Aufführung an diesem Sonntag:Hommage an eine starke Frau

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Marga Kappl vom Markt Schwabener Theaterverein hat ein Stück über die AWO-Gründerin Marie Juchacz geschrieben

Von Anja Blum, Markt Schwaben

Marlene Dietrich kennt fast jeder. Aber Marie Juchacz? Dabei haben beide Frauen der Nachwelt Großes hinterlassen. Lieder und Filme die eine, einen erfolgreichen Wohlfahrtsverband die andere. Trotzdem ist die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt Marie Juchacz kaum jemandem ein Begriff. Zumindest im Landkreis aber wird sich das nun ändern, denn die Ebersberger AWO feiert am Wochenende Jubiläum - mit einem Theaterstück über die streitbare Sozialdemokratin. Geschrieben hat es Marga Kappl, seit vielen Jahren Autorin und Regisseurin im Markt Schwabener Theaterverein. Auch sie konnte mit dem Namen zunächst nichts anfangen - und machte genau dies zum Thema ihres Stücks. "Marie Juchacz - wer?", lautet der Titel. Wer also mehr über diese Frau wissen will: Am Sonntag, 20. Oktober, gibt es im Theater am Burgerfeld eine Vorstellung für die Öffentlichkeit.

Georg Hohmann, Bürgermeister von Markt Schwaben und ebenfalls Sozialdemokrat, hatte Kappl vor etwa einem Jahr gefragt, ob sie nicht für das Jubiläum der AWO etwas über deren Gründerin schreiben wolle. Schließlich hat die Autorin ihr Können bereits oft unter Beweis gestellt, unter anderem mit einem Stück über die Geschichte der Gemeinde. Die 75-Jährige begann also zu recherchieren - und war mehr und mehr angetan. "Marie Juchacz war eine ganz, ganz tolle, höchst spannende Frau", schwärmt Kappl. "Sie war ihrer Zeit weit voraus, hat sich stets sozial engagiert und mit immer neuen Ideen für eine Verbesserung der Situation der Armen und Hilfsbedürftigen gesorgt. Sie ist es wirklich wert, dass man sich mit ihr beschäftigt." Wärmehallen, Suppenküchen, Heime für Mütter und Kinder - all das habe sie ins Leben gerufen, sich für die Gleichstellung nichtehelicher Kinder sowie die Witwenrente eingesetzt und gegen den Abtreibungsparagrafen gekämpft.

Ein Leben lang engagiert für die Schwachen und Hilfsbedürftigen: Die AWO-Gründerin Marie Juchacz bei ihrer Rede in Weimar 1919 und in späteren Jahren. (Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung/AdsD/AWO/oh)

Den Lebenslauf der Sozialreformerin kennt Kappl mittlerweile aus dem Effeff. Geboren 1879 in Landsberg an der Warthe, arbeitet sich Juchacz von der einfachen Näherin zur Reichstagsabgeordneten hoch. Beeindruckendes Sinnbild für diese Zielstrebigkeit ist laut Kappl auch Juchaczs Sprache: "Obwohl sie nur die Volksschule besucht hatte, war diese sehr geschliffen." Lebenslangem Lesen sei Dank. Im Jahr 1919, nach der Einführung des passiven Wahlrechts, hielt sie als erste Frau eine Rede in der Weimarer Nationalversammlung und gründete obendrein die AWO, aus der sie innerhalb von zehn Jahren eine der wichtigsten sozialen Einrichtungen in Deutschland machte. "Man zählte damals 2600 Sozialstationen und 135 000 Helfer", sagt Kappl. Das hundertjährige Bestehen der Organisation feiert die heutige AWO Ebersberg, indem sie alle Mitarbeiter zur Uraufführung des Theaterstücks einlädt. "Große Reden sollen da aber gar nicht geschwungen werden", erzählt Kappl, denn die Verantwortlichen meinten, es sei ja "alles drin" in dem Stück. Auch die AWO-Kollegen des Landkreises München haben eine Vorstellung gebucht. "Die waren von dem Skript nämlich ebenfalls begeistert", berichtet die Autorin nicht ohne Stolz.

Das Stück zeichnet einerseits das Wirken der "Revoluzzerin" nach, für historisches Kolorit sorgt dabei auch die Musik: Antonia Buchenrieder, Albert Hones und Elke Deuringer singen Lieder wie "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen", "Lily Marleen" oder "Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt'". Die Szenen aus Juchaczs Leben werden jedoch auch dem Hier und Jetzt gegenübergestellt: Kappl hat eine Gruppe Schüler ersonnen, die sich erst widerwillig, dann immer interessierter mit der AWO-Gründerin beschäftigt. Gespielt wird das Stück von der Gruppe Futura, dem Markt Schwabener Jugendtheater, das dank Kappls unermüdlicher Nachwuchsarbeit bereits aus lauter "alten Hasen" besteht.

Beeindruckt erzählt die Markt Schwabenerin auch von einer Rede, die Juchacz 1932 hielt - und deutliche Worte fand gegen die Nationalsozialisten und den Krieg. "Da hat sie die Politik der Eitlen gegeißelt und den Männlichkeitswahn." Wenig später löste die Sozialdemokratin selbst ihre AWO auf - "damit sie nicht von den Nazis unterwandert würde" - und floh in die USA. Wer wissen will, wie es weiterging, sollte ins Theater gehen.

"Marie Juchacz - wer?" im Theater am Burgerfeld Markt Schwaben, am Sonntag, 20. Oktober, 16 Uhr, Einlass von 15.30 Uhr an. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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