Am Nikolaustag in Grafing:Unerwünschter Faktencheck

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Gut 100 Menschen sind gekommen, um gegen die Corona-Präventionsmaßnahmen zu demonstrieren. (Foto: Christian Endt)

Gegner der Corona-Maßnahmen demonstrieren auf dem Marktplatz

Aus dem Baukasten der Verschwörungstheoretiker hat die Rednerin wirklich nicht viel ausgelassen, sieht man vielleicht von den Echsenmenschen ab: Da wird die Impfung gegen das Coronavirus mit Euthanasie verglichen, da werden die üblen Pläne der "Hochfinanz" - etwa der Rothschilds - und des "pädophilen Hollywood" aufgedeckt, die dunklen Strategien von Bill Gates und George Soros. Auch von Adrenochrom ist selbstverständlich die Rede, der Substanz, die unter Folter von entführten Kleinkindern gewonnen werden soll, wie offenbar immer mehr Menschen glauben. Nicht alle der etwa 100 Menschen, die bei der Demonstration gegen die Corona-Präventionsmaßnahmen auf dem Grafinger Marktplatz zuhören, klatschen nach diesen Worten. Aber viele.

Clemens Scheerer hingegen klingt ein bisschen fassungslos, als er anschließend das Mikrofon übernimmt. "Dafür gibt's Applaus - wirklich?", fragt er und erntet dafür Unmutsäußerungen. Gleichermaßen, als er den Antisemitismus und den Euthanasievergleich seiner Vorrednerin noch einmal thematisiert. Die Besucher sind eindeutig nicht gekommen, um Leute wie ihn reden zu hören. Scheerer vertritt die "Partnerschaft für Demokratie" im Landkreis, er versucht sich an einem Faktencheck der vorher genannten Behauptungen, kommt aber nicht weit, denn schon kommt seine Vorrednerin zurück ans Mikrofon. Irgendwann unterbricht der Organisator den Disput, denn der "Ehrengast", der Nikolaus, soll ja schließlich auch noch seinen Auftritt haben. "Lasst uns froh und munter sein", klingt es dann über den Platz, seit eineinhalb Stunden wird zu diesem Zeitpunkt an diesem kalten Sonntagnachmittag schon gesprochen, viele der Zaungäste sind schon wieder heimgegangen. Wechselweise haben einige von ihnen zuvor den Reden der Corona-Skeptiker und der von "Bunt statt Braun" spontan organisierten Gegendemonstration etwa 100 Meter weiter zugehört. "Viele haben gesagt, man soll daheim bleiben. Aber man soll sich doch am besten selbst ein Bild machen", sagt eine Frau.

Angemeldet hat die Demonstration ebenso wie eine ähnliche Veranstaltung zwei Wochen zuvor in Ebersberg der Grafinger Andreas Krause; er lädt dazu ein, durchaus unterschiedliche Positionen zu vertreten. "Wir reden alle übereinander, aber nicht miteinander", sagt er. Vorwiegend aber kommen diejenigen ans Mikrofon, die die Coronamaßnahmen für übertrieben, die Krankheit selbst für nicht schlimmer als einen Schnupfen halten. Ein Redner aus Poing etwa zieht über Ministerpräsident Markus Söder (CSU) her, der kürzlich daran erinnert hatte, dass momentan täglich so viele Menschen an Covid-19 sterben wie beim Absturz eines Flugzeugs. Vielleicht seien es ungefähr so viel wie beim Absturz eines Motorseglers, sagt der Poinger. Gelächter im Publikum.

Mit dabei ist auch die Polizei. Es habe keine Störungen gegeben, die Demonstranten hätten sich an die Auflagen gehalten, konstatiert der Ebersberger Polizeichef Ulrich Milius am Ende.

© SZ vom 07.12.2020 / moo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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