Auftakt in Grafing:Mit dem Bulli auf Nachhaltigkeitstour

Lesezeit: 3 min

Erste Vorbereitungen in Grafing mit örtlichen Akteuren: Michaela Müller, Kai Lamich, Barbara Harder, Nicola Harder, Rusydah Ziesel, Roland Günther und Heiko Meyer (von links). Der VW-Bus stammt noch aus der Zeit, als Nicola Harder in Berlin gelebt hat. (Foto: Privat)

Die Chiemgauerin Nicola Harber veranstaltet in Grafing ein Visionsfest mit Workshops, Diskussionen und Theater. Anschließend reist sie mit ihren Ideen durch Europa

Von Clara Lipkowski, Grafing

Zu Beginn muss man erst mal klären: Was ist denn bitteschön ein Visionsfest? In Grafing steigt ein solches Fest an diesem Freitag, 31. August. Bis Sonntag können sich Visionäre und Visionärinnen, wie es auf der Internetseite heißt, dort einfinden. Initiatorin Nicola Harder klärt mit einem Beispiel auf: "Wir wollen nicht auf die große Politik warten, bis sie endlich etwas gegen das Insektensterben tut, wir wollen jetzt im Kleinen etwas bewirken und die Nachhaltigkeit fördern." Das kann sein: Gemeinsam Insektenhotels bauen, sie dann im eigenen Garten aufhängen und so ein wenig der heimischen Fauna helfen. Oder Saatgut zu tauschen. Oder das Konzept einer Mitfahrbank zu verbreiten. "Es macht doch total Sinn, wenn ein Auto fast leer herumfährt, dann jemanden mitzunehmen, wenn er auf so einer Bank sitzt", sagt Nicola Harder. Nachhaltig sein im Kleinen, das ist das Prinzip.

In Grafing sollen also Interessierte zusammen kommen, Ideen einbringen und neue Impulse erhalten, im Alltag nachhaltiger zu werden. Am Freitagabend startet das Fest mit Redekreisen. Getrennt nach Männern und Frauen sollen Visionen für ein erfülltes Leben besprochen werden. Warum geht das nicht gemeinsam? Harder will das als "pragmatisch" verstanden wissen: "Wenn sich Frauen und Männer untereinander unterhalten, reden alle viel offener." Anschließend werde man die Ergebnisse gemeinsam besprechen.

Am Samstag, 1. September, wird es eine Mischung aus Workshops, "Visions-Theater" und Singen geben. Das vegane und vegetarische Buffet werde erfahrungsgemäß von den Teilnehmern gut bestückt, sagt die 51-Jährige aus dem Chiemgau, die ähnliche Treffen schon in ihrer Heimat organisiert hat. Am Sonntag werden unter anderem besagte Insektenhotels gebaut.

Für Grafing als Veranstaltungsort hat sich Harder nicht nur wegen der guten Verkehrsanbindung entschieden. Auch, weil dort die Gruppe "Transition Town" aktiv ist. Ableger dieser Bewegung aus Großbritannien gibt es in ganz Europa und eben auch nahe dem Grafinger Zentrum. Dort fördert die Gruppe Mitfahrbänke oder ein Repair-Café und ist Vermittler auf dem Mietmarkt: Sind aus größeren Häusern die meisten Familienmitglieder ausgezogen, sucht die Gruppe für den Hauseigentümer Mieter. Harder fasst das so zusammen: "Transition Town fragt, wie man Bestehendes optimieren kann", das Arbeiten mit dem, was schon da ist, sei der Gedanke.

Das Visionsfest wird aus Spenden von Privatleuten finanziert. Teilnehmer sind aufgerufen, außer Essen auch Geld beizusteuern, mit 30 bis 60 Euro keine unerhebliche Summe. Was wohl auch daran liegt, dass das Fest der Auftakt zu etwas Großem ist: Harder, hauptberuflich Theaterpädagogin und Coach, reist von Grafing aus mit einem Team Freiwilliger in einem VW-Bus zwölf Wochen durch Europa, um ihre Ideen der Nachhaltigkeit zu verbreiten und ihr Netzwerk an Aktiven und Interessierten zu vergrößern. Über Österreich, Serbien, Bulgarien, Griechenland, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und Italien geht es nach Frankreich, Spanien und zur letzten Station nach Portugal, wo sie am 15. November mit ihrem "Vision Caravan" ankommen will. An jeder Station will sie Privatleute oder Organisationen treffen, Workshops und Gesprächsrunden veranstalten. Lingua franca ist Englisch oder ein lokaler Übersetzer springt ein. Sie hat errechnet: 100 Kilometer kosten etwa 20 Euro Maut und Sprit. Viele hätten nicht lang gezögert und 100 Kilometer gesponsert.

2017 ist sie die Tour im Bulli schon einmal alleine vorgefahren, auch, um erste Kontakte zu knüpfen. So traf sie eine Lehrerin in Kroatien. Die Frau wollte ein Schulbeet anlegen, aber das Geld dafür fehlte. "Ich habe sie gefragt, wie viele Schüler in der Klasse sind. 23. Also habe ich gesagt, dann gibt es doch mindestens 46 Erwachsene und sicher in einer Familie einen Spaten." So fing es an. Dann half Harder mit Saatgut, sie hatte in einer Kiste eine große Auswahl dabei - das Saatgut sei immer ein guter Aufhänger, sich kennenzulernen. Nach dem Treffen ging die Lehrerin ans Werk. "Im Frühjahr hat sie mir Fotos geschickt. Sie hat die Idee umgesetzt und jetzt einen Schulgarten."

In Grafing hofft Harder auf etwa 30 Teilnehmer. Selbst wenn es weniger würden, sie ist da ganz gelassen: "Ich habe gelernt, dass sich das, was wir auf unseren Treffen erarbeiten, in den Bekanntenkreisen meist wie von selbst multipliziert."

Das Fest findet in der Casa Creativa und im FBZ statt. Informationen zum Programm unter www.vision-caravan.org.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: