Abschied in Ebersberg:"Erfahrungen bleiben in Erinnerung"

Lesezeit: 3 min

Rudolf Bäuml bedauert es sehr, sich nicht persönlich von den Jugendlichen verabschieden zu können, denn diese seien "das Herz der Schule". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach 38 Jahren geht Rudolf Bäuml, der bisherige Leiter der Realschule Ebersberg, in den Ruhestand. Zum Abschied schwärmt er vom Miteinander seiner starken Schulfamilie - samt "Schlawinerei"

Von Aurelia Hennes, Ebersberg

"Jetzt geht es nicht mehr um Jahre, Monate oder Wochen, sondern um Tage" stellt Rudolf Bäuml fest, denn: An diesem Freitag wird er den letzten Arbeitstag seiner fast vierzigjährigen Karriere als Schulleiter und Lehrer für Mathematik, Sport und Informatik an der Ebersberger Realschule antreten. Rudolf Bäuml erzählt per Videoanruf am Bildschirm, er scheint grundsätzlich ein gut gelaunter Mensch zu sein, witzelt hin und wieder und lacht viel. Kurz zuvor habe er sich mit seinem Nachfolger Mischa Schreiber, dem er sein Amt "mit gutem Gewissen" übergeben werde, zu einem kurzen Gespräch getroffen.

Trotzdem schwingt neben einer scheinbar in sich ruhenden Zufriedenheit eine gewisse Wehmut mit: "38 Jahre an derselben Schule sind einfach eine lange Zeit", sagt Bäuml. Schon lange ist die Realschule Ebersberg für ihn mehr als nur eine berufliche Stätte, sondern vielmehr so etwas wie Heimat, Bäuml verwendet sogar liebevoll den Begriff "Familie". Augenzwinkernd wirft er dann ein, dass die Realschule von seinem Zuhause aus innerhalb weniger Minuten zu erreichen sei, weswegen ihm auch in der Pension jederzeit die Möglichkeit offen stünde, seine ehemalige Wirkungsstätte zu besuchen, "um nach dem Rechten zu sehen".

Wegen der Schließung der Schulen hatte Bäuml nicht mehr die Chance, sich von den Jugendlichen persönlich zu verabschieden: "Das Herz der Schule fehlt, wenn man durch die leeren Gänge geht, denn das sind einfach unsere Schülerinnen und Schüler". Auch das Unterrichten sei ihm in seinen letzten Wochen sehr abgegangen, gibt er zu. Sogar die "Einsagerei und die Schlawinerei" unter den Schülern vermisse er ein wenig, schließlich könne auch dergleichen "durchaus konstruktiv" sein, wie er mit einem breiten Lächeln berichtet: "Das Miteinander gehört einfach dazu".

Bäuml selbst bezeichnet sich als einen "Zugereist-Gewordenen": Geboren wurde er in Halle an der Saale, Ende der 50er-Jahre zogen seine Eltern dann mit ihm nach Bayern. Bereits während seiner Schulzeit in Traunstein habe der Klassenleiter ihm prophezeit, dass er einmal Lehrer mit der Fächerkombination Mathematik und Sport sein würde. Der junge Rudolf Bäuml, Schüler in der dreizehnten Klasse, muss darauf geantwortet haben: "Das Letzte, was ich machen will, ist Lehrer zu sein".

Nach dem Lehramtsstudium bekam er schließlich den Anruf vom Ministerium, ob er in Ebersberg unterrichten wolle - "und so ging es im Frühling 1983 los". Diese Entscheidung habe er nur aus dem Bauch heraus getroffen, denn Ebersberg kannte er da lediglich von der Durchfahrt. Bäuml beschreibt dies rückblickend als seine persönliche "Blackbox".

In der ersten Zeit als Lehrer an der Realschule Ebersberg kamen aber doch Zweifel auf und Bäuml spielte kurzfristig mit dem Gedanken, die Kreisstadt wieder zu verlassen. Aufgrund seiner Familie, die zwischenzeitlich fest im Landkreis verwurzelt war, verwarf er diesen aber letztendlich wieder. In der Retrospektive bezeichnet Bäuml seine Anfänge als Lehrer als eine zweite Gesellenzeit, für die er sehr dankbar sei. Oftmals wurde er im Laufe seiner Karriere gefragt, ob er nicht mal in einer anderen Schule arbeiten wolle, was er aber immer abgelehnt habe: "Dafür war die Schulfamilie einfach zu stark. Und ich habe es nie bereut, geblieben zu sein". Die Frage, ob er diesen Weg genau so noch einmal gehen würde, kann der scheidende Schulleiter trotz aller Hürden und Schwierigkeiten ganz klar bejahen - was wiederum der Ursprung seiner grundlegenden Zufriedenheit sein könnte.

Besondere Momente sind für Bäuml, wenn ihm ehemalige Schüler in Ebersberg über den Weg laufen und von ihrem weiteren Werdegang berichten. Als er davon erzählt, kann man in seinem Gesicht eine von Grund auf authentische Freude darüber ablesen. Außerdem gesteht er: "Es ist schmeichelnd zu wissen, dass man ein Bestandteil der Erinnerung geworden ist und nicht vergessen wird". Auch wenn er als Student ursprünglich nicht das Lehramt angestrebt habe, könne er heute sagen, dass seine Berufswahl seiner Bestimmung entspräche: "Ich habe es nie bereut, es ist definitiv eine Berufung".

Ein Wort, das sich durch das Gespräch zieht wie einen roten Faden, ist: Erfahrung. Als Lehrendem war es Bäumls Anliegen, den Schülern Erfahrungswerte zu vermitteln - und nun, in der Pension, will er selbst noch haufenweise solche sammeln. "Wissen vergisst man nicht, aber Erfahrungen bleiben in Erinnerung." Den kommenden Montag sieht er als eine Art Neuanfang; allein schon mal eine Stunde länger schlafen zu können, sei eine ganz neue Erfahrung. Als Familienmensch, so sagt er, werde ihm außerdem auch im Ruhestand garantiert nicht langweilig: Neben Gartenarbeiten und der Bespaßung der "Lausbuben", seiner zweijährigen Enkel, stehen sportliche Aktivitäten sowie Reisen auf Bäumls Plan. Vor allem aber will er sich die Zeit nehmen, manches genauer anzusehen, auch Lesen und den Horizont zu erweitern, gehört zu seinen Vorhaben in der Pension. Schmunzelnd schiebt der Pädagoge dann noch ein, dass es gerne auch mal ein Mathebuch sein dürfe. Von Freizeitstress will er aber nicht reden: "Ich habe viel vor, darunter auch, mich nicht stressen zu lassen". Das Lied übrigens, das Bäuml in seine Pension begleiten wird, ist: "I feel free" von der Band Cream.

© SZ vom 12.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: