des Atriums im Vaterstettener Rathaus kommt dem Duo und seinen Werken entgegen. Für ein "Dankeschön" an ihre treuen Abonnenten war die Konzertreihe an diesem Tag an ihren namensgebenden Ort zurückgekehrt, die Exklusivität eines reduzierten Platzangebots in Kauf nehmend. Die Einbauten im Rathaus belasten das Klangerlebnis - in diesem Fall - nicht, sondern erzeugen eine attraktive Schärfe im Klangbild, die gut zur Auswahl passt. Sogar das Prasseln eines Regenschauers aufs Plexiglasdach erwies sich dabei als überhörbar. Es wäre es wert zu prüfen, wie andere Musik in diesem Raum heute wirkt.

Mit Beifall geizte das "kundige Publikum" (Zitat Zappa) weder en route, noch am Ende der Reise. Die attraktive Kombination Cello-Piano sorgt eben für Hörvergnügen der bewegenden Art. Einen Extra-Applaus erhielt einer, der zwar nicht im Programm stand, aber für alle gut sichtbar eine wichtige Rolle innehatte: Angelo Volpini, der Notenwender des Pianisten. "Ich habe schon schlechte Erfahrungen mit dem Umblättern gemacht", sagte Mainolfi zum Publikum gewandt. "Aber als ich den Namen für heute Abend gelesen habe, war ich die Sorgen los. Er war ein Schüler von mir."

Aus dem Rahmen des Üblichen fiel auch die Zugabe, die sich das Publikum erklatscht hatte: Ennio Morricones Titelmelodie zum Film "Nuovo cinema paradiso" von Giuseppe Tornatore aus dem Jahr 1988, "jener Zeit, in der für uns alles begonnen hat", wie Zappa anmerkte. Entsprechend emotional und bewegend dann auch die Interpretation des Duos, voller Bilder im Kopf und verbunden mit der Botschaft: "Wir sind noch lange nicht am Ende des Weges angekommen." Es ist zu wünschen, dass er noch häufiger nach Vaterstetten führt.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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