Münchner Mode-Macher:Sündteuer und sexy

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Mode für Männer: Modedesigner Simon Hannibal Fischer in seinem Laden im Münchner Glockenbachviertel. (Foto: Stephan Rumpf)

Wenn Victoria Beckham in München ihre neue Kollektion vorstellt, sagt das etwas über das Modeprofil der Stadt. Glamouröse Luxusmarken treffen auf junge Nachwuchsdesigner. Ein Einblick in eine Welt voll Glitzer und Genies.

Von Anne Goebel

Ein Novembertag in München, Victoria Beckham wird in der Stadt erwartet. Sie kommt nicht als britische Glamourzicke und Frau eines weltberühmten Unterwäschemodels, sondern als Modeschöpferin. Diskretion ist erwünscht, nur wenige Gäste dürfen in einer Privatvorführung ihre neue Kollektion begutachten.

Abgesehen von der Tatsache, dass in den vergangenen Tagen aufopferungsvoller Boulevardreporter der Jet mit Posh Spice an Bord kein Rad unbemerkt hätte ausfahren können - die Visite sagt auch einiges über das Profil der Modestadt München. Posh und der Isar-Schick mit diesem Hang zum Zierrat, das passt natürlich zusammen: Ihr Name hat Glanz, ihre Entwürfe setzen auf Sexappeal, das Ganze kostet viel Geld. Kein Wunder, dass ihre Marke läuft in der Stadt.

Es gibt bloß einen Haken: Victoria Beckham ist als Designerin mittlerweile ziemlich anerkannt, was der Fußballergattin kein Mensch zugetraut hat. Das trifft in gewissem Sinne auch auf München zu, das als Modestadt mehr Substanz hat als die Flirts mit vordergründigen Effekten vermuten lassen.

Große Ehre: Victoria Beckham bekommt ihren Bambi von Karl Lagerfeld. (Foto: REUTERS)

Die Liebe zu Glitter und Funkelei

Ganz falsch ist die Einschätzung von der Liebe zu Glitter und Funkelei, die jeden Ansatz von Avantgarde-Design einfach verschluckt, natürlich nicht. Das sieht man schon daran, dass München eine Mode-Einkaufs-Stadt ist im sogenannten Luxus-Segment. Insofern wären als wichtigste Modemacher eigentlich die Signori Dolce und Gabbana zu nennen, Dior, Louis Vuitton und all die anderen, die an der Maximilianstraße residieren.

Hier ist Couture nicht nur ein schönes, fernes Wort, hier wird täglich Umsatz gemacht mit sündteurer Mode, mit Schmuck und Lederwaren, und das in Größenordnungen wie in keiner anderen deutschen Stadt. Das zieht seit jeher auch die gehobenen Lokalmatadore in die Gegend, sie sonnen sich im Glanz der großen Namen. Allen voran Marion Heinrich, die seit Jahrzehnten zahlungskräftige Kundinnen in ihrer Boutique ausstattet und der in den neunziger Jahren als Einzige ein Franchise-Vertrag mit Gucci in Deutschland glückte - ein Coup.

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Gute Geschäftsleute

Gucci exklusiv, das ist eine sehr Münchnerische Erfolgsgeschichte, zumindest in einer Zeit, in der das italienische Label hysterisch angebetet wurde als Synonym für Pracht. Susanne Botschen hat dann mit ihrem Nobelladen "Theresa" nachgelegt und das dazugehörige Internetportal weltweit ausgebaut, auch Mario Eimuth, mit seinem Online-Store Stylebop unter Europas führenden Anbietern, operiert von München aus.

Dazu das junge Team von "Pool" und ein Traditionsbetrieb wie Loden Frey, das edle Fachgeschäft für Herrenbekleidung oder handgenähte Schuhe, das Warenhaus am Rathauseck - erfolgreiche Modemenschen in München sind oft gute Geschäftsleute.

Kaufkraft ist schließlich vorhanden, ob einheimisch, aus den arabischen Staaten oder Russland. Wer Münchens Modeangebot, gewissermaßen die ganze Stil-Richtung der Stadt zu wenig experimentell findet, zu glamourlastig - die Kunden bestimmen eben das Angebot. Ein Klein-Antwerpen mit Überraschungen, die frischen Newcomer-Labels dicht gedrängt in den Auslagen, wird aus den Vierteln der Innenstadt nicht mehr werden.

Kollektiv-Modenschau "DeMo 13": Die Studenten und Absolventen der Deutschen Meisterschule für Mode führen ihre Arbeiten vor. (Foto: Robert Haas)

Trotzdem ist das nur die eine Seite, und wenn in München für Neulinge der Szene ein schneller Aufstieg mit eigenem Laden nicht so leicht funktioniert wie anderswo - wobei darauf ja oft das ebenso schnelle Verschwinden folgt -, dann bezeichnen das manche etwas kaltschnäuzig als heilsame Ernüchterung. Selbständigkeit im Fashionsektor ist ein hartes Brot, da kann ein frühes Entzaubern nicht schaden, das lernen die künftigen Designer schon in der Ausbildung. München besitzt drei renommierte Modeschulen und ist ein Zentrum der Lehre von der Mode.

