Auftakt im Alten Speicher Ebersberg:Von Unterhosen und Ur-Bayern

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Zum zweiten Mal organisiert das katholische Kreisbildungswerk die "Wochen der Toleranz". Kabarettist Christian Springer findet deutliche Worte, die Steinhöringer Band "Das rote Motorrad" sorgt für Stimmung

Von Katharina Güntter, Ebersberg

"Es ist normal, verschieden zu sein." So sagte es schon der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Um die mit Verschiedenheit verbundene Toleranz ging es auch am Sonntag bei der Auftaktveranstaltung der "Wochen der Toleranz", die heuer zum zweiten Mal stattfinden. Landrat und Schirmherr Robert Niedergesäß unterstrich in seinem Grußwort, wie wichtig es ihm sei, dass Ebersberg ein "toleranter und ein toller Landkreis ist", der zeigt: "Jawohl, wir fangen bei uns an, in unserem Zuhause, in unserer gut situierten Gesellschaft. Wir wollen ein Zeichen setzten für Toleranz. Wir lehnen Intoleranz ab und heißen Menschen willkommen, die anders sind als wir."

Die Wochen der Toleranz, organisiert vom katholischen Kreisbildungswerk Ebersberg, starteten am Samstag mit einem Rundgang durch das Konzentrationslager Dachau, am Sonntag folgte die offizielle Eröffnung mit einem Kulturfest im Alten Speicher. Hauptakt des Abends war ein Auftritt des Kabarettisten Christian Springer. Der 54-Jährige warf in seiner Rede einen Blick darauf, wie unverständlich Intoleranz und wie schwer Toleranz manchmal sein kann und forderte das Publikum zum Handeln auf. "Es ist noch nicht einmal ein Beginn, was wir hier machen. Die Wochen der Toleranz sind ein Samenkorn, den Rest müssen wir weitertragen, durch Reden mit den Nachbarn, mit Freunden und Bekannten." Für Springer gibt es bei der Toleranz - fast - keine Grenzen: "Ich habe meine Toleranz, und die lasse ich mir nicht nehmen. Aber wenn unsere Gemeinschaft angegriffen wird, hört's auf", sagte er voll Inbrunst. Er bewundere Demonstranten im Libanon, die sich mit einer Menschenkette über 170 Kilometer für religiös unabhängige nationale Einheit einsetzten. Als Gründer der Organisation "Orienthelfer" fliege er mindestens zweimal im Monat nach Syrien und habe bei einem seiner vielen Besuche auch mit seiner eigenen Toleranzgrenze gehadert: Ihm wurde die Frage gestellt, was er getan hätte, wenn ihn im Krankenhaus eine Mutter eines syrischen Offiziers nach Geld für eine Operation gefragt hätte, nachdem er davor dessen Opfer besucht hatte? Doch nicht nur damit regte Springer zum Nachdenken an. Der Münchner spielte auf manche für ihn unverständliche rassistische Sichtweisen an wie beispielsweise die Tatsache, dass wir zwar Unterhosen tragen, die sämtliche Ländergrenzen überschritten haben, Menschen dann aber nicht von Land zu Land reisen lassen.

Die Steinhöringer Band "Das rote Motorrad" bringt die Gäste in Schwung. Das Repertoire ist durchaus unkonventionell - mit dem Titellied aus "Wicki" bringen sie aber auch den Letzten zum Lachen. (Foto: Christian Endt)

Außerdem stellte der Kabarettist die Frage in den Raum, wie man mit dem südafrikanischen Präsidenten umgegangen wäre, der trotz Korruption und Vergewaltigung Ehrenpreise erhielt, wenn dieser kein Christ, sondern Muslim wäre. Das Publikum brummte zustimmend. Abschließend merkte Springer humorvoll an, dass sich "der ganze Stolz auf unser Ur-Bayern auf Wirtschaftsflüchtlinge stützt": Der erste Besteiger der Zugspitze sei ein Belgier gewesen, der erste König von Bayern in Baden-Württemberg geboren und in Frankreich aufgewachsen und die Bajuwaren - Vorfahren der Bayern - seien aus dem Osten eingewandert. Das Publikum zollte großen Applaus.

Für Auflockerung dieses nachdenklichen Beitrags sorgte die Band Das rote Motorrad vom Einrichtungsverbund Steinhöring. Egal ob lässig mit Hut, glitzernder Weste oder entspannt im T-Shirt - die Band mit ihren acht Mitgliedern brachte mit Volksfest-Hits wie "Rock Mi" und "Marmor, Stein und Eisen bricht" das Publikum in Schwung. Klatschend, stampfend und singend lauschten die 80 bis 100 Zuhörerinnen und Zuhörer. "Hey, hey Wicki" brachte auch den Letzten zum Schmunzeln. Die folgende Ballade "Sierra" ließ das Publikum auf den Sitzen schunkeln und anschließend in großen Applaus ausbrechen.

Christian Springer fordert das Publikum auf, bei Nachbarn und Freunden für Toleranz zu werben. (Foto: Christian Endt)

Abwechslung brachte auch die Band Spam. Von Geige, Kontrabass und Gitarre begleitet, gab der Sänger jiddische Lieder zum Besten. Das Publikum ließ sich von der Energie der Gruppe mitreißen und klatschte - wenn auch nicht immer im Takt. Passend zum Thema Toleranz handelten die Lieder unter anderem von einer jüdischen Familie, den unbezahlbaren Mieten und dem Leben allgemein. Nach der Pause folgten der senegalesische Rapper und Sänger von Black Dia und der somalische Akrobat Sanka Ali. Jennifer Becker, Geschäftsführerin des Kreisbildungswerks Ebersberg, führte durch das Programm.

22 Veranstaltungen bieten die Wochen der Toleranz, die noch bis Ende November dauern. Unterstützt wird das Kreisbildungswerk vom Caritas-Zentrum Ebersberg, der Volkshochschule Vaterstetten, Bunt statt Braun, dem Kreisjugendring, dem Einrichtungsverbund Steinhöring, dem Pfarrverband Anzing-Forstinning, der evangelischen Kirchengemeinde Kirchseeon und dem Landkreis. Das Programm gibt es unter www.kbw-ebersberg.de.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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