Am Wochenende wieder:Zander plus Rollmops

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"Theater Zwischenton" aus Ebersberg spielt Dinnerstück

Von Michaela Pelz, Moosach

Vor der Vorstellung zum Essen oder lieber hinterher? Diese für Kulturgänger nicht unwichtige Frage erübrigt sich bei "So is(s)t der Mensch", hat sich doch das Ebersberger Theater Zwischenton für seine aktuelle Produktion mit Speiselokalen in der Region zusammengetan. So kommt es, dass im vorweihnachtlich geschmückten Restaurant am Steinsee sieben Frauen und ein Mann unter der Regie von Bina Schroer das Publikum an Alltag und innerer Bedrängnis teilhaben lassen, während in den Pausen nach Sekt und getrüffelter Kartoffelsuppe, Bœuf à la mode, Zander oder vegetarisches Curry zur Wahl stehen, gefolgt von Bayerisch Creme.

Die 13 teils in Einzelarbeit, teils über gemeinsame Improvisationen entstandenen Monologe sind thematisch weit gefächert, ihre gemeinsame Klammer besteht aus dem Mensch-sein in all seinen Facetten. Nach einem fulminanten musikalischen Auftakt mit Gitarre und Chor, der Teile des Publikums zum Mitsingen von "Over the rainbow" veranlasst, dominieren zwar zunächst die vom Schicksal benachteiligten Existenzen. Doch gleichzeitig wird deutlich, dass auch sie Wege gefunden haben, das Leben erträglich werden zu lassen. Die vom Ehemann unterdrückte "Flickenmarie" (Ulla van Erckelens-Bock) kennt sich "in OZ besser aus als in München". "Olivia" im permanenten Selbstoptimierungswahn (Ulrike Janowetz) hat am Ende doch einen Eroberungserfolg. Die Pauschaltouristin mit Glitzerkäppi (Nicole Pernath) feiert beim "Sektempfang" beschwingt mit Aperol Spritz, dass sie seit der Scheidung nicht mehr trinkt. Und die Frau im weißen Hochzeitsgewand (Manuela Ingerl) steht mit ihrem roten Koffer bei "Keep walking" am Bahnhof allzeit bereit für das, was vielleicht noch kommen könnte.

Das Zusammenspiel zwischen Küche, Service und den Akteuren klappt dank minutiöser Planung hervorragend - kein Tellerklappern lenkt von den existenziellen Entscheidungsnöten ab, die für reizüberflutete Konsumenten schon im Supermarkt beginnen und auf dem heimischen Sofa vor "Netflix" noch lange nicht enden (wunderbar verzweifelt: Barbara Hofstätter). Kleine Pannen wie Hänger oder die nach den Essenspausen alles übertönende Hintergrundmusik werden geschickt ins Spiel integriert, etwa beim Beginn der Barszene mit Ulrike Janowetz und Robert Rudolph-Torgany. Letzterer leidet als Politiker bei seinen vielen Reisen für "Die Kampagne" unter dem Hotelnachbarn aus der Hölle, dessen mangelnde Beherrschung der Fernbedienung offenbar viele andere ebenfalls kennen, wie das Lachen im Publikum beweist. Auch Sybille Fuchs sorgt für Heiterkeit, wenn sie bei "Verstehen Sie?" deutlich macht, warum der Verhaltenswandel ihres Gatten trotz Rosen und Geschenken (oder gerade deshalb?) besorgniserregend ist. Den Schlusspunkt setzt Christine Hahn, die sich von der mausgrauen Ewiggestrigen mit Miss-Marple-Topfhut aus "Damals" in eine schillernde Oscar-Gewinnerin verwandelt, deren Smokey Eyes kalt funkeln, als sie ihr sarkastisches "Danke" an jene Kerle los wird, die ihr von Kindheit an übel mitgespielt haben.

Leichte Kost ist es nicht, die dem Publikum hier vom Theater Zwischenton in Form von Drei- bis Siebenminütern, untermalt von diversen Musikstücken (Emanuel Dürr), serviert wird. Gefallen haben die bewusst überzogen gezeichneten Figuren den rund 60 Gästen trotzdem. Sogar die "Rollmopsfrau" (Sybille Fuchs und Ulrike Janowetz), die einige zwar verstört, andere aber genau deshalb begeistert, weil sie das tägliche Leben zeigt, wie es ist: "Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitmenschen und Aggression anstatt Kommunikation", nennt das eine Zuschauerin. Darauf einen Schnaps.

Das "Theater Zwischenton" spielt "So is(s)t der Mensch" wieder am Freitag und Samstag, 16./17. November, dann in der Trattoria Camillo in Ottenhofen, Beginn 19.30 Uhr, Einlass 19 Uhr. Karten für 35 Euro gibt es unter www.theater-zwischenton.de.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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