Die Leiterinnen und Leiter der Institute sitzen nicht nur auf Verwaltungsposten und verfolgen mit Stolz die Karrieren ihrer ehemaligen Studenten, sondern sind Macher im eigentlichen Sinne: Kontakte herstellen, Praktika vermitteln, erste Jobs einfädeln - auch dafür stehen Irene Schoppmeier (Deutsche Meisterschule für Mode), Dorothea Beisser (Esmod) und Ekkehard Baumgartner (Akademie für Mode und Design) mit ihren jeweiligen Schwerpunkten, ob es Entwurf ist oder Modejournalismus. Wer in diesem Business nicht vernetzt ist, kann ein neuer Alexander McQueen sein - wenn's keiner weiß, bleibt er ein einsames Genie an der Nähmaschine und hat den Beruf verfehlt.

Eine junge, amitionierte Szene

Gerade aus den Absolventen aller drei Schulen hat sich in München eine jüngere Szene herausgebildet, in der ambitionierte Designer zeigen, was sie können. Nicht nur Mrs. Beckham muss beweisen, dass sie mehr zustande bringt als ein paar nette Kleider - Erfolg in der Mode hat viel mit Kontinuität zu tun und nicht mit dem einmaligen Ideenfeuerwerk, auch wenn es verführerisch ist, das zu glauben.

Ayzit Bostan zum Beispiel, die ihr Label Mitte der neunziger Jahre gründete, hat mit ihren minimalistischen Entwürfen von Anfang an eine eigene Handschrift gepflegt - und bildet so ziemlich das Gegenteil von Marcel Ostertag, der seit einigen Saisons auf der Fashionweek in der Hauptstadt von sich reden macht mit opulenten, körperbetonten Kollektionen. "Det is' München", sagen die Berliner zu solchen Darbietungen.

Natascha Muellerschoen gehört zur Münchner Modeszene. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Für das junge München stehen aber auch die puristische Herrenmarke Hannibal oder die Accessoires von "Fummel und Kram". Angelika Paschbeck, die in ihrem Atelier im Westend skurril bestickte Tücher entwirft und in Läden bis nach Saudi-Arabien verkauft, betont in Interviews gerne, dass sie bei aller kreativen Kraft quirliger Metropolen wie London oder Berlin die Aufgeräumtheit, das Überschaubare in München schätze. Die Branche sei exzentrisch genug, hier komme man zur Ruhe - das ist immer wieder zu hören.

Außerdem hat Christiane Arp, die als stets diskret auftretende Chefredakteurin der Vogue einer der einflussreichsten Modemenschen Münchens ist, mit ihrem "Vogue Salon" ja die interessanten Namen der Berliner Schauen in den Süden geholt. Dass sie Loden Frey als Ort der Präsentation wählte, ein verlässliches Traditionshaus, passt ganz gut zum modischen Geschehen in der Stadt. Wobei man nur in einem kulturgeschichtlichen Bildband blättern muss um zu sehen, wie innovativ es früher zuging in den Couture-Ateliers von Ponater oder Heinz Schulze-Varell, in der "ausgeflippten" - so hieß das damals - Schwabinger Boutique Sweetheart.

Beständigkeit, das gilt aber auch für lokale Größen wie Gabriele Blachnik und Susanne Wiebe als Hofschneiderinnen der örtlichen Society - und für die wohlbekannte Riege der Marken mit internationaler Geltung. Escada mit dem Chefdesigner Daniel Wingate als Spezialist für Abendroben, Bogner als aufgeglitzertes Sportlabel, Rena Lange mit der charakteristischen Couture-Linie, deren Zukunft nach dem Verkauf an einen österreichischen Investor abzuwarten bleibt.

Designerin Gabriele Blachnik (Mitte) mit den Schauspielerinnen Michaela May (l.) und Uschi Glas. (Foto: lok)

Der Kir-Royal-Touch

Für die Szene ungewohnt zurückhaltend tritt Natascha Muellerschoen auf, die kein Bohei macht, wenn eines ihrer Kleider mal wieder in der Bunten war. Johnny Talbot und Adrian Runhof können die Fotos längst nicht mehr zählen. Das Duo aus der Klenzestraße hat eine imposante Erfolgsstory vorzuweisen, von dem kleinen Independent-Label mit dem schönen Namen "All about Eve" zur Luxusmarke mit Hollywood-Kundschaft und Schauen in Paris, wo sie ihre Gefühl für raffinierte Schnitte in Szene setzten.

Dabei sind die beiden Designer sympathisch bodenständig geblieben, man kennt sie als nette Geschäftsnachbarn im Gärtnerplatzviertel, die zum Mittagessen in ihrem Lieblingslokal vorbeischauen. Dass eine gewisse Maria Furtwängler seinerzeit Gefallen an ihren frühen Entwürfen fand, worauf schrittweise der Siegeszug über die roten Teppiche folgte, gibt der Geschichte dann doch den typischen Münchner Kir-Royal-Touch.

Kontrapunkt dazu: Einer der innovativsten Designer der Berliner Fashionweek ist gerade Patrick Mohr, der sein Publikum mit provokanten Inszenierungen und Behinderten als Models herausfordert. Seine Aftershow-Partys sind legendär, meistens sorgt DJ Hell für die musikalische Untermalung. Ein Radikaler an der Spree - aus München.

© SZ vom 15.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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