Aßling:Die Tafel-Runde

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Jede Woche fahren ehrenamtliche Helfer von Supermarkt zu Supermarkt, um Lebensmittel für Bedürftige einzusammeln. Sie klappern drei Landkreise ab - und teilen auch gern mit benachbarten Ausgabestellen

Von Konstantin Schätz, Aßling

Pudding, Fleisch, Milch, Brot, Gemüse. Kistenweise räumt der 75-jährige Norbert Schmidt zusammen mit dem 26-jährigen Wasim Shaker den Lieferwagen aus. Es ist Freitag. Der Tag, an dem der Lieferwagen der Aßlinger Tafel von Laden zu Laden fährt, um alles mitzunehmen, was sonst weggeschmissen werden würde. Sei es, weil die Verpackung ein wenig beschädigt ist, das Obst nicht mehr frisch aussieht oder weil das Ablaufdatum in greifbare Nähe gerückt ist. "Heute ist es wirklich viel", bemerkt Sabine Küpferling, als sie in den Lieferwagen sieht, der bis unter die Decke gefüllt ist. "Und das war erst die erste Runde."

Zwei verschiedene Routen werden jeden Freitag abgefahren. Die "kleine" Tour durch Rosenheim und eine zweite, größere Tour, die durch die Landkreise Ebersberg und München führt. Auch am Donnerstag würden die ehrenamtlichen Fahrer ausrücken, um Lebensmittel für diejenigen zu sammeln, die sich die Supermarktpreise kaum leisten können. "Was wir zu viel bekommen, wird dann an andere Tafeln weitergegeben. Wir haben da eine sehr gute Zusammenarbeit", erklärt Sabine Küpferling, die zusammen mit Tanja Adler die Tafel in Aßling leitet.

Langsam setzt der weiße Transporter zurück. Der gekühlte Ladebereich hat sich bis auf einige wenige Kisten - die einer anderen Tafel gebracht werden - völlig geleert. Die Stimmung ist entspannt bei den beiden Fahrern, die ein gutes, wenngleich völlig unterschiedliches Team bilden. Wasim Shaker ist als Flüchtling vor ein paar Jahren nach Deutschland gekommen und nutzt jede freie Minute, um bei der Tafel zu arbeiten. Norbert Schmidt ist Beamter im Ruhestand, der seine Dienste als ehrenamtlicher Fahrer seit Gründung der Tafel im Jahr 2006 zur Verfügung stellt.

Wasim Shaker, Norbert Schmidt, Yvonne Reisinger, Elisabeth Liebert, Rosi Steingasser und Anna Königl (v.li.) sortieren die Waren von ihrer Sammeltour ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Die Arbeit macht Spaß. Außerdem bleibt man fit", erklärt Schmidt lachend. Er ist einer von vier Fahrern, die abwechselnd am Freitag die Route übernehmen. Drei würden sich am Donnerstag abwechseln. Beifahrer wie Wasim, die beim Ausladen, Sortieren oder bei der Ausgabe helfen, werden allerdings noch "dringend" gesucht. "Von ihnen haben wir einfach zu wenig", betont Sabine Küpferling. Insgesamt arbeiten, wie sie erzählt, 35 Personen immer wieder mal für die Tafel. Eine Koordinationssache. Deshalb würde die Gründerin der Aßlinger Tafel neben weiteren freiwilligen Helfern auch auf Bundesfreiwilligendienstleistende hoffen, die eine gewisse Konstanz mit sich bringen würden: "Bufdis gibt es bisher nur im Tafelverband. Die Tafeln im Landkreis Ebersberg haben keinen." Wichtig sei aber, dass man diesen bei verschiedenen Einsatzstellen beschäftigen könnte.

Während Shaker und Schmidt von Filiale zu Filiale kurven und alles mitnehmen, was ihnen große Supermärkte zur Verfügung stellen, macht sich Küpferling mit vier anderen Helfern daran, Lebensmittel nach Zustand und Verfallsdatum zu sortieren. Drei von ihnen widmen sich dabei den Unmengen an Obst und Gemüse, die am Vortag und bei der Rundfahrt am Vormittag angeliefert wurden. Küpferling sieht währenddessen alle anderen Lebensmittel durch. Kühlschränke und alte Supermarktregale füllen den Raum, in dem später die Ausgabe stattfinden wird. Die Einrichtung des ehemaligen Kindergartengebäudes erinnert an einen kleinen, südeuropäischen Laden. Nicht alles ist in Reih und Glied aufgestellt, aber es lässt sich fast alles finden, was man zum Leben braucht.

"Manchmal bekommen wir auch Zahnpasta, Shampoo oder Deodorant. Das sind dann meistens Spenden von Supermärkten", erklärt Ivonne Reisinger. Auch sie hilft schon seit Gründung der Aßlinger Tafel mit, Produkte zu sortieren und zu verteilen: "Das sind teilweise auch wirklich qualitativ hochwertige Produkte", fährt sie fort. Diese würden nicht nur bei der Ausgabe verteilt, sondern teilweise auch direkt zu den Leuten gefahren, wie Küpferling erklärt: "Manche haben einfach nicht die Zeit, zur Ausgabe zu kommen. Alleinerziehende Mütter zum Beispiel." Dann füllen die Tafel-Mitarbeiter einfach einen Karton und bringen ihn direkt vorbei. Was drin sein muss, um der jeweiligen Person am besten helfen zu können, wüssten sie mittlerweile. "Wir kennen die Leute teilweise schon so lange, dass wir wissen, was sie brauchen."

Die Tafeln verzeichnen immer mehr Zulauf und bitten um Spenden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Langsam füllt sich der ehemalige Kindergarten mit Leuten. Sie melden sich bei der Ausgabe an und begeben sich in den Warteraum, bis sie drankommen. Währenddessen beladen drei freundliche Frauen die Einkaufswägen mit Lebensmitteln: "Wollen Sie Joghurt?", fragt eine der Helferinnen eine junge Afrikanerin. Sie nickt. "Und Obst?" Sie wiederholt das Nicken und folgt der stets lächelnden Helferin zum sortierten Obst.

"Seit sieben Jahren komme ich her", erklärt ein Aßlinger, der an diesem Tag ebenfalls die Hilfe der Tafel in Anspruch nimmt. "Manchmal lasse ich auch eine Woche aus, wenn ich die Woche davor genug mitgenommen habe." Zwischen 15 und 25 Personen würden jede Woche die Tafel aufsuchen. Wie viele kommen, sei vor allem abhängig vom Zeitpunkt, erklärt Vorstandsmitglied Petra Höpler: "Man merkt einfach, wenn der Lohn oder staatliche Hilfen überwiesen werden. Dann wird die Tafel weniger in Anspruch genommen." Anspruchsberechtigt seien alle, "deren Einkommen nicht ausreicht, ihren Lebensunterhalt zu sichern". Anhand einer Liste werde das bei der Vergabe einer Ausgabenummer geprüft.

Als die letzte Tafelbesucherin - eine ältere Frau - den gefüllten Einkaufswagen durch die Tür schiebt, beginnen die drei Helferinnen wieder zu sortieren. Denn in wenigen Stunden soll ein Bus einer anderen Tafel vorbeikommen, um alles mitzunehmen, was noch lange genug hält, um es hilfsbedürftigen Menschen in der nächsten Gemeinde auszugeben.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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