Anzing:Wie es uns gefällt

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Daniela Dietrich mit zwei von den insgesamt 15 Kindern, die sie zusammen mit Ina Solanti in Anzing betreut. (Foto: Christian Endt)

In der Großtagespflege "Sandflöhe" werden auch Sonderwünsche erfüllt

Von Carolin Fries, Anzing

Es dauert nicht lange, da fällt dieser Satz, der die Besonderheit der Großtagespflege "Die kleinen Sandflöhe" in Anzing trefflich beschreibt: Ina Soltani, 51 Jahre alt, Erzieherin und Mutter von vier Kindern, sagt ihn: "Ausnahmen bestätigen bei uns die Regel." Dabei hält sie den kleinen Moritz auf dem Arm, acht Monate alt. "Eigentlich nehmen wir Kinder erst ab einem Jahr." Doch für Moritz haben Ina Soltani und Daniela Dietrich, die die Großtagespflege im Herzen Anzings seit Mai betreiben, eben eine Ausnahme gemacht.

In einer gewöhnlichen Krippe in der Trägerschaft von Kommune, Kirche oder Wohlfahrtsverband gibt es kaum Ausnahmen. Das beweisen immer wieder Diskussionen um Mittagsschlaf, Buchungszeiten oder Schließtage. Ausnahmen gehören in die Familie: mal länger aufbleiben, eine Süßigkeit mehr, kein Mittagsschlaf. Oder in die Großtagespflege, die sich am Familienalltag orientiert. "Es muss uns gut gehen, den Kindern und den Eltern", sagt Daniela Dietrich, 43, aus Poing. Ein überschaubarer Personenkreis. Maximal zehn Kinder gleichzeitig dürfen die beiden Frauen betreuen, höchstens 16 Vertragsverhältnisse haben. Aktuell sind 15 Kinder angemeldet. Manche kommen jeden Tag, andere nur an zwei oder drei Tagen in der Woche, wieder welche nur am Nachmittag nach dem Kindergarten. Gebucht werden kann flexibel montags bis freitags jeweils von 7 bis 18.30 Uhr, mindestens aber 15 Stunden sollten es sein.

Die Räume im renovierten Selmerhof in Anzing sind hell und großzügig geschnitten. Es gibt eine Kindergarderobe, ein Badezimmer mit zwei tiefer gesetzten Waschbecken, eine Küchenzeile, zwei große Spielzimmer. Fünf Jungen, der älteste wird bald drei Jahre alt, sind an diesem Vormittag da, ein "ruhiger Tag", wie Dietrich sagt. Die zweifache Mutter und gelernte Hotelfachfrau arbeitete die vergangenen fünfeinhalb Jahre als Tagesmutter. Acht Kinder hat sie zuletzt zuhause in Poing abwechselnd betreut. Dabei wuchs nicht nur die eigene Tochter, sondern auch der Wunsch nach einer Arbeit außerhalb der eigenen vier Wände. "Zuhause mit fünf Tageskindern gibt es keine Privatsphäre", sagt sie. Ina Soltani, die Erfahrung als Tagesmutter ebenso wie als Pflegemutter hat, erging es ähnlich: "Das betrifft zuhause komplett auch die eigene Familie." Vor allem aber wollten beide nicht mehr alleine arbeiten, sondern mit Kollegen. Ina Soltani arbeitete bereits bei einer Großtagespflege in Neufinsing, bevor sie mit Daniela Dietrich und einer weiteren Tagesmutter als Springerin die Sandflöhe aufmachte. Dietrich hat ihre acht Tageskinder einfach mitgebracht. Die zusätzlichen Kinder waren schnell da. "Die Nachfrage ist enorm", sagt Dietrich. Bereits für 2016 gebe es vereinzelt Nachfragen.

Zuhause hat Daniela Dietrich jetzt wieder ihre Ruhe. Dafür muss jeden Monat die Miete für die Sandflöhe überwiesen werden - ganz gleich, wie viele Kinder angemeldet sind oder ob Urlaub ist. Hinzu kommen die Investitionen in Küche, Bad, Spielzeug. Dennoch hat Dietrich keine Angst, dass die Großtagespflege scheitern könnte. "Es wird nicht lückenlos laufen, nicht jeden Monat das gleiche Geld reinkommen", sagt sie. "Aber das habe ich vorher gewusst." Selbstverständlich hat sie gerechnet, kalkuliert und "ein Polster zur Beruhigung" beiseite gelegt. Jetzt will sie einfach nur ihre neue, alte Arbeit genießen. Man spürt, dass sie sich wohlfühlt, dass sich die Kinder wohlfühlen. "Wir gestalten uns unseren Arbeitsplatz selbst", sagt sie. Im Sommer sind sie viel im Garten, Musik und Bewegung ist ein "Beschäftigungsschwerpunkt" wie es im Konzept heißt. Vor allem aber sollen die Kinder spielen dürfen, was und wie sie wollen. Gezielte Lern- und Beschäftigungsangebote müssen nicht angenommen werden. Ina Soltani hat erst kürzlich eine Fortbildung besucht, bei der es um Entschleunigung ging. "Es gibt für ein spielendes Kind keine sinnvollere Beschäftigung."

Mittags kochen die Erzieherinnen frisch für alle Kinder. Sämtliche Lebensmittel bringen die Eltern mit, denn die in den Betreuungsgebühren enthaltenen Sachaufwandskosten reichen dafür nicht aus. Für die geförderten Betreuungszeiten eine zusätzliche Gebühr zu erheben, erlaubt wiederum der Vertrag mit dem Jugendamt nicht. Und dass die Kinder ihre eigene Brotzeit mitnehmen, ist den Tagesmüttern nicht recht. Also hängt nun immer eine Einkaufsliste für die Eltern in der Garderobe. "Das klappt noch nicht ganz optimal", muss Daniela Dietrich einräumen.

Für sie ist es kein Problem, wenn mal ein Kind länger bleibt oder sogar bei ihr daheim übernachtet. "Ich erfülle gerne Sonderwünsche." Im Gegenzug bittet sie dann beispielsweise im Krankheitsfall darum, den gebuchten Wochentag zu verlegen. "Wir sind sehr flexibel", sagt sie. Und das kommt bei den Familien gut an. Viel mehr aber als die flexible Betreuungszeit scheint ein pädagogischer Wunsch die Klientel der "Sandflöhe" zu einen: "Die Eltern entscheiden sich bewusst für die kleine Gruppe", sagt Daniela Dietrich. Genau deren Vorteil genießen auch Ina Soltani und Daniela Dietrich am meisten an ihrer Arbeit: Zeit zu haben für die Kinder.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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