Anwohner klagen über Lärm:Pfeifen auf der B304

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Eigentlich sollte der Straßenlärm durch den neuen Belag reduziert werden - doch in Baldham fühlen sich jetzt einige Anwohner erst recht belästigt. Selbst Fachleute sind ratlos.

Wieland Bögel

Nächtliches Pfeifen wird gemeinhin eher ängstlichen Wanderern zugeschrieben, die fernab jeglicher Zivilisation durch finstere Wälder streifen. Doch auch mitten in Vaterstetten pfeift es seit einiger Zeit zu nachtschlafender Stunde, berichtet Erich Gerling.

Seit auf der B 304 bei Vaterstetten ein Schallschutzasphalt verlegt wurde, beschweren sich Anwohner über unangenehme Verkehrsgeräusche. (Foto: Christian Endt)

Der Baldhamer wird aber nicht von furchtsamen Naturen um seinen Schlaf gebracht, sondern vom LKW-Verkehr auf der fast einen halben Kilometer von Gerlings Haus entfernten Wasserburger Landstraße. Denn seit im vergangenen Herbst ein schalldämmender Asphalt auf der B304 aufgebracht wurde, fühlt sich Gerling vom Verkehrslärm enorm belästigt. "Die Lastwagen hört man jetzt viel deutlicher, besonders in der Nacht", meint Gerling und der Lärm sei viel unangenehmer: "Da ist jetzt so ein schriller, pfeifender Ton, wenn ein Lastwagen vorbeifährt". Auch seine Nachbarn hätten das Phänomen bemerkt, meint Gerling.

Die zu diesem Sachverhalt befragten Experten sind völlig ratlos. Baudirektor Claus-Peter Olk vom Staatlichen Bauamt Rosenheim, ist zwar für Straßenbau zuständig, hat aber von pfeifenden Lastwagen noch nie gehört. Auch der Leiter des Umweltamtes der Gemeinde Vaterstetten, Wolfgang Kuhn, kann sich die nächtlichen Pfiffe nicht erklären. Das Lärmkataster für die Gemeinde zeige keinerlei akustische Anomalien seit der jüngsten Schallschutzmaßnahme an der B304, ganz im Gegenteil, der Straßenlärm sei sogar deutlich geringer geworden, meint Kuhn.

Beim Ingenieurbüro Möhler und Partner, das für die Gemeinde Schallschutzgutachten erstellt, hat man ebenfalls keine Erklärung für die ungewöhnliche Geräuschentwicklung. Gegenüber dem Umweltamt versicherten die Lärmexperten "bei den Pfeifgeräuschen handelt es sich nicht um ein typisches Klangbild" des neuen Asphaltes. Gerade der in Vaterstetten verlegte Belag, habe "ein gutes Absorptionsvermögen für hohe Schallfrequenzen", der Pfeifton müsste also vom Spezialasphalt geschluckt werden.

"Insgesamt ist es leiser", bestätigt auch Olk, doch er schließt die Möglichkeit nicht aus, dass es dadurch zu einer "veränderten Geräuschwahrnehmung" kommen könne. Normalerweise nehme man fast ausschließlich die "Abrollgeräusche" der Reifen wahr, meint Olk. Durch den Spezialbelag würden diese Reifengeräusche aber gedämpft, "dann hört man vielleicht andere Geräusche, die der Lastwagen macht", vermutet der Baudirektor. Dies hält auch Kuhn für nicht unwahrscheinlich, doch ein anderer Experte widerspricht dieser Theorie.

Klaus Hugo ist Leiter des Arbeitskreises Verkehr der Vaterstettener Agenda, und war bei der Bahn jahrelang für Lärmschutzmaßnahmen zuständig. Zwar schließt auch Hugo nicht aus, dass sich die Geräusche durch den neuen Belag veränderten. Dies gelte allerdings eher bei niedrigen Geschwindigkeiten, gibt Hugo zu bedenken: "Auch auf dem Spezialasphalt sind die Rollgeräusche ab 30 Stundenkilometern lauter als der Motor."

Eine Erklärung für die schrillen Laute hat auch Hugo nicht, aber mehrere Theorien. Die Oberfläche des Spezialasphaltes sei durchlässiger als bei normalem Straßenbelag, um weniger Schall zu reflektieren. Hugo hält es für möglich, dass sich diese Öffnungen etwa durch Reifenabrieb verkleinern könnten, in der Folge würden möglicherweise bestimmte Schallfrequenzen reflektiert.

Oder das pfeifende Geräusch habe gar nichts mit dem Straßenbelag zu tun, sondern mit den Lastwagen selbst. "Einige LKW haben sehr schnelldrehende Motoren", so Hugo, bei Vollgas klinge dies tatsächlich wie ein Pfeifen. Gerade in der Nacht, wenn es wenig andere Geräusche gebe, und die Lastwagen auf der freien Straße schnell fahren, könne dann der unangenehme Ton auftreten, vermutet Hugo. Eine ähnliche Theorie bieten auch die Experten von Möhler und Partner an. Durch den Fahrtwind könne es an den hohen Aufbauten mancher LKW zu pfeifenden Geräuschen kommen.

Was nun aber genau die Ursache für das nächtliche Pfeifen ist, kann keiner der Experten genau beantworten, hier gilt ganz offensichtlich das alte Sprichwort: "So viele Köpfe, so viele Meinungen". Lediglich die Theorie, dass die Brummis pfeifen, weil sie Angst vor der Dunkelheit haben, wurde von keinem der Experten geäußert, und kann somit wohl ausgeschlossen werden.

© SZ vom 27.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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