An zwei Wochenenden:Lauter Experten im Zeitalter des Amateurs

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Die "Ottersberger Stadlkulturtage" am Selmerhof zwischen Pliening und Poing bieten fünf spannende und humorvolle Abende

Kabarett, Kleinkunst und viel Musik: Die "Ottersberger Stadlkulturtage", organisiert von Musiker Rudi Zapf, bieten heuer an zwei Wochenenden Ende Juni insgesamt fünf spannende Veranstaltungen. Schauplatz ist wieder der Selmerhof zwischen Poing und Pliening. Zum Auftakt am Freitag, 21. Juni kommt Hans Well mit seinen Wellbappn. "Sie sind wie die Biermösl Blosn nach einer Frischzellen Kur", schrieb die Presse, "nur jünger, frischer und spontaner". Dass uns all dieser Irrsinn, all diese durchsichtige Doppelmoral und selbstgefällige Arroganz nicht zum Weinen, sondern zum Lachen bringt, das ist das große Verdienst der Wellbappn. Sarah (26), Tabea (25) und Jonas (21) Well blasen mit jugendlichem Elan und meisterlichem Können "einen erfrischend neuen Wind in's alte Segel". Ihren Vater lassen sie gnädigerweise noch mitspielen - schließlich hat er nicht alles verlernt. Hans Well textet, sein Nachwuchs kritisiert, verbessert, vertont und treibt den Vater mit virtuosen Stücken zur Verzweiflung - bisweilen sogar zum Üben. Man darf sich also auf einen vergnüglichen Abend freuen.

Einen Tag später kommen gleich die Wellküren, sprich die Well-Schwestern, nach Ottersberg. Die Gründerinnen der "Stugida-Bewegung" (Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes) feiern das freie Abendland und den Abend an sich: Mit bayerischem Dreigesang gegen stumpfe Einfalt. Alles echt, kein Fake! Und sogar ein "Morgenlandler" ist dabei. Sie blasen den Leitkultur-Marsch, spielen Mozarts A-Dur Klaviersonate in G-Dur auf Hackbrett, Harfe und Gitarre, haben extra Bass-Ukulele gelernt für ihre Nina-Simone-Hommage "Mei Oida, der schaut auf mi" im Stubenmusik-Format. Sie analysieren "Männer im Wechsel" und bekennen überzeugt, dass auch der nicht mehr ganz so junge Mensch noch was empfinden kann. "Abendlandler" ist besonders geeignet für Menschen, die auch wenn's dunkel wird den Humor nicht verlieren.

Der im Landkreis bestens bekannte Kabarettist Werner Meier gibt sich dann am Freitag, 28. Juni, die Ehre mit seinem neuen Programm "Nah dran". Der Meister des hintersinnigen Humors schafft wie kein anderer leichtfüßig den schwierigen Drahtseilakt zwischen ernsten Themen und guter Unterhaltung, jenseits von Schenkelklopfer-Klamauk und Zotendrescherei. Seine Lieder kommen locker daher, berühren aber weit über den kurzen Lacher hinaus. Meier entführt sein Publikum in seine bayerisch-verquere Welt, wo sich das Politische im Privaten, der Zeitgeist im Alltäglichen findet. Virtuos spielt er mit den Erwartungen seiner Zuschauer, begeistert mal mit treffsicherem Sprachwitz, mal mit leisen, poetischen Momenten.

Ein weltmusikalisches Feuerwerk mit allen nur denkbaren Klangfarben aus einem Spezial-Hackbrett, Saxofon, Klarinette, Querflöte, Gitarre, Kontrabass und Vibrandoneon erwartet das Publikum am Samstag, 29. Juni, mit Rudi Zapf & Zapf'nstreich. Zusammen mit Gerhard Wagner, Andreas Seifinger und Steffen Müller serviert der Gastgeber einen musikalischen Leckerbissen nach dem anderen. Alpine Melodien verknüpfen sich hier wie selbstverständlich mit temperamentvollen Latin-Rhythmen oder Balkan-Beats, Walzer-Takte mit flirrenden Flamenco-Arabesken oder Klezmer-Klänge mit swingenden Jazz-Improvisationen. Das Ergebnis ist eine eigene Art von Weltmusik, die mal temporeich und virtuos, mal locker lässig, aber stets geschmackvoll und überraschend klingt.

Ein Highlight schlechthin ist der Auftritt von Mathias Tretter am Sonntag, 30. Juni: Er gilt als die Entdeckung des bayerischen Kabaretts der vergangenen Jahre. Was mit Casting-Shows begann, erreicht in Donald Trump nun endlich seinen sturmfrisierten Höhepunkt: Das Zeitalter des Amateurs. Blogger sind die neuen Journalisten, Hipster die neuen Bierbrauer, AfD-ler die neuen CDU-ler. Sänger kriegen den Literatur-Nobelpreis, Kinder erziehen ihre Eltern, das Oval Office ist der neue Hobbykeller. Und außenrum und untendrunter schlingert die Welt, dass es selbst den Profis schlecht wird. Die Zehner Jahre: "Dilettanz auf dem Vulkan". David Bowie, Prince, Leonard Cohen und George Michael mussten einfach sterben - alles wurde "Pop", wie Tretter sein Programm nennt.

Der Kulturstadl am Selmerhof, An der Leiten 23, öffnet seine Pforten an Veranstaltungstagen um 18.30 Uhr, für Bewirtung ist gesorgt. Das Programm beginnt jeweils um 20.15 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es im Buchladen Poing im City Center unter (08121) 98 91 34 sowie beim Zapf-Musikbüro (Versand) unter (08121) 77 27 47 oder per Mail an www.zapf-musik.de.

© SZ vom 21.06.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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