40 Jahre Gemeindegebietsreform:Aus fünf mach eins

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Eine Sonderausstellung im Museum Grafing zeichnet die Entstehung der Stadt nach. Archivar Bernhard Schäfer erläutert, wie sich der Markt die Landgemeinden Elkofen, Nettelkofen, Öxing und Straußdorf einverleibte

Von Daniela Gorgs, Grafing

Es gibt Befindlichkeiten. Und auch Neid. So mancher Bürger der Grafinger Stadtteile beobachtet genau, wohin der Stadtrat das Geld investiert. Welcher Ort das größere Feuerwehrhaus bekommt oder die modernere Schule. Auch 40 Jahre nach der Gebietsreform gibt es noch Stimmen aus den umliegenden Landgemeinden, die behaupten, die Stadt Grafing habe sie damals bei der Eingemeindung untergebuttert und mit dem Geld aus den Ortskassen den eigenen Haushalt saniert. Der Historiker Bernhard Schäfer schmunzelt. "Nun", sagt er, "diese Positionen sind nicht unbedingt haltbar." Gern werde dabei unterschlagen, dass so manches Objekt nicht schuldenfrei war und die Stadt Grafing die Verantwortung dafür übernahm.

Der Steuerdistrikt Grafing um 1811. Die Gemeinde Nettelkofen ist hier ebenso noch zu erkennen wie einige weitere Gemeinden, die im Laufe der Zeit verschwunden sind. Nettelkofen wurde 1978 im Rahmen der bundesweiten Gebietsreform in Grafing eingemeindet. (Foto: Archiv Grafing/oh)

Wer wissen möchte, wie aus den Landgemeinden Elkofen, Nettelkofen, Öxing und Straußdorf das heutige Grafing entstand, kann dies jetzt im Stadtmuseum erfahren. Bernhard Schäfer, Archivar und Museumsleiter, konzipierte die Sonderausstellung "Aus 5 mach 1!?". Aus Stadt- und Bundesarchiv trug er handgeschriebene Beschlüsse und Urkunden sowie vergilbte Schwarz-weiß-Fotos zusammen und lockerte diese mit historischen Schmuckstücken wie einer alten, hölzernen Gemeindekasse, geografischen Karten und Postkarten auf.

Ein Stempel der Verwaltung der Landgemeinde Öxing von 1836. (Foto: Archiv Grafing/oh)

Schäfer weiß so manche kuriose Begebenheit zur Grafinger Stadtgeschichte zu erzählen. Zum Beispiel soll in den 1930er-Jahren Ludwig Leib, der Gemeindeschreiber des Nettelkofener Bürgermeisters Ignaz Fuchs, seine Arbeit von Grafing aus erledigt haben. Gegenüber dem Museum, wo jetzt ein Café ist, hatte Leib damals seine Glaserei. Von dort schrieb er die Interessen der Nettelkofener Bürger nieder und leistete Widerstand gegen die Eingemeindung. Schäfer erzählt auch, wie Ende des 19. Jahrhunderts der Grafinger Brauer Korbinian Wild mit nüchternem Blick und Geschäftssinn beantragte, die Nachbargemeinden Grafing und Öxing zu vereinigen, die nur durch einen Straßenzug getrennt waren. Und wie die resolute Bäuerin Franziska Zellner vehement dagegen kämpfte. Drei Anläufe waren nötig, bis sich Grafing zur Zeit der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr 1933 Öxing einverleibte. Diese Eingliederung nahm der damalige Grafinger NSDAP-Ortsgruppenleiter und Zweite Bürgermeister Hans Zitzelsperger zum Anlass, nach Mitteln und Wegen zu suchen, auch die übrigen Umlandgemeinden der zentralen, märktischen Kommune einzuverleiben. Doch dazu kam es erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Grafing einen enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung erlebte. Mit der Integration zahlreicher Flüchtlinge und Vertriebenen wuchs die Bevölkerung an. Am 27. Juni 1953 erhob Innenminister Wilhelm Hoegner in einem Staatsakt Grafing zur Stadt. Im Zuge der Gebietsreform, die eine effektivere Verwaltung zum Ziel hatte, kam es am 1. Mai 1978 zur Eingliederung der Gemeinden Elkofen, Nettelkofen und Straußdorf mit der Stadt Grafing. Dieser Schritt, den die betroffenen Bürger noch Jahrzehntelang schmerzlich empfanden, wurde am 1. Juli 1978 mit einem gemeinsamen Fest auf dem Grafinger Marktplatz gefeiert.

Die Sonderausstellung ist sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet und donnerstags von 18 bis 20 Uhr. Besuchergruppen und Schulklassen können sich unter der Telefonnummer (08092) 703 59 oder per E-Mail an b.schaefer@grafing.bayern.de anmelden. Informationen zum Begleitprogramm mit Vorträgen gibt es auch auf der Webseite www.museum-grafing.de.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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