Durchsuchung:Schießen wohl nur als Vorwand

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Von den Karabinern des Typs Mauser 98k soll es heute noch 100 Millionen Stück auf der Welt geben. Eine solche Waffe wurde auch bei den Durchsuchungen vergangene Woche gefunden. (Foto: Schwedisches Armeemuseum/oh)

Ermittler stellen umfangreiches Material bei Pegida-nahem Schützenverein fest

Von Martin Bernstein

Das Datenmaterial, das die Ermittler nach der Durchsuchungsaktion bei der Pegida-nahen "Bayerischen Schießsportgruppe München" am Donnerstag sichergestellt haben, ist offenbar äußerst umfangreich. Die Auswertung werde noch Wochen dauern, sagt der stellvertretende Pressesprecher des bayerischen Innenministeriums, Michael Siefener. Im Vordergrund stehe zunächst ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Schießsportgruppe, der vorgeworfen wird, gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet zu sein und das Schießen nur als Vorwand zu betreiben. Am Ende könnte ein Verbot der Gruppe stehen.

Ob das dann auch Konsequenzen hätte für den Verein "Pegida München - zur Förderung staatsbürgerlicher Anliegen e.V.", bleibt weiterhin offen. Dafür sei es zu früh, sagte Siefener. Man müsse erst einmal die Ermittlungen abwarten, die sich zunächst gegen die Schießsportgruppe richten. Aber natürlich habe man den Münchner Pegida-Ableger, der als Treffpunkt von Personen und Gruppen aus dem rechtsradikalen Spektrum gilt und der deshalb auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird, "genau im Blick". Ob die aktuellen Ermittlungen auf weitere Personen oder Orte ausgeweitet werden müssten, könne man ebenfalls erst nach Auswertung der umfangreichen auf EDV gefundenen Beweismittel sagen, so Siefener.

Die Schießsportgruppe ist nicht im Bayerischen Schützenbund organisiert. Sie besitzt auch keine eigene Schießanlage. Die Mitglieder mieteten sich zum Üben bei einer honorigen Schützengesellschaft im Südosten des Landkreises München ein. Dort, in Helfendorf, gibt es einen 100-Meter-Schießstand, auf dem mit Langwaffen geübt werden kann. Das tun nicht nur die Mitglieder des örtlichen Schützenvereins, sondern zum Beispiel auch regelmäßig die Schützen des Münchner Polizeisportvereins. Der gastgebende Schützenverein gilt als gewissenhaft bei der Zuteilung von Schießzeiten. So hatte er erst vor Kurzem angekündigt, die Vermietung an Einzelpersonen "aufgrund der sich ständig verschärfenden Standaufsichtenproblematik" Ende Juli einzustellen. Offenbar ahnte im Verein niemand, wen man da beherbergte: Mitglieder einer Gruppierung nämlich, der der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zutraut, als "bewaffneter Arm" der Pegida "mit Waffengewalt gegen Minderheiten und politische Repräsentanten des Staates vorzugehen".

Tatsächlich wurden bei der Durchsuchungsaktion gegen die zehn Mitglieder der Schießsportgruppe auch zwei illegale Waffen gefunden, eine davon ein Mauser Karabiner. Das Gewehr ist nach Schätzungen weltweit mit etwa 100 Millionen Exemplaren verbreitet. Karabiner des Typs Mauser 98k wurden von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg benutzt. Ermittelt wird nach diesem Fund auch wegen Verstößen gegen das Waffengesetz.

Gewalt bei Pegida - das wäre kein neues Phänomen. Laut einer Aufstellung des Landeskriminalamts gab es im Rahmen von Versammlungen der Pegida München vergangenes Jahr acht rechtsextremistische Gewalttaten - vor allem im Herbst. Im Jahr zuvor registrierte die Polizei bei Pegida-Kundgebungen zehn Körperverletzungsdelikte durch rechte Gewalttäter.

Fünf der zehn Mitglieder der jetzt ins Zwielicht geratenen Schießsportgruppe sind nach Erkenntnissen der Ermittler bei Pegida München aktiv gewesen. Vorsitzender beider Vereine ist der Münchner Heinz Meyer, gegen den schon seit 2012 wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird - demselben Jahr, in dem die Schießsportgruppe ins Vereinsregister eingetragen wurde. Die Ermittlungen gegen Meyer führt das Landeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts. Hintergrund sollen Kontakte Meyers zum ehemaligen Rechtsterroristen Martin Wiese sein.

Wiese hatte zusammen mit Komplizen 2003 einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums in München geplant. Zusammen mit Wiese wurde damals auch Karl-Heinz Statzberger zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Statzberger, mittlerweile in der Neonazi-Partei "Der dritte Weg" aktiv, ist seit der Pegida-Gründung vor mehr als zwei Jahren ständiger Teilnehmer an den Kundgebungen. Meyer leitet nach dem Weggang seiner beiden früheren Co-Vorsitzenden den Münchner Pegida-Verein seit Anfang April zusammen mit einer 65 Jahre alten Augsburgerin. Im Dezember verbot ihm die Stadt, weiter als Versammlungsleiter aufzutreten. Den Vorsitz der Schießsportgruppe, die offiziell in der Steinheilstraße gemeldet ist, teilt sich Meyer mit seinem ebenfalls bei Pegida aktiven 23-jährigen Sohn. Auch Meyers Lebensgefährtin soll Mitglied der Schießsportgruppe sein. Beide Gruppierungen haben laut Vereinsregister dieselbe Postanschrift im Münchner Osten. Nach Angaben des Kreisverwaltungsreferats ist Meyer wegen des unerlaubten Führens einer Schusswaffe bereits rechtskräftig verurteilt.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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