Aßling:Jubiläum im Zuckerbäcker-Rathaus

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Die Ampletzer-Villa beherbergt seit Juni 1995 die Aßlinger Gemeindeverwaltung. Das rosafarbene Gebäude ist der Blickfang in der Ortsmitte. Früher diente es auch als Wirtshaus, Eierhandlung, Elektrogeschäft und Arztpraxis. Die Gemeinde von hier aus zu regieren hat mitunter gefährliche Tücken

Von Sara Kreuter, Aßling

Es gibt sie also doch: Die Liebe auf den ersten Blick. Bei der Hochzeit seiner Schwester, als Romantik in der Luft lag und die Stimmung bedeutungsschwanger war - da versprühte die Ampletzer-Villa all ihren Charme und lockte Hans Fent in ihre Fänge. Zwanzig Jahre später arbeitet Fent als 14. Bürgermeister Aßlings in genau dem Zimmer, das ihn bei der standesamtlichen Trauung seiner Schwester im Juni 1995 erstmals verzauberte.

Aßlings Rathaus, die ehemalige Ampletzer Villa, ist mit ihren spitzen Türmen und den antiken Balkonen im Herzen der Gemeinde ein echter Blickfang. Das "Weiße Haus" Aßlings ist rosafarben angestrichen, im Jugendstil gehalten und alles andere als modern - PCs und riesige Drucker, die vom Arbeitsalltag in der Gemeindeverwaltung zeugen, wollen nicht recht in das historische Bild des Rathauses passen. Regelmäßig stehen Renovierungsarbeiten an, aber Bürgermeister Fent und seine 30 Mitarbeiter sind den Reizen der Villa völlig erlegen, sie haben sich an ihren ganz eigenen Klang gewöhnt. "Wenn ich hier bin und den Dielenboden knarzen höre, die Treppe ächzen, dann fühle ich mich wie zu Hause", beschreibt Fent. Und wie bei einer langjährigen Beziehung werden die kleinen Macken des anderen liebevoll toleriert. Die unterschiedliche Stufenhöhe der originalen Treppen in den oberen Geschossen und einer neuen Treppe im Keller beispielsweise sind "eine echte Stolperfalle", wie Fent schmunzelnd gesteht, "vor allem, wenn man die Stufen herunter sprintet". Ein faustgroßes Loch in der Treppe ist behelfsmäßig mit Klebeband bedeckt.

Auch Barbie könnte hier zu Hause sein: Ganz in Rosa ist die Aßlinger Gemeindeverwaltung ein Hingucker für jeden, der durch den Ort fährt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 1977 ist das 2600 Quadratmeter große Grundstück in Besitz der Gemeinde, das damalige Rathaus am Kirchplatz war zu klein geworden. Der Weg zum Einzug der Gemeindeverwaltung war aber noch lang. Kauf und Renovierung des früheren Wohn- und Geschäftshauses stellten sich als sehr kostspielig heraus, musste doch die Gemeinde selbst rund 1,5 Millionen Deutsche Mark aufbringen - mit Zuschüssen von der Städtebauförderung und dem Denkmalschutz beliefen sich die Gesamtkosten auf 2,5 Millionen Mark. Nach jahrelanger Planung begannen 1994 die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen. Seit Juni 1995 ist das Gebäude Aßlings Rathaus.

Im Jahr 1919 diente die Ampletzer-Villa als Wirtshaus. (Foto: Hinz-Rosin)

Die Erhaltung der historischen Treppe war nur eine von vielen Auflagen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz an die Gemeinde. Auch die originalen Fenster sollten erhalten bleiben. Aus Wärme- und Schallschutzgründen ließ man daher innen neue, zweite Fensterflügel einbauen. Im Erdgeschoss ist das originale, beinahe 100 Jahre alte Pflaster verlegt.

Eben dieses Pflaster hat im vergangenen Jahrhundert zwei Weltkriege überstanden, vier Besitzer gehabt, eine Eierhandlung mit Lebensmittelgeschäft und später ein Elektrogeschäft sowie eine Arztpraxis beherbergt. Erbauen ließen die Gastwirtseheleute Michael und Ursula Hinterholzer das zweistöckige Wohnhaus 1904, 1919 verkauften sie an das Ehepaar Franz und Anna Lechner. Bereits ein Jahr später ging das Haus an den Postschaffner und gebürtigen Aßlinger Johann Ampletzer über. Dieser vererbte den Besitz an seinen Sohn, den letzten Eigentümer der Villa, von dem die Gemeinde Aßling das Anwesen am 15. November 1977 erwarb - nachdem es 57 Jahre im Besitz der Familie Ampletzer gewesen war. Der Kauf ist besonders den Bemühungen Hans Lebmeiers, des damaligen Bürgermeisters, geschuldet, dem das Projekt sehr am Herzen lag.

"Die Einweihung des Hauses ist ein großer Tag und ein historischer Markenstein in der weit über tausendjährigen Geschichte unseres Dorfes", schrieb er damals. Bezeichnenderweise war es eben jener Hans Lebmeier, der am 2. Juni 1995 Fents Schwester traute und seine Liebe zu dem Grundstück damit an die nächste Bürgermeister-Generation weitergab. Der Funke jedenfalls ist übergesprungen. "Ich bin stolz, in so einem Schloss arbeiten zu dürfen", sagt Fent.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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