Die Polizei warnt:Achtung, Enkel am Telefon

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Betrüger haben es auf das Geld von Senioren abgesehen und geben sich als hilfsbedürftige Familienmitglieder aus

Von Martin Bernstein

Kurz vor Weihnachten hat die Münchner Polizei schlechte Nachrichten für die etwa 350 000 Senioren in Stadt und Landkreis: Die Enkel sind wieder da. Nicht vor den echten Enkeln oder auch Nichten, Neffen und Kindern wird freilich gewarnt - die sind ja, meistens zumindest, Grund zur Freude. Die Besorgnis der Polizei gilt einer besonders fiesen Trickbetrugsmasche, die oft mit einem ganz harmlosen Satz am Telefon beginnt: "Rate mal, wer dran ist ..." Am Ende sind die Ersparnisse weg, weil der Anrufer sich als lange nicht gesehener und gehörter Angehöriger ausgegeben hat, dem man selbstverständlich aus der Patsche hilft. Auch mit großen Summen. 50 000 Euro hat eine Frau aus Grünwald so in den vergangenen Tagen verloren. Dabei hatten die Experten im Polizeipräsidium schon gehofft, dass die Enkeltrickbetrüger nach einem großen Fahndungserfolg vor genau drei Jahren einen großen Bogen um München machen.

Damals war eine deutsch-polnische Familienbande aufgeflogen, Polizisten schlugen gleichzeitig in München, Breslau, Posen und Danzig zu. Es gab Festnahmen, reihenweise Gerichtsverfahren, auch gegen hochrangige Vertreter der verwandtschaftlich verbundenen Enkeltrick-Mafia. Seither mieden die Betrüger Nummern mit der Vorwahl 089. Das belegen die Zahlen: 2015 registrierte die Münchner Polizei noch 830 Versuche, in 20 Fällen kamen die Täter zum Ziel und erbeuteten dabei 620 000 Euro. Im Jahr nach der internationalen Polizeiaktion brach das "Geschäft" der Abzocker in München regelrecht ein: 89 Versuche, von denen lediglich einer zum Ziel führte. 2017 gab es sogar nur noch 23 Versuche - 22 davon scheiterten.

Die Ermittlungsgruppe "Enkeltrick" bei der Münchner Kriminalpolizei konnte daraufhin ihren Namen ändern - "Phänomene" heißt sie jetzt. Denn den von polnischen Callcentern aus agierenden falschen Enkeln folgten die aus der Türkei operierenden falschen Polizeibeamten. Was die Sache für die Ermittler nicht leichter machte, im Gegenteil. Die politischen Spannungen ließen grenzübergreifende Polizeiarbeit lange Zeit nicht zu. 4,3 Millionen Euro erbeuteten falsche Polizisten im vergangenen Jahr allein in München. Erst im Sommer hob die türkische Polizei dann mit Unterstützung durch zwei Münchner Fahnder erstmals eine Bande in Antalya aus.

Jetzt sieht es so aus, als sei der so genannte Enkeltrick als Betrugsmasche zurück in München. 30. November: Eine betagte Grünwalderin erhält einen Anruf ihres angeblich im Ausland lebenden Sohnes. Er behauptet, Geld für eine Auktion zu brauchen. Eine Bote holt Schmuck und Bargeld ab. Ähnliche Anrufe gehen am Mittwoch bei zwei älteren Frauen und einem Mann in Aschheim und Baierbrunn ein. Mal ist es ein vermeintlicher Enkel, der 60 000 Euro für eine Immobilie haben will, mal der "Sohn". Im dritten Fall ist der Anrufer angeblich in einen Verkehrsunfall verwickelt - doch wer er überhaupt sein soll und wie viel Geld er möchte, dazu kommt der Anrufer nicht mehr. Die bedrängte Aschheimerin tut das einzig Richtige: Sie knallt den Hörer auf und ruft die Polizei. Drei weitere Versuche kennt die Polizei aus der vergangenen Woche. Woher die "Enkel" der neuen Betrugswelle anrufen, ist noch offen. Das Kreisverwaltungsreferat hat mit einer Aktion jedenfalls den richtigen Riecher bewiesen. 185 000 Münchner Senioren über 70 bekamen in den vergangenen drei Wochen Post. Der Brief warnt vor Verbrechern - auch vorm Enkeltrick.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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