Steinhöring:Kritik an Elektrifizierung der Tullinger Bahnstrecke

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Auf der Bürgerversammlung werden Einspruchsmöglichkeiten erörtert. Die Forderung: Es sollen spezielle Züge kommen.

Von Wieland Bögel, Steinhöring

Es tutet und brummt in der Ortsmitte von Tulling, jedenfalls zweimal in der Stunde. Ein paar Minuten vor halb, wenn der Filzenexpress Richtung Grafing losfährt, und ein paar Minuten danach, wenn sich der Gegenzug nach Reitmehring in Bewegung setzt. Künftig könnte es ein wenig leiser werden, in den kommenden zehn Jahren soll die Bahnstrecke elektrifiziert werden. Was nach Meinung einiger Tullinger aber keine gute Idee ist, wie nun auf der Steinhöringer Bürgerversammlung zu erfahren war.

Wenige Meter vom Tullinger Bahnhof entfernt, im Dorfgemeinschaftshaus, erklärten Elisabeth Auer und Petra Spötzl, warum man auf die Elektrifizierung besser verzichten sollte. Denn nicht nur das Dorfgemeinschaftshaus, sondern auch viele Wohnhäuser liegen direkt an den Gleisen. Würden diese nun von einer Oberleitung überspannt, könnte dies schädliche Auswirkungen auf die Bewohner haben, Stichwort Elektrosmog. "Das ist dann auch nicht viel gesünder als die Dieselloks", meinte Auer. Zudem ja noch gar nicht klar sei, ob die Tullinger überhaupt einen Vorteil von der Elektrifizierung haben werden, so Auer weiter. Es seien beispielsweise Express-S-Bahnen auf der Strecke angekündigt worden, "aber wir wissen nicht, ob der Zug dann überhaupt noch hier hält".

Grundsätzlich seien sie nicht gegen den Ausbau der Strecke und einen dichteren Takt, so Auer und Spötzl, allerdings gebe es vielleicht bessere Möglichkeiten als eine neue Oberleitung. So könnte die Bahn doch die relativ kurze Strecke zwischen Ebersberg und Reitmehring mit Akku-Lokomotiven bedienen, schlug Auer vor. Die Technik sei verfügbar und auch auf anderen Strecken bereits im Einsatz. Sie verwies auch darauf, dass die Bahn laut Bundesimmissionsschutzgesetz verpflichtet sei, die elektromagnetische Belastung der Anlieger so gering wie möglich zu halten. Alle, die an der Strecke wohnen, sollten sich darüber informieren und ihre Rechte beim Schienenkonzern einfordern.

Kritik kommt auch vom Bürgermeister

Auch andere Zuhörer äußerten Kritik an den Folgen des geplanten Ausbaus der Bahnstrecke. Wenn diese erst einmal elektrifiziert sei, könne sie als Ausweichgleis für Güterzüge dienen, so die Befürchtung eines der Anwesenden. Dann nämlich, wenn die vorhandenen Strecken dem zusätzlichen Zugverkehr, der durch den neuen Brenner-Basistunnel entstehe, nicht mehr gewachsen seien. Ein weiterer Besucher der Versammlung zeigte sich besorgt über Pläne der Bahn, im Zuge des Streckenausbaus einen der beiden Übergänge in Tulling zu schließen. Sowohl für die Landwirte, als auch für die Feuerwehr seien aber beide Überquerungsmöglichkeiten der Bahnstrecke nötig.

Dies sei auch seine Meinung, sagte Bürgermeister Alois Hofstetter (CSU), "ich bin dagegen, dass Übergänge zugemacht werden". Diese Position werde die Gemeinde auch gegenüber der Bahn vertreten. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es kommenden Donnerstag, dann findet ebenfalls im Tullinger Dorfgemeinschaftshaus eine Infoveranstaltung mit Bahnvertretern zum geplanten Ausbau der Strecke statt. "Bitte alle kommen", warb Hofstetter für die Veranstaltung.

Neben der vereinzelten Kritik an den Plänen der Bahn scheint es ansonsten in Steinhöring wenig Grund zum Ärgern zu geben. In seinem Bericht konnte der Bürgermeister eine weitere Verbesserung der finanziellen Lage vermelden: "Früher hieß es: wir verwalten die Schulden, inzwischen verwalten wir richtiges Geld." Zwar hat Steinhöring immer noch Schulden, bis Jahresende sollten diese aber auf rund 1,2 Millionen Euro gesunken sein, erwartet der Bürgermeister. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren stand die Gemeinde noch mit 2,5 Millionen Euro in der Kreide. Den Schulden stehen derzeit knapp zwei Millionen Euro an Rücklagen gegenüber, mehr als eine Verdoppelung zu vor zehn Jahren.

Ausgaben für den Straßenbau

Denn die Gemeinde profitiert sehr von der guten Konjunktur, so Hofstetter, vergangenes Jahr habe man so viel Gewerbesteuer eingenommen wie noch nie, insgesamt 1,2 Millionen Euro. Auch wenn es heuer mit 970 000 Euro etwas weniger werden dürfte, ist das doch das zweitbeste Ergebnis, das Steinhöring je bei der Gewerbesteuer erzielt hat.

Ausgeben werde die Gemeinde das Geld in den kommenden Jahren vor allem für den Straßenbau. Derzeit seien wegen des laufenden Breitbandausbaus zahlreiche Sanierungen zurückgestellt worden. Ebenfalls auf der Agenda steht die Umgestaltung des Rathausvorplatzes, und auch in die Wasserversorgung wird investiert. Möglicherweise ist in den kommenden Jahren auch ein Ausbau der Kinderbetreuung nötig, was im Grunde ja eine gute Nachricht sei, so der Bürgermeister: "Seien wir froh, es gibt wieder mehr Kinder."

Des weiteren will die Gemeinde auch mehr für den Wohnungsbau tun, so Hofstetter auf eine entsprechende Nachfrage aus dem Publikum. Derzeit werde das alte Lagerhaus in Steinhöring zu einem Wohngebäude umgenutzt, und "sobald wir Grund angeboten kriegen, kaufen wir ihn". Nur leider gebe es derzeit kaum entsprechende Angebote. Das bislang letzte bebaubare Areal war jenes im Norden von Tulling, für welches derzeit ein Bebauungsplan erstellt wird. Der vielleicht ein bisschen zu dicht ausfällt, wie ein Zuhörer anmerkte. Er empfahl den Planern einmal eine Mitfahrt im Schneepflug, da werde er sehen, dass die in der neuen Siedlung vorgesehenen Straßen zu schmal und zu eng seien.

Auf Einladung der Parteilosen Wählergemeinschaft findet am Donnerstag, 15. November, eine Infoveranstaltung zur Elektrifizierung des Filzenexpress statt. Von 20 Uhr an werden im Dorfgemeinschaftshaus Tulling unter Moderation des Fahrgastverbands Pro Bahn Vertreter der Bayerischen Eisenbahngesellschaft und der Südostbayernbahn über dieses Thema referieren und sich anschließend den Fragen der Bürger stellen.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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