Altpapierentsorgung:Mehr als Papierkram

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Altpapier wird künftig nicht mehr in den Hallen der Firma Ammer in Zorneding fliegen, sondern in Forstinning. (Foto: Renate Schmidt)

Von 2016 an entsorgt eine andere Firma das Altpapier im Landkreis. Vereine dürfen aber weiterhin mit eigenen Sammlungen dazuverdienen. Die Grünen fordern neue Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Von Christian Endt, Ebersberg

"Natürlich tut's weh", sagt Michael Erdmenger, Geschäftsführer der Firma Ammer. Von kommendem Jahr an wird sich das Zornedinger Unternehmen nicht mehr um die Abholung des Altpapiers im Landkreis kümmern. In einer öffentlichen, EU-weiten Ausschreibung verlor Ammer den Auftrag an den französischen Großkonzern Veolia. Etwa fünf Prozent des Umsatzes machte dieser für Ammer bisher aus, sagt Erdmenger, aber: "Wir werden alle Leute behalten."

Aufträge dieser Größenordnung - es geht um etwa eineinhalb Millionen Euro jährlich - muss die öffentliche Hand EU-weit ausschreiben. Dabei kommt in der Regel der günstigste Anbieter zum Zug. Veolia beschäftigt weltweit 179 000 Mitarbeiter und ist mit seiner Verkehrssparte auch an der Bayerischen Oberlandbahn beteiligt, zu der die im Landkreis verkehrenden Meridian-Züge gehören. Der Auftragsverlust sei überraschend gekommen, sagt Ammer-Chef Erdmenger: "Wir gehen davon aus, dass sich der Mitbewerber verschätzt hat." Ammer war mehr als fünfzehn Jahre mit der Entsorgung des Altpapiers im Landkreis betraut.

Die Abwicklung des Ebersberger Auftrags gibt Veolia an ein Subunternehmen ab: Einsammeln wird das Altpapier von Januar an die Firma Ehgartner, die neben dem Hauptsitz in Geretsried (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) auch einen Standort in Forstinning betreibt. Dorthin werden die Sammelfahrzeuge künftig das Altpapier bringen.

In Forstinning wird es gepresst, umgeladen und an Veolia oder direkt an eine Papierfabrik zum Recycling geliefert. "Für die Verbraucher ändert sich nichts", sagt Oskar Janka, Geschäftsführer von Ehgartner. "Die Tourenplanung steht fest und bleibt gleich." Janka geht davon aus, dass sie in Forstinning zwei bis drei zusätzliche Mitarbeiter einstellen werden.

Die Nachricht vom Wechsel des Entsorgungsbetriebs hatte bei den Vereinen im Landkreis Aufregung ausgelöst. Auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Landratsamt und der Firma Ammer hatten viele Vereinsmitglieder ehrenamtlich einen Teil des Altpapiers direkt von den Haushalten eingesammelt. Bisher kauft Ammer dieses Papier auf. Mit den Einnahmen bessern die Vereine ihre Kassen auf, darunter mehrere freiwillige Feuerwehren, Sportvereine wie der TSV Zorneding und der TSV Steinhöring und die Ebersberger Böllerschützen.

Zunächst war unklar, ob dieses Modell auch nach dem Anbieterwechsel weiterlaufen kann. Inzwischen gibt es von beiden Firmen Entwarnung: Ehgartner will den Vereinen die gleichen Konditionen anbieten, die sie bisher bekamen. Alternativ können die Ehrenamtlichen das Altpapier aber auch weiterhin zu Ammer bringen, sagt Geschäftsführer Erdmenger: "Das haben wir mit dem Landratsamt so besprochen." Mit drei Vereinen sei eine Fortführung inzwischen fest vereinbart.

Neben den Sorgen der Vereine um ihre Einnahmequelle gibt es grundsätzlichen Unmut über die Vergabe. In der jüngsten Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses des Kreistags hat Waltraud Gruber gefragt, "wie es sein kann, dass der Auftrag an einen französischen Großkonzern geht". Die Antwort habe sie "sehr unbefriedigend" gefunden, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Daher hat Gruber nun einen Antrag an den Ausschuss gestellt: Sie fordert darin eine Änderung der Vergabegrundsätze. Mit den neuen Regeln möchte Gruber erreichen, das kleine, regionale Unternehmen mehr Chancen auf Aufträge des Landkreises haben. Konkret schlägt die Kreisrätin vor, große Aufträge in mehrere Teile aufzuspalten und diese einzeln zu vergeben. So könnten sich auch Firmen bewerben, die das Gesamtpaket nicht stemmen können.

Außerdem soll das entscheidende Kriterium künftig nicht mehr das billigste, sondern das "wirtschaftlichste" Angebot sein - unter Berücksichtigung der Qualität. Auch die Kohlenstoffdioxid-Bilanz des Anbieters soll nach Willen der Grünen eine Rolle spielen. Dadurch haben lokale Anbieter möglicherweise einen Vorteil, weil sie einen kürzeren Anfahrtsweg haben.

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) entgegnet, das Landratsamt verfolge seit vielen Jahren das Ziel, Aufträge an ortsansässige Betriebe zu erteilen. Dazu hätte er vor zwei Jahren einen Workshop organisiert. Allerdings sagt Niedergesäß: "Die Spielräume hierzu sind leider gering." Es sei heute schon üblich, Ausschreibungen aufzuspalten.

Wenn dies aber nur geschehe, um eine europaweite Ausschreibung zu umgehen, sei das rechtlich angreifbar. Außerdem bedeute eine solche Teilung einen deutlichen Mehraufwand für das Amt und könne zu Verzögerungen und Abstimmungsproblemen führen. Ohnehin, so Niedergesäß, sei es "noch nie Praxis" im Landkreis gewesen, das billigste Angebot zu nehmen: "Wirtschaftlichkeit und jeweils für den Einzelfall festgelegte Qualitätskriterien sind ausschlaggebend."

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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