Amtsgericht Ebersberg:Erst belasten, dann schweigen

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Ein ehemaliger Drogendealer streitet ab, erneut Kokain und Marihuana verkauft zu haben. Das hat zumindest ein frühere Freund behauptet - der sich durch die Aussage in seinem eigenen Verfahren mildernde Umstände erhofft.

Von Sara Kreuter, Ebersberg

Als es am Montagvormittag an der Tür des Sitzungssaales klopft, blicken Richter Markus Nikol und seine beiden Schöffen gespannt auf. Und tatsächlich: Mit halbstündiger Verspätung betritt der Hauptzeuge im Verfahren gegen den ehemaligen Drogendealer Walter B. (Namen von der Redaktion geändert) endlich das Ebersberger Amtsgericht - kurzhaarig, mit einem chinesischen Tattoo am Hals und offenkundig schlechter Laune. Es ist bereits die zweite Sitzung im Prozess gegen B., die erste Verhandlung wurde vertagt, weil der Zeuge Markus H. trotz Vorladung nicht erschienen war.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, dem Zeugen H. im Herbst 2013 wiederholt hochwertiges Kokain und Marihuana verkauft und damit gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Belastet wurde B. von H. persönlich. Dieser, selbst ein vorbestrafter Drogendealer, hatte der Polizei bei seiner Vernehmung im Januar vergangenen Jahres umfangreiche Angaben gemacht und mehrere Drogendealer belastet, darunter B., seinen ehemaligen Kumpel.

Für diesen steht nun viel auf dem Spiel, in früheren Verhandlungen konnte er dem Gefängnis nur knapp entgehen. So bezeichnete er auch die Anklage der Staatsanwaltschaft als unzutreffend, seinen ehemaligen Kumpel bezichtigte er der Lüge. "Ich hatte seit zwei Jahren nichts mehr mit ihm zu tun", erklärt der 41-jährige Landschaftsgärtner und gibt zu: "Ich war in meiner Vergangenheit nicht immer der Bravste." Doch als vor knapp zwei Jahren ein Freund aus der Drogenszene gestorben war, sei er ausgestiegen. "Ich hab' gemerkt, so kann das nicht weitergehen, und hab mein Leben grundlegend verändert", beteuert der Angeklagte.

In Jeans und Kapuzenpulli machte B. schon bei der ersten Sitzung einen lässigen - und mitteilsamen - Eindruck. Lediglich die Zahlen liegen ihm nicht besonders, wiederholt gab es für das Gericht ärgerliche Missverständnisse und scheinbare Widersprüche in seiner Aussage bezüglich verschiedener Tatzeitpunkte. Als B. schließlich sogar sein eigenes Alter fehlerhaft errechnete, konnte der Richter dann aber ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Unbeirrt redete der Angeklagte weiter, steigerte sich zunehmend hinein. Und überhaupt, wendete er sich eifrig an den ermittelnden Beamten - die Aussage gegen ihn sei nicht stichhaltig: "Kommen Ihnen die vermeintlichen Preise für den Stoff denn nicht utopisch vor?", fragte er, "und wie hätte er mir das als Arbeitsloser überhaupt bezahlen können?" B. hätte sicher noch weitere Fragen gehabt, doch sein Anwalt zog ihn am Ärmel zurück, er verstummte. "Ihre Geschichte kann stimmen, oder eben nicht", hatte sich Nikol an den enthusiastischen Angeklagten gewandt - der Zeuge H. müsse Licht in die Angelegenheit bringen: "Ohne ihn können wir nichts machen".

Dementsprechend wird am zweiten Verhandlungstag gespannt auf den Zeugen gewartet - doch der erweist sich als äußerst widerspenstig. Eine Stunde vor Verhandlungsbeginn lässt er sich zunächst krankheitsbedingt entschuldigen, entscheidet sich aber schließlich doch dazu, als Zeuge aufzutreten - nachdem man ihn telefonisch auffordert, ein Attest vorzuweisen.

Nach seinem verspäteten Erscheinen macht H. von seinem Schweigerecht Gebrauch - um sich nicht selbst zu belasten. Denn gegen H., der selbst auf Bewährung ist, wird zur Zeit ein weiteres Verfahren eingeleitet. Bis zur dieser Verhandlung im Sommer ist das Verfahren um B. festgefahren: Es steht Aussage gegen Aussage.

Ob er sich noch einmal mit seinem Anwalt besprechen wolle, legt Nikol dem Angeklagten nahe. "Nö", sagt B. und beharrt auf seiner Unschuld. Sein Anwalt besteht auf eine kurze Unterredung, die jedoch ohne Ergebnis bleibt, ebenso wie ein anschließendes Rechtsgespräch.

So richtig erleichtert wirkt niemand, als die Verhandlung bis zum Prozess gegen H. ausgesetzt wird. Besonders B. macht die Ungewissheit und die erneut verschobene Entscheidung zu schaffen - die Chance für ein strafmilderndes Geständnis jedenfalls hat er verstreichen lassen. Still verlässt er den Raum. H. hingegen wirkt betont widerwillig, als er aus dem Zeugenstand entlassen wird. Einen Rat gibt ihm der Richter für seine eigene Verhandlung deshalb noch mit auf den Weg: "Pünktlich sein . . . und kommen."

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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