Den Landtag als Ziel (1):Zwischen Paris Hilton und Franz Maget

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Markus Rinderspacher lebt in zwei Welten, die sich für gewöhnlich nicht vermischen. Er ist Boulevardjournalist und kämpft für die SPD bei der Landtagswahl.

Lara Doktor

Noch gut sechs Wochen bis zu den Bayerischen Landtagswahlen. In einer Serie porträtiert sueddeutsche.de nicht die aussichtsreichsten Kandidaten, sondern die, die ein gewisses Etwas haben.

Markus Rinderspacher ist Journalist und Politik-Neuling. (Foto: Foto: Lara Doktor)

Vor einer Woche ist das Arbeitstier Markus Rinderspacher lahmgelegt worden. Beim Betriebsfußballspiel seines Arbeitgebers ProSieben gegen die Mannschaft von Sat1 erzielte der 39-Jährige erst den 2:2 Ausgleich, doch dann riss er sich die Achillessehne. "Ohne gegnerische Fremdeinwirkung, buchstäblich mit dem Schlusspfiff", wie der Hobbyfußballer sagt. Über den ganzen Platz habe man den peitschenden Knall der Achillessehne gehört.

Nach der Operation muss er nun ein paar Tage zuhause bleiben. Möglichst bald will er sich aber wieder in den Trubel stürzen: in die Arbeit als Redaktionsleiter der Pro-Sieben-Boulevard-Sendung "Taff" und in den Wahlkampf. Denn Rinderspacher bewirbt sich als SPD-Kandidat des Münchener Ostens für den Bayerischen Landtag. Rinderspacher ist Journalist und Politiker - eine Kombination, die ungewöhnlich ist.

Rinderspacher sitzt im Biergarten Hirschgarten. Es ist ein schöner Abend, die Luft ist lau. Der Journalist hat sein Handy auf den Tisch gelegt, daneben sein rot-weißes SPD-Schlüsselband. Das Tonband läuft mit. "Ist ja ganz ungewohnt, mal auf der anderen Seite zu sein", sagt Rinderspacher.

Der SPD-Politiker hat einen Dreitagebart, trägt eine Brille und ein rosa-weiß kariertes Tommy-Hilfiger-Hemd, die Ärmel hat er hochgekrempelt. Er kommt ursprünglich aus Kaiserslautern, wohnt aber schon seit fast zwanzig Jahren in München. "München bietet alles, was ein Mensch begehrt", sagt er und nimmt einen Schluck aus seiner Maß. Nach der Banklehre folgte ein Politikstudium und ein Diplom als Medienmarketing-Fachwirt.

Jeden Morgen um 7.30 Uhr beginnt sein Arbeitsalltag beim Fernsehen und endet um 18 Uhr. Danach kommt die politische Arbeit: Info-Verantstaltungen, Podiumsdiskussionen oder "harte Wahlkampfarbeit". Damit meint er Flyer verteilen, von Haus zu Haus gehen und mit den Leuten sprechen. "Mein Tag bräuchte zur Zeit 36 Stunden", sagt er, lacht aber dabei. Seine zweite Arbeit als Politiker bezeichnet Rinderspacher als neues intensives "Hobby". Rinderspacher wirkt authentisch, er nimmt sich Pausen, wenn er nicht sofort eine Antwort weiß. Er ist eloquent, möchte nicht abgehoben wirken.

Seine Frau und sein vierjähriger Sohn, sind nicht begeistert, dass er durch die Doppelbelastung wenig Zeit hat. Aber sie hoffen, dass es besser wird, wenn die Wahl vorbei ist. "Meine Frau weiß einfach, dass mir die SPD am Herzen liegt", sagt er, "sie hat Verständnis." Rinderspacher zählt detailliert das Programm eines ganz normalen Samstags auf, der wieder unter dem Stern den Wahlkampfes stand. Als anstrengend oder ermüdend empfindet er es aber nicht. "Das ist unheimlich spannend", sagt er mit überzeugter Stimme. Wenn von seiner politischen Arbeit die Rede ist, wird seine Stimmer fester, er redet schneller.

Er habe Spaß daran, mit vielen verschiedenen Menschen zu tun zu haben, mit Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft, mit verschiedenen Hintergründen. Denn dieser Kontakt geht ihm als Redakteur manchmal ab. "Ich bin begeisterter Boulevard-Journalist", sagt er. Gleichzeitig räumt er aber ein: "Figuren wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan sind doch sehr artifiziell."

Rinderspacher sieht in der Politik sowie auch in den Medien den Trend zu einer Boulevardisierung. "Politiker müssen heutzutage mit den Medien umgehen können", findet er. Seine Arbeit sieht er als Vorteil, Angst, dass Wähler oder andere Politiker ihn, den Boulevardjournalisten, nicht ernst nehmen, hat er nicht