Akt der Integration:Gemeinsame letzte Ruhe

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Auf dem Neuen Friedhof in Ebersberg könnten bald Bestattungen ohne Sarg möglich sein. Auch ein Gräberfeld für muslimische Tote könnte in der großzügigen Anlage entstehen. (Foto: Christian Endt)

Auf dem Neuen Ebersberger Friedhof sollen künftig auch Bestattungen nach muslimischen Regeln möglich sein, alle Stadtratsfraktionen sind dafür

Von Wieland Bögel, Ebersberg

De mortuis nihil nisi bene, also nur Gutes über die Toten zu sprechen, fordert eine alte lateinische Redensart. Nur Gutes war nun auch im Umwelt-, Sozial- und Kulturausschuss zu einem Antrag zu hören, der sich ebenfalls mit den Toten beschäftigte, genauer gesagt, mit der Art und Weise, wie sie zur letzten Ruhe gebettet werden sollen. Die SPD hatte beantragt, nachdem im April der generelle Sargzwang auf Bayerns Friedhöfen aufgehoben wurde, Bestattungen ohne Sarg auch in Ebersbergs Grabstätten zu ermöglichen. Einer Forderung, der sich die anderen Fraktionen nicht nur sämtlich anschlossen, sondern die sie sogar noch erweiterten.

Hintergrund ist, dass in anderen Religionen, insbesondere im Islam, eine Bestattung im Sarg nicht üblich ist. Daher, so Doris Rauscher, die den Antrag für ihre Fraktion vorstellte, sei es "im Rahmen der Integration" geboten, die Friedhofsregularien dementsprechend auszugestalten. Das erlaube Menschen muslimischen Glaubens ihre Religionsausübung und stelle damit auch einen Akt des Respektes dar. Allerdings sei man sich auch im Klaren, dass zunächst noch einige Dinge untersucht werden müssten, so soll etwa mit den Pfarrern der örtlichen Kirchen gesprochen werden. Darum habe man einen Prüfauftrag gestellt - "aber mit dem erklärten Ziel, es auch einzuführen". Dass man sich mit den Kirchen abstimmt, sei "wahnsinnig wichtig", sagte auch Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos). Ebenso müsse man mit den Betroffenen vorab abklären, wie sarglose Bestattungen ablaufen sollen. Auf jeden Fall sollten diese Fragen geklärt sein, bevor es eine konkrete Anfrage dazu gibt, sagte Proske.

"Das ist ein wichtiger Beitrag zur Integration", lobte Petra Behounek (Grüne) den Antrag. Schließlich hätten nicht alle hier lebende Muslime die Möglichkeit, sich in einem islamischen Land bestatten zu lassen, oder wollten dies auch nicht, weil ihre Angehörigen hier lebten. Behounek verwies auf einen Versuch in München, wo getestet wird, was bei welchen Böden zu beachten ist, wenn Tote ohne Sarg beerdigt werden. Das Ergebnis könnte auch für Ebersberg interessant sein. "Auf den Friedhöfen werden verschiedene Religionen aufeinandertreffen", sagte Marina Matjanovski (CSU), deshalb sei der Antrag auf jeden Fall zu befürworten. Sie regte aber an, auch andere Aspekte zu berücksichtigen. Etwa, ob man ein Gräberfeld anlegen könne, in dem die Bestatteten Richtung Mekka liegen können. Auch sei es im Islam üblich, kurz vor der Beerdigung eine letzte Waschung des Verstorbenen vorzunehmen, hier müsse man klären, ob dies in der Aussegnungshalle möglich sei.

Zumindest derzeit gebe es diese Möglichkeit nur in Rosenheim, so Proske. Sicher scheint bereits, dass die sarglosen Bestattungen auf dem Neuen Friedhof eingeführt werden. Dort sei auch die Möglichkeit gegeben, ein wie von Matjanovski angeregtes Gräberfeld anzulegen. Dazu solle man aber zuvor unbedingt mit der muslimischen Gemeinde Kontakt aufnehmen, sagte Dominic Mayer (Pro Ebersberg). Ohne Gegenstimmen wurde der SPD-Antrag mit den Ergänzungen beschlossen.

Etwas mehr Diskussionsbedarf und Konfliktpotenzial gab es beim zweiten Antrag zum Thema Friedhof an diesem Abend: Die Grünen hatten gefordert, dass bei auf Ebersberger Grabstätten verwendeten Importsteinen mit einem Zertifikat nachgewiesen werden müsse, dass bei der Herstellung der Steine Kinderarbeit keinen Anteil hatte.

Seitens der CSU und der Freien Wähler gab es Zweifel am Sinn des Antrags - und den Vorwurf, man wolle den hiesigen Steinmetzbetrieben unlautere Methoden unterstellen. "Wo ist die Notwendigkeit, hat es bei uns solche Verfehlungen gegeben?" fragte Martin Schedo (CSU). Außerdem bezweifelte er, dass die geforderten Zertifikate überhaupt aussagekräftig seien. Dies betonte auch Toni Ried (FW), "ein Zertifikat ist schnell ausgestellt und schützt vor gar nichts". Zudem bringe man die hiesigen Steinmetze mit solchen Vorwürfen "in eine schwierige Lage".

Dies sei keinesfalls so, sagte Proske, ganz im Gegenteil. Denn, wie er bei Gesprächen mit den örtlichen Betrieben erfahren habe, benutzten diese schon lange nur zertifizierte Steine, oder gleich welche aus der Region. "Aber wir schließen damit die aus, die sich nicht daran halten", das sei doch im Sinne der Ebersberger Steinmetze. Das betonte auch Rauscher, sie sehe in dem Antrag keinen Affront gegen die örtlichen Betriebe, auf diese habe die neue Vorschrift ohnehin keine Auswirkung. Aber auf jene, "die ihre Steine aus Kinderarbeit beziehen und das ist die größte Schweinerei, die es gibt".

Davon ließen sich auch CSU und FW überzeugen, ohne Gegenstimmen wurde die Ergänzung der Friedhofssatzung schließlich angenommen.

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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