Jörn Bülck ist der einzige, der ein eigenes Sofa - ein grünes mit einer blauen Decke als Überwurf - zum Sitzen bekommen hat. Gut, nicht ganz, seine Frau sitzt schließlich neben ihm. Alle übrigen der gut 75 Gäste haben auf Stühlen, die coronabedingt mit gehörigem Abstand zueinander aufgebaut waren, Platz genommen oder sich an Stehtische gelehnt. Gemütlicher scheinen es da die Bülcks auf ihrem Sofa gehabt zu haben. Aber ein bisschen Extra-Komfort ist schon in Ordnung, schließlich sind all die Gäste nur wegen Jörn Bülck gekommen: Es war seine Abschiedsfeier.
Nach zwölf Jahren als Schulleiter des Sonderpädagogischen Förderzentrums in Poing, der Seerosenschule, und insgesamt 28-jähriger Tätigkeit dort beziehungsweise an der Vorgängerschule in Forstinning, geht der 65-Jährige nun in den Ruhestand.
"Sie waren schon ein respektvoller Schlawutzi", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der bei der Abschiedsfeier am Donnerstagnachmittag ein paar Worte an den Schulleiter richtete. Schlawutzi, so nannte ihn Niedergesäß' Rednervorgänger Klaus Funke, Referent der Regierung von Oberbayern für Förderschulen. Niedergesäß sprach davon, wie sich Bülck in den vergangenen Jahren vehement für eine Erweiterung des Schulgebäudes beim Landkreis eingesetzt hat - die Seerosenschule leidet an akuter Platznot. Nicht locker lassen, immer wieder überzeugende Argumente liefern, "bis Sie aufgezeigt haben, dass eine Entscheidung alternativlos ist", das sei es, so Niedergesäß, was Bülck in seiner Zeit als Schulleiter ausgemacht hat.
"Das war echt zauberhaft", sagte Jörn Bülck am Freitagmorgen der SZ. Nicht nur die Reden, die am Tag zuvor vorgetragen wurden, sondern einfach alles an diesem Tag. Das Kollegium hatte eine Art Wandertour vorbereitet: Nach Schulschluss überreichten sie Bülck einen Rucksack, dann ging es los, zum PC-Raum der Schule, zum Werkraum, zum Hasi-Bäcker, zum Rathaus und noch zu einigen weiteren Stationen. Überall empfingen ihn Kolleginnen und Kollegen oder andere langjährige Weggefährten, hielten ein Ständchen oder sprachen ein paar Worte, einige Male gab es auch Aufgaben für Bülck. So musste er einmal kognitive und motorische Aufgaben lösen, ein anderes Mal Fotos von seinem Kollegium als Babys richtig zuordnen. "Das Ratespiel hat wesentlich besser geklappt als der kognitive Test", wie Bülck zugab.
Der Draht zwischen Schulleiter und Lehrkräften scheint eng zu sein an der Seerosenschule. "Wir sind sehr zusammengewachsen, ich habe hier ein traumhaftes Kollegium", so Bülck. Ungern lässt er es in solch ungewissen Zeiten wie den aktuellen alleine. Corona habe alle Schulen "kalt erwischt", die Seerosenschule habe sich innerhalb kurzer Zeit sehr verändert. Aber mit seiner Nachfolgerin Margit Schmid weiß er die Schule in guten Händen, "das macht den Abschied wesentlich leichter". Und irgendwann muss nun einmal Schluss sein. Oder wie es einige seiner Kolleginnen am Donnerstag in einem Sketch formulierten und mit dem vom Plattdeutschen beeinflussten Ausspruch wohl auf die Herkunft von Bülck anspielten - er ist gebürtiger Hamburger: "Wat mutt, dat mutt" - "Was muss, das muss".
Etwas Gutes hat der Ruhestand dann schließlich doch noch: Er verschafft Zeit. Die hat Bülck in seinen Schulleiter-Jahren vermisst. "Ich werde vieles machen, was liegen geblieben ist." Zum Beispiel wieder Saxofon spielen und sich politisch vermehrt "ein bisschen einmischen" - er ist in der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft tätig. Seine Reise nach Korsika, zu der er im September aufbrechen wollte, wird er wegen Corona wohl verschieben. Unterwegs sein will er aber definitiv, "dann halt erst einmal in Deutschland".