Drogenrazzia:"Schlimmer als Heroin"

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Im Internet blüht der Handel mit der Droge Liquid Ecstasy - nun wurden bei einer bundesweiten Razzia 15 Labore ausgehoben. Einer der Hauptverdächtigen stammt aus dem Großraum München.

Susi Wimmer

München - Bernd T. (Name fiktiv) lebt im Großraum München, ist 24 Jahre alt und mit seinem Leben fast am Ende. "Das Zeug ist brutal, die Entzugserscheinungen so extrem, ich hab' nicht den Hauch einer Chance, davon runterzukommen." Seit vier Jahren konsumiert er eine ungewöhnliche Droge: Bernd T. trinkt die Industriechemikalie Gammabutyrolacton, kurz GBL genannt.

Beschlagnamte Chemikalien zur Herstellung von Betäubungsmitteln sind im Bayerischen Landeskriminalamt in Muenchen ausgestellt. (Foto: Foto: ddp)

Der menschliche Körper kann die Substanz in GHB umwandeln, besser bekannt als "Liquid Extasy". Beim Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) registriert man steigende Fallzahlen, das Aufputschmittel boomt. "Für die Süchtigen", sagt ein Ermittler, "ist es schlimmer als Heroin."

Im Internet floriert der Handel mit der Industriechemikalie. "Zum Reinigen von CD-Hüllen, Entfernen von Graffitis oder Schimmel" wird die durchsichtige Flüssigkeit angepriesen. "Das Märchen vom Reinigungsmittel", nennt Mario Huber vom BLKA derartige Ausführungen. Weiter unten ist auch zu lesen, dass die Daten der Besteller ganz vertraulich behandelt werden. Was schlichtweg den Grund hat, dass die Käufer die Flüssigkeit als Droge nutzen.

Gut ein Milliliter GBL reicht schon aus, um zu entspannen oder in leichte Euphorie zu gelangen. Fällt die Dosierung nur ein bisschen höher aus, stellen sich Schläfrigkeit oder Übelkeit ein - oder der Konsument fällt ins Koma. Laut Polizei starben in Bayern im letzten Jahr etwa zehn Abhängige an GBL.

340 Objekte und 15 Labore durchsucht

Am Donnerstag schlug die Polizei in einer einzigartigen Aktion in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu. Allein in Deutschland durchsuchten 1290 Polizeibeamte 340 Objekte, hoben 15 Labore aus, in denen GBL zu synthetischen Betäubungsmitteln wie Amphetamin oder Methamphetamin verarbeitet wurde. Die Beamten karrten mehrere Lkw-Ladungen an Chemikalien weg, stellten in fünf Objekten auch Flüssigsprengstoff sicher und wurden an einem Tag alleine nicht mit dem Wegschaffen der beschlagnahmten Substanzen fertig.

Hauptverdächtiger ist ein 37-jähriger Chemikalienhändler aus dem Kreis Fürstenfeldbruck. Er orderte pro Jahr den Grundstoff GBL tonnenweise bei BASF und verkaufte ihn via Internet im 250-Milliliter-Bereich weiter. Bei den Gewinnspannen, so ein Ermittler, werde selbst ein Heroindealer blass: Pro Liter zahlte der 37-Jährige etwa vier Euro - und verkaufte ihn für etwa den 15-fachen Preis weiter, an etwa 600 Abnehmer. Dabei arbeitete er mit einem Kollegen im Raum Lüneburg zusammen, ein weiterer Komplize saß in Neu-Ulm.

Mit der Aktion und den damit verbunden acht Haftbefehlen hofft man auf eine Signalwirkung. Denn allein der Besitz oder der Verkauf von GBL ist in Deutschland nicht strafbar. Wohl aber der Verkauf mit dem Wissen, dass der Käufer die Substanz als Droge benutzt. Den Beschuldigten erwarten bis zu 15 Jahre Haft. Einen 33-jährigen Konsumenten aus Delmenhorst erwartet hingegen das Leben: Als die Polizei zur Razzia anrückte, lag er bewegungslos in seiner Wohnung: komatöser Zustand, Krankenhaus. "Er hatte Glück, dass wir kamen", sagt Huber.

© SZ vom 11.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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