Amtsgericht:Ebersberg: 70-jähriger Räuber zum siebten Mal verurteilt

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Vor dem Ebersberger Amtsgericht wurde am Dienstag der Fall eines 70-Jährigen verhandelt. (Foto: Christian Endt)

In drei Fällen erhielt der Rentner Bewährungsstrafen. Diesmal hatte er ein Messer dabei.

Aus dem Gericht von Daniela Gorgs, Ebersberg

Wie ein gefährlicher Messerräuber sieht er nicht aus. Schwer vorstellbar, dass dieser kleine, etwas korpulente Mann mit scharfer Klinge am Bankschalter steht und den Angestellten zwingt, ihm Geld aus dem Tresorraum zu holen. Und zwar subito. Der 70-Jährige, der auf der Anklagebank im Ebersberger Amtsgericht sitzt, erinnert eher an den höflichen Räuber Horst Fantazzini, der in den Sechzigerjahren in Norditalien mehrere Banken überfiel. Manchmal mit einem Pistolen-Imitat, manchmal ohne, trat er vor den Tresen und sagte: "Würden Sie mir bitte alles Geld geben, das Sie haben, das ist ein Überfall."

Nun, der 70-jährige Mann aus dem Landkreis München, der sich am Dienstag wegen Diebstahls mit Waffen verantworten muss, versucht sich ähnlich wie "Il rapinatore gentile" mit aller Höflichkeit aus der Affäre zu ziehen. Er sei katholisch und möchte alles genau erklären, sagt er. Seiner Geschichte und seinen ausschweifenden Beschreibungen begegnet das Gericht mit größtmöglicher Geduld. Wenn er zu sehr den roten Faden verliert, bittet ihn Amtsrichterin Vera Hörauf zum Punkt zu kommen. Der 70-Jährige gestikuliert umfangreich, nachdem er unumwunden zu Beginn zugibt, eine große Dummheit begangen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Mai dieses Jahres bei einem Juwelier im Landkreis Ebersberg eine Halskette im Wert von 29 Euro gestohlen zu haben. Zu dem Tatzeitpunkt soll er ein 55 Millimeter langes Messer griffbereit in der Hosentasche gehabt haben. Zur Erklärung schiebt der Angeklagte die Erkrankung seiner Frau vor. Seit 50 Jahren sind sie verheiratet, neulich sei sogar der Bürgermeister mit einem großen Geschenkkorb vorbeigekommen. Seine Ehefrau also leide unter schweren Depressionen. "Ich weiß nicht, was ich in meinem Kopf hatte", sagt er. Der Angeklagte habe ihr mit der Kette eine Freude machen wollen. "Sie weint immer nur."

Warum er sie nicht bezahlt habe, wisse er selbst nicht so genau. Er beteuert, nie wieder stehlen zu wollen. Überhaupt, mehr als ein paar Nägel im Baumarkt oder Obst beim Gemüsehändler sei es ja nie gewesen. Der Staatsanwalt ist skeptisch, der 70-Jährige einschlägig vorbestraft. Sechsmal wurde er in den vergangenen 17 Jahren bereits wegen Diebstahls verurteilt; in drei Fällen erhielt er Bewährungsstrafen. Und jetzt hatte er auch noch ein Messer dabei.

Das "Brotzeitmesser" habe er wegen seiner schlechten Zähne immer dabei

Der Angeklagte bittet "zehntausend Mal" um Entschuldigung. Niemals habe er vorgehabt, den Juwelier damit zu bedrohen. Das "Brotzeitmesser" führe er wegen seiner schlechten Zähne immer bei sich, erläutert er. Die Richterin könne sich gern vom Zustand seines Gebisses überzeugen. Doch dazu kommt es nicht. Später aber kann das Gericht nicht umhin, einen Blick auf die Knieprothesen des 70-Jährigen werfen zu müssen. Spontan streckt der Mann seine Beine unter der Anklagebank hervor und zieht seine Hosenbeine hoch. Mit diesen Knien sowie einem kaputten Rücken und nach zwei Prostata-Operationen könne er nicht mehr arbeiten, erklärt er.

Bewährung für zwei 53-Jährige
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Aus dem Gericht von Amelie Hörger

Der Staatsanwalt lässt sich von all den Beteuerungen und Erklärungen nicht blenden. Er möchte sicherstellen, dass der Angeklagte in einem Jahr nicht wieder wegen Diebstahls auf der Anklagebank sitzt. Der 70-Jährige versichert erneut, diese Straftat sei die letzte gewesen. Wegen der Erkrankung seiner Frau könne er es sich nicht leisten, ins Gefängnis zu gehen. Er kümmere sich rund um die Uhr um sie und passe auf, dass sie ihre Medikamente nimmt.

Und doch kann sich der Staatsanwalt nicht zu einer günstigen Sozialprognose durchringen. Wegen der massiven Vorstrafen des Angeklagten könne er diesen Diebstahl auch nicht als minderschweren Fall einordnen. Der Staatsanwalt fordert eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, ohne Bewährung. Die Verteidigerin widerspricht und plädiert auf Bewährung. Ihr Mandant habe stets nur geringwertige Dinge entwendet. Das Messer benötige er, um sich die Brotzeit in Stücke zu schneiden.

Am Ende verurteilt die Vorsitzende Richterin den 70-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, setzt diese aber zur Bewährung aus. Auch sie könne keinen minderschweren Fall erkennen. Der Angeklagte habe die Erkrankung seiner Frau als Ausrede benutzt. Doch hält sie ihm zugute, dass er bislang alle Bewährungen durchgestanden habe und die letzte Straftat sieben Jahre zurückliegt.

Richterin Hörauf setzt die Bewährungszeit auf fünf Jahre fest und trägt dem Angeklagten auf, 1500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Der 70-Jährige nimmt das Urteil an, die Staatsanwaltschaft auch. Somit ist es rechtskräftig. Va bene.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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