Appell:Allgemeinwohl vor Eigeninteressen

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Bürgermeisterin Obermayr (Mitte) ehrt Hermann Holzmann, Nadine Sauer in Vertretung für Ursel Sauer, Erna Köppel und Heinrich Hölzle (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Grafinger Neujahrsempfang fordert Bürgermeisterin Angelika Obermayr mehr Gemeinsinn und einen brüderlicheren Umgangston

Von Thorsten Rienth, Grafing

Manchmal ist halt einfach der ganz große Bogen zu schlagen. Von einem Zeitpunkt weit zurück in der Geschichte herüber bis in die Gegenwart - um, so hat es Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) bei ihrer Neujahrsrede gemacht, eine Entwicklung plakativ darzustellen.

In der Stadthalle ging sie also am Sonntagmittag zurück ins Jahr 1789 und zu den Schlagwörtern der Französischen Revolution. "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hieß das Motto, und es fasste alles Neue und Revolutionäre dieser Neuorientierung zusammen", sagte die Bürgermeisterin. Menschenrechte, Vernunft als Grundlage von Politik und Gesellschaft, ein Rechtsstaat und Bildung. Unterm Strich heiße das: "Das Gemeinwohl ist die oberste Pflicht des Staates, der Bürger ist nicht Bittsteller, sondern Teil des Staates!" Gut, dass der Gleichheitsgrundsatz auch längst im politischen Umgang von Bürgern und Politikern gelebt werden, sagte die Bürgermeisterin. "Wen etwas stört, der schreibt seinem Bürgermeister halt eine Email." So solle es sein.

Pöbeln sein normal geworden, klagt Obermayr

Zum Neujahrsempfang haben sich in der Stadthalle wieder zahlreiche Grafinger eingefunden. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Doch viel zu oft, so fasst Obermayr es auf, sei ein wahrlich unsachlicher Umgangston zum ganz normalen Schreibstil geworden. "Pöbeln hat sich leider im wahrsten Sinn des Wortes eingebürgert." Wer wollte, konnte da eine Anspielung sehen auf einige eher weniger diplomatische Reaktionen aus der Wasserburger Straße.

Bis vor einigen Wochen hatte ein Ausbau dieser Straße im Raum gestanden. Weil Anwohner ihn zum Teil hätten mitfinanzieren sollen, gab es erboste Vorwürfe in Richtung Stadtrat und Stadtverwaltung. Auch Schimpfwörter fielen. "Wo bleibt da die Brüderlichkeit?", nahm die Bürgermeisterin ihre Verwaltung in Schutz. "Gilt der Anspruch an Umgangston und Freundlichkeit nur von Behörde zu Bürger, aber nicht andersherum?"

Solchen Egoismen rief sie klare Worte entgegen: Viel zu oft würden die eigenen Bedürfnisse allen anderen vorangestellt. "Wohnungen - möglichst nur für Einheimische - aber bitteschön nicht vor der eigenen Haustüre." Weniger Verkehr und weniger Stau fordern, aber jeden Meter mit dem eigenen Auto durch die Stadt fahren.

Und dann noch das klassische Totschlagargument, dass sie regelmäßig höre: "Sie als Grüne sollten doch ..." Dann gäbe es aber auch keinen Grafinger Neubau mehr, kein morscher Baum würde gefällt, auf dem Volksfest gäbe es keine Hendl, keine Berufsschule auf der grünen Wiese und an Silvester auch kein Feuerwerk mehr. "Gott sei Dank haben wir einen Stadtrat, der den Überblick behält und das Wohl von ganz Grafing im Auge behält." Mit Stammtischparolen sei auch in der Lokalpolitik nichts zu lösen.

Bei guten Gesprächen stießen die Grafinger auf 2018 an. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Umso wichtiger, dass komplizierte Zusammenhänge einer breiten Allgemeinheit erläutert würden. Dass dies funktioniere, habe die große Stadthallen-Veranstaltung zu den neuen Grafinger Verkehrsführungen im Sommer gezeigt. "Da ist doch klar geworden: Die Fachleute aus den Planungsbüros, Behörden und der Stadtverwaltung machen sich viel Arbeit und zerbrechen sich die Köpfe in alle Richtungen - für eine gute Lösung, für das Gemeinwohl, für Grafing, für Sie!"

"Es geht uns gut hier", schloss Obermayr schließlich. "Das ist auch das Verdienst vieler Menschen. Menschen, die sich fragen: 'Was kann ich für Andere tun?' Menschen, die sich in die Gemeinschaft einbringen - die so das Grundrauschen einer funktionierenden Gesellschaft bilden."

Das brachte die Bürgermeisterin zu den Ehrungen für ehrenamtliches Engagement. In diesem Jahr gingen sie an Ursel Sauer, "die in Grafing einen Fasching ins Leben gerufen hat, wie sie ihn aus dem Rheinland kennt". An Heinrich Hölzle, langjähriger dritter Bürgermeister, Stadtrat, Kirchenpfleger und Gewerbeverbandsvorsitzender. An Hermann Holzmann, der bis zu seinem Ausscheiden voriges Jahr 20 Jahre lang Vorsitzender des TSV Grafing war, sowie an die Ebersbergerin Erna Köppel für ihr ebenso langes Engagement als Kassenwartin des Vereins für Rehabilitationssport im Landkreis.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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