Adel Shalaby:Zuhause in zwei Welten

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Musiker und Hochschulprofessor Adel Shalaby lebt seit 14 Jahren in Zorneding. Er schätzt die Offenheit der Menschen und die musikalischen Möglichkeiten. Seiner Heimat Kairo bleibt er aber auch treu

Von Jessica Morof, Zorneding

Adel Shalaby ist gerne unter Menschen. Nicht nur die Auftritte vor großem Publikum seines Percussion Ensembles genießt der Musiker und Dirigent, sondern auch gesellige Abende mit Zornedinger Freunden. Kein Wunder, stammt Shalaby doch aus dem temperamentvollen Land Ägypten. "Die orientalische Mentalität ist offen, impulsiv und freundlich", sagt er und zieht damit den Vergleich zur deutschen Kultur. Zur europäischen Mentalität gehöre eine gewisse Vorsicht gegenüber Unbekanntem und Unbekannten. Trotzdem hätten ihn die Menschen in Zorneding, wo Shalaby seit 14 Jahren lebt, sehr freundlich und offenherzig in die Gemeinschaft aufgenommen. Und er sie in sein Herz.

"Die Zornedinger sind sehr, sehr warme und liebe Menschen", betont Shalaby, der zuvor bereits in anderen Teilen Bayerns gelebt hat. 1979 kommt der diplomierte Schlagzeuger aus Kairo nach Deutschland, um weiter zu studieren. Schnell erkennt er die Möglichkeiten zum Erweitern seines musikalischen Horizonts. Hier werde die Musik als Selbstverständnis erkannt: "Jede Familie möchte, dass die Kinder Musik machen", erklärt Shalaby. Sein Vater sei hingegen wenig von seiner Leidenschaft zum Schlagzeug begeistert gewesen und vom Musikstudium in Kairo ohnehin nicht.

Im "Land der großen Komponisten", wie Shalaby Deutschland nennt, studiert er also weiter und lehrt auch an verschiedenen Hochschulen. 1986 schließt er sein Schlagzeug-Studium mit dem Meisterklassendiplom an der Hochschule für Musik und Theater in München ab; kurz darauf gründete er das Münchner Percussion Ensemble und beginnt als Dozent für Schlagzeug an der Hochschule in München. Nach Zorneding zieht der heute 63-Jährige im Jahr 2002. Zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls aus Ägypten stammt, und seinen beiden Söhnen, die in Deutschland geboren wurden. Eine schöne Gemeinde sei es; nicht zu klein, aber trotzdem ruhig, sagt Shalaby: "Irgendwie auch eine kleine Stadt." Damit gleicht sie seiner zweiten Heimatgemeinde, die etwa 25 Kilometer von Kairo entfernt liegt.

Schnell fühlt sich Shalaby in der neuen Heimat wohl. Die Menschen seien sehr aktiv - was er gerne mag. Im Tischtennisverein findet er Anschluss und knüpft Kontakte zu den Einheimischen. Immer wieder lädt er zu sich nach Hause ein - nur auf Alkohol müssen die Gäste bei ihm verzichten. "Das haben aber alle ohne Probleme akzeptiert", sagt der Percussionist und Dirigent. Und im Gegenzug habe er sich immer wieder gefragt, was er an der fremden Kultur akzeptieren könne.

Denn: "Integration ist nie einseitig", betont Shalaby immer wieder. Jeder müsse offen für die Lebensweise des anderen sein und respektvoll damit umgehen. "Wenn jemand das Gefühl hat, dass man ihn respektiert, dann entsteht Vertrauen. Und da fängt die Beziehung an." So hat sich Shalaby offen für das neue Leben gezeigt und sich auf die Eigenschaften und die Mentalität der anderen eingelassen. Gleichzeitig hätten ihm die Zornedinger genügend Sicherheit vermittelt, er selbst zu sein. So verbreitet er gerne sein orientalisches Temperament und die typische ägyptische Gastfreundschaft in seiner neuen Gemeinde. "Bei uns kann man auch ganz spontan vorbeikommen", betont der Musiker mit Nachdruck. "Das gehört dazu." Immer wieder lädt er die neuen Bekannten und Freunde auch zu Konzerten nach München ein - ein Angebot, das viele gerne annehmen.

Natürlich habe auch er mitbekommen, dass es nicht immer einfach für Auswärtige ist, sich einzugliedern. Sei es, weil sich die Neuen nicht offen zeigten, oder weil die Alteingesessenen skeptisch seien. Auch Vorbehalte habe es ihm gegenüber gegeben, weil er aus Ägypten kommt, einem Land, das viele als sehr anders ansehen würden. "Aber Angst ist eben menschlich", relativiert er seine Aussage sofort. Viele seien einfach nicht gut genug informiert. Insgesamt sei es ihm jedoch leichter gefallen als den Flüchtlingen heutzutage, da er keine finanzielle Unterstützung benötigte. Als Musiker in Ägypten habe er schließlich bereits gut verdient.

Dass er und seine Familie so eine lange Zeit in Deutschland bleiben würden, war Adel Shalaby nicht von Beginn an klar. Ausgeschlossen hatte er es aber auch nicht. Seine Frau hingegen hat mit einer frühen Rückkehr gerechnet - und wollte zuerst gar nicht Deutsch lernen. "Ich habe ihr dann gesagt, dass sie auch nur für ein Jahr die Sprache lernen soll", erinnert sich Shalaby. Und dann habe er begonnen, zu Hause mit ihr Deutsch zu sprechen. Längst ist auch sie voll in der Gemeinde und der Gesellschaft angekommen, leitet eine private Praxis und arbeitet in einem Sozialbürgerhaus der Stadt München. "Sie hat das sehr gut geschafft", lobt der Ehemann.

Die ägyptischen Wurzeln hat sich Shalaby erhalten. Mehrere Monate im Jahr verbringt der Musiker in seiner anderen Heimatgemeinde bei Kairo: "Ich finde es schön, in zwei Kulturen zu leben." Einer seiner beiden Söhne hat sich entschieden, dort zu leben und eine Familie zu gründen. Der andere aber bleibt in Deutschland. Die Shalabys sind eben eine Familie, die in zwei Welten zu Hause und integriert ist. "Ich bin sehr glücklich hier", betont Adel Shalaby. "Und ich habe fantastische Jahre lang und auf hohem Niveau gearbeitet."

Ein bisschen davon möchte er zurückgeben, indem er mehrmals im Jahr interkulturelle Musikprojekte anbietet. Dafür bringt er Deutsche nach Ägypten und Ägypter nach Deutschland. "Zwischen Orient und Okzident" hieß ein Konzert, das im Januar in Zorneding stattfand. Denn gerade Musik spiele eine entscheidende Rolle im Miteinander der Völker, so Shalabys Erfahrung. Das Ziel: Die Menschen sollen aufeinander zu- und eingehen. Denn: "Offenheit bringt mehr für alle!"

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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