Am 15. Juni ist Schluss:Grass 21 steigt aus Bundesförderung aus

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Mit Theaterstücken, hier 2015 in Markt Schwaben, Ausstellungen und Workshops wollte Grass 21 junge Leute gegen Rassismus stark machen. (Foto: Christian Endt)

Das Aktionsbündnis zieht sich aus dem Programm "Demokratie leben" des Familienministeriums zurück. Der Bürokratieaufwand sei zu hoch gewesen, heißt es. In der Vergangenheit hatte es auch inhaltlich Kritik gegeben

Von Thorsten Rienth, Grafing

Mehr als 750 000 Euro sind in den vergangenen Jahren an Fördermitteln aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben" an das Aktionsbündnis "Grass 21" in den Landkreis geflossen - eine wahrlich stattliche Summe. Das Geld wurde etwa für Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Workshops, Konzerte oder Schülerfahrten ausgegeben. Die Frustration über die Bundes-Bürokratie ist trotzdem so groß, dass die beiden Gründergemeinden Grafing und Aßling ihren Ausstieg angekündigt haben. Am 15. Juni sei Schluss, sagte Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) bei der jüngsten "Grass 21"-Ausschusssitzung.

"Die Verwaltungs- und Abrechnungsarbeit belasten den Leiter der Koordinierungsstelle, die beiden Jugendpfleger, den zuständigen Referatsleiter und auch die Kämmerei der Stadt", hatte die Rathauschefin zuvor dem Gremium aufgezählt. "Der Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr zu den Fördermitteln, das ist wirklich nicht mehr verantwortbar."

Um die Problematik zu veranschaulichen, hob Grafings Jugendpfleger Himo Al-Kass sogleich einen Stapel Papier hoch, zwischen 20 und 30 Seiten vielleicht. "Das ist die Abrechnung und Dokumentation vom Projekt eines Schwimmvereins", sagte er. Bis die Förderung - womöglich nur einige hundert Euro - fließe, sei er bei manchen Projekten mehr als einen kompletten Arbeitstag beschäftigt. "Diese Zeit sollte ich eigentlich bei den Jugendlichen draußen sein und nicht am Schreibtisch sitzen."

Tatsache ist allerdings auch, dass "Grass 21"-Projekte selbst und auch die Art und Weise ihrer Umsetzung Kritik hervorgerufen hatten. Im vergangenen Jahr etwa verabschiedete sich das Bündnis "Bunt statt braun" aus dem Begleitausschuss. Die Veranstaltungen und Projekte folgten keinem klaren Konzept und erzielten keinerlei Breitenwirkung, so die Begründung. Zwar seien die Aktionen für sich genommen wertvoll, nur hätten sie eben manchmal leider wenig mit dem zu tun, wofür die Förderung gedacht sei - die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.

Das erst im vergangenen Jahr auf den gesamten Landkreis ausgeweitete "Grass 21" aus der Bundesförderung auszuklinken, sei ausdrücklich keine politische Entscheidung etwa über Qualität oder Ausrichtung der Projekte, erklärte dagegen Bürgermeisterin Obermayr vor dem Begleitausschuss. "Da ist wirklich wertvolle und gute Arbeit geleistet worden." Auch Kreisjugendamtsleiter Christian Salberg nahm die "Grass 21"-Aktiven um die Jugendpfleger Felix Aschauer, Erwin Mehl und Al-Kass in Schutz. Das Problem sei der Bürokratieaufwand. "Nur wegen der Fördermittel einen Papiertiger zu befriedigen, das geht nicht. Dann sollte man es lieber nach dem Motto ,klein, aber fein' machen."

Obendrein, so Grafings Zweiter Bürgermeister Josef Rothmoser (CSU), gebe es in Sachen Rechtsextremismus gerade "keine akuten Brennpunkte". Wie Rothmoser zu dieser positiven Einschätzung kommt, scheint allerdings etwas fraglich: Erst im April hatte die mindestens vierte "Reichsbürger"-Durchsuchung in Pliening stattgefunden. Vor zweieinhalb Jahren erreichte Ebersberg bundesweite Bekanntheit wegen eines rassistisch motivierten Überfalls auf den Bahnhofsimbiss. Aus Poing und Grafing kamen mehrere Berichte über neonazistische Schmierereien und Aufkleber. Oft gelangen die Vorfälle jedoch nicht an die Öffentlichkeit, weil Aktivisten die Parolen schnell übermalen oder entfernen.

Obwohl das Geld aus der Bundesförderung mit dem "Grass 21"-Ausstieg freilich wegfällt, soll der Rückzug keine Auswirkungen auf die Grafinger und Aßlinger Jugendarbeit haben. "Die frei werdenden finanziellen und personellen Ressourcen wird die Stadt Grafing in die Jugendarbeit investieren, um punktgenau vor Ort handeln zu können", kündigte Obermayr an. Genauso werde man die Angelegenheit auch in Aßling behandeln, hieß es aus dem dortigen Rathaus.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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