Aßling:Stressfrei ins Theater

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Die frühere Grundschullehrerin Elisabeth Liebert ist 82 Jahre alt und noch immer ein Organisationstalent. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 50 Jahren organisiert Elisabeth Liebert für ihre Aßlinger Mitbürger Kulturfahrten nach München. Bis heute hat sie etwa 17 000 Karten vermittelt

Von Rita Baedeker, Aßling

Ein Theaterbesuch macht Freude, ist im besten Fall Genuss, Belehrung, Abenteuer. Einerseits. Andererseits ist damit viel Arbeit verbunden. Spiel- und Fahrpläne studieren, Karten reservieren, in die Stadt fahren, falls man auf dem Lande wohnt, Parkplatz suchen.

"Manche scheuen da die Umstände", sagt Elisabeth Liebert, eine zierliche, feinsinnige und immer noch mädchenhaft wirkende Dame von 82 Jahren. Seit 1961 wohnt die geborene Oberfränkin in Aßling, früher war sie Grundschullehrerin. Und da Elisabeth Liebert selbst gerne ins Theater geht und nicht nur beim Blick aus ihrem Wohnzimmerfenster einen weiten Horizont hat, bringt sie seit einem halben Jahrhundert als Außenstelle der Theatergemeinde München anderen Menschen die Bühnenkunst nahe. "Stressfrei ins Theater", lautet ihre Devise. Das heißt, sie organisiert die Karten, die zu einem bestimmten Termin in der Turnhalle abgeholt werden können. Turnhalle deshalb, weil, wie Liebert berichtet, viele Damen regelmäßig zum Turnen gehen und bei dieser Gelegenheit ihre Tickets in Empfang nehmen können.

Die Mitglieder verpflichten sich für ein Jahr und zahlen einen Beitrag. Das ist es auch schon. Liebert besorgt nicht nur die Tickets, sondern chartert auch den Bus, der die Teilnehmer - meist sind es Frauen - nach München und nach Ende der Vorstellung wieder nach Hause bringt. Haltestelle ist die Linde in Aßling, ein weiterer Halt ist in Grafing. Seit vielen Jahren fahren sie mit demselben Busunternehmer.

Gut 30 Mitglieder zählt derzeit die Gruppe. "Es ist ein bescheidenes Angebot, ich versuche Menschen eine Freude zu machen und erledige den Kleinkram, mehr nicht", sagt Liebert. Sie legt Wert auf die Feststellung, dass ihr Engagement "nichts Besonderes" sei. "Keiner muss bei uns g'scheit daherreden, keiner soll die Nase oben haben!"

Vor genau 50 Jahren hat Frau Lieberts Ehemann mit der Arbeit für die Theatergemeinde begonnen. Damals hat er im Gemeindeblatt inseriert, mehr als 50 Interessierte haben sich gemeldet. Als er pensioniert wurde, hat sie den Job allein übernommen. Bis heute, so Liebert, sind etwa 17 000 Karten durch ihre Hände gegangen. Bei der Auswahl der Stücke und Termine gibt es einiges zu beachten. In Aßling, so Elisabeth Liebert, "steht man sehr zeitig auf. Die Leute fahren mit dem Frühzug nach München, werktags ist ein Theaterbesuch meist nicht machbar." Allerdings gebe es auch Damen, die den Ausflug ins Theater gerne als "freien Abend" nutzten, frei vom Ehemann sozusagen.

Überhaupt ist in Aßling einiges anders als in der Stadt. Einen "Aufruf" der Theatergemeinde, wie in München üblich, gibt es hier nicht. Ihr gefällt in Aßling fast alles. "Jeder kennt jeden, die Menschen sind freundlich, nur ein gescheites Wirtshaus, das gibt es immer noch nicht."

Da läge es doch nahe, den Theaterbesuch mit einem Lokaltermin zu verbinden. Doch Elisabeth Liebert schüttelt entschieden den Kopf. Nach Ende der Vorstellung geht es ab nach Hause, der Bus steht pünktlich vor der Tür, sei es vor Resi, Pasinger Fabrik, Metropoltheater, Gärtnerplatz, Schau- oder Blutenburg. Mal gibt es Oper, mal Ballett, auch die Produktionen der kleinen Bühnen kommen gut an. Ihre persönlichen Favoriten der jüngeren Vergangenheit waren die Aufführung "Somnambula" in der Pasinger Fabrik, "Stiller" nach Max Frisch im Resi und der "Fliegende Holländer" von Richard Wagner.

Nur die Kammerspiele besuche sie nicht mehr. "Traurig", sagt sie. Ein so renommiertes Theater sei das. Doch Matthias Lilienthal sei einer derjenigen Intendanten, die nicht fürs Publikum spielten. "Wir verstehen uns nicht als Bildungsbürgertum. Wir wollen bereichert und unterhalten werden, niemand soll sich über den anderen erheben." Auch kein Regisseur, will sie wohl sagen.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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