Dok-Fest-Tipp:Lebensgefährlich schöpferisch

Sie wollte nie als "die Magersüchtige, die fotografiert" gesehen werden: die Norwegerin Lene Marie Fossen. (Foto: Dok-Fest)

Der Dokumentarfilm "The Self Portrait" über die norwegische Fotografin Lene Marie Fossen

Von Isabell Nina Schirra

Die "schwarze Sonne" gilt seit jeher als ambivalente Metapher für großes Leid und großes kreatives Potenzial. Wie nah diese beiden Pole doch beieinanderliegen, zeigt wohl kaum ein Film so eindrücklich wie "The Self Portrait", der beim Dok-Fest München internationale Premiere hat. Die Regisseurinnen Margreth Olin, Katja Høgset und Espen Wallin begleiten darin die junge norwegische Fotografin Lene Marie Fossen. Mit zehn Jahren hörte sie auf zu essen, wollte die Zeit anhalten, für immer Kind bleiben. Obwohl Fossens Körper von der nunmehr 20 Jahren währenden Krankheit tief gezeichnet ist, wollte sie nie als "die Magersüchtige, die fotografiert" gesehen werden. Sondern schlichtweg als eine Fotografin, die in ihren Bildern ihr Leid verarbeitet. Und genau das ist Olin, Høgset und Wallin gelungen. Sie zeigen eine junge Fotografin, der mit ihren schonungslos-schockierenden Selbstporträts der Durchbruch in der skandinavischen Kunstszene gelingt; die sich dabei beständig im Kampf zwischen künstlerischem Schaffenstrieb und allgegenwärtiger Lebensgefahr befindet. "The Self Portrait" ist ein Künstlerporträt, das trotz dokumentarischer Distanz Spuren in der eigenen Seele hinterlässt und das gleichzeitig zu so etwas wie einem Nachruf, einer Retrospektive avancieren soll. Denn Lene Marie Fossen ist im Oktober 2019, noch vor Veröffentlichung des Filmes, mit nur 32 Jahren ihrer Krankheit erlegen.

The Self Portrait , Norwegen 2020, Regie: Margreth Olin, Katja Høgset, Espen Wallin, bis 24. Mai via Stream unter dokfest-muenchen.de

© SZ vom 18.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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