Auftritt in Ebersberg:Joghurt-Charisma in Tiefschwarz

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Von Bühnenshow kann keine Rede sein: Bewusst stoisch absolviert Christoph Fritz sein Programm. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kabarettist Christoph Fritz zeigt im Alten Kino sein zweifach prämiertes Debütprogramm

Von Elisabeth Urban, Ebersberg

Einige Sitze im Ebersberger Alten Kino sind noch frei, als das Licht gedimmt wird, das lebhafte Murmeln und das Klappern von Gläsern verstummt. Die Dunkelheit im Raum wird nur durchbrochen von den Teelichtern auf den Tischen und einigen Handybildschirmen. Ähnlich düster wie der Zuschauerraum ist auch der Humor von Christoph Fritz, der jetzt auf der Bühne vom Lichtstrahl der aufleuchtenden Scheinwerfer getroffen wird und den Abend beginnt.

Christoph Fritz heißt nach eigenen Angaben eigentlich Biene Maja Fritz und gesteht dem Publikum zu, ihn "ganz freundschaftlich einfach Herr Fritz zu nennen". In seinem knapp zweistündigen Debütprogramm "Das jüngste Gesicht" spannt der Niederösterreicher einen Bogen vom Anfang bis zum Ende des Lebens, bepackt mit Anekdoten zu Liebe, Todessehnsucht und dem morgendlichen "existenziellen Kampf zwischen Harndrang und Müdigkeit". Er lässt das Publikum an den intimen Details seiner Tagebücher als Vierjähriger teilhaben, schildert den Tag, an dem er durchs Löchergraben erwachsen wurde, und berichtet darüber, wie ein gurkenbasierter Suizidplan daran scheiterte, dass ihm Gurken einfach nicht schmecken.

Neben Erzählungen über Misserfolge mit Komplimenten wie "Mir gefällt die gerade Anzahl deiner Kniescheiben", seine Erfahrungen mit der Dating-App Tinder, die er auch als "Running Sushi der Lust" beschreibt, und seinen ersten Job nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium, streut der Kabarettist immer wieder Kalauer ein, die das Publikum zum Schmunzeln bringen.

Seine Familie unterstelle ihm das Charisma eines abgelaufenen Joghurts, so Fritz, doch ein abgelaufener Joghurt birgt wohl mehr Leben als die bewusst stoische Bühnenshow des 25-Jährigen. Kantige Brille, graues Hemd, hell gewaschene Jeans, den Kopf immer einen Hauch zwischen die Schultern eingezogen, er umschlingt mit beiden Händen den Griff des Mikrofons: Keine Äußerlichkeit lenkt von den tiefschwarzen Sticheleien ab.

Fritz präsentiert seine Pointen absolut trocken und frei von Emotion, er unterstreicht das auch, indem er quasi regungslos auf der Bühne steht, nur die Pupillen zucken hin und her, ab und an greift er zum Wasserglas, das neben ihm auf einem Stehtischchen Platz findet. Ganz selten entgleitet ihm seine Rolle, dann muss er über sich selbst schmunzeln und die Person Christoph Fritz steht auf der Bühne - so sympathisch zwischen den düsteren Weltsichten, dass man sie sich fast öfter im Programm wünscht. Ansonsten erzählt er bedächtig und unerschütterlich seine Geschichten, sogar als er sich selbst auf der Gitarre begleitet und die Lieder spielt, die er für seine verflossenen Lieben geschrieben hat, scheint er das in einem Feuerwerk der Ungerührtheit zu tun.

Gerade wenn Fritz von seinen privaten Dramen in Liebe und Leben erzählt, gibt ihm diese Ungerührtheit eine charmante Selbstironie. Doch daneben deckt der Nachwuchskünstler auch gesellschaftliche Themen ab, schießt gegen die Borniertheit seines kleinen Heimatdorfes, gegen Arbeitswelt und Kirche oder beschäftigt sich mit seiner ganz eigenen Sicht zur Massentierhaltung. Genauso wie über die überdimensionale Unterwäsche seiner Großeltern spricht er über Suizid, psychische Erkrankungen und Terrorismus. Dabei bleibt er jedoch leider teilweise sehr oberflächlich, und hinter seinem amüsant-boshaftem Witz könnten noch einige Lücken mit Inhalten gefüllt werden.

Tatsächlich zeigt sich das auch in den Reaktionen des Publikums, die Stimmung über den Abend ist positiv und viele der wortgewandt verpackten Pointen sorgen für Schmunzeln und Lacher, doch es bleibt Luft nach oben. Aber ganz nach dem Programmnamen "Das jüngste Gesicht" läuft Fritz - der mit seinem jungenhaften Gesicht tatsächlich ein bisschen "aussieht wie ein 15-jähriger Ministrant, der ein bisschen aussieht wie ein elfjähriger Ministrant, der ein bisschen aussieht wie ein achtjähriger Ministrant, der ein bisschen aussieht wie ein elfähriger Ministrant" und deutlich jünger ist als die Mehrheit seines Publikums - die Zeit dafür ja nicht davon.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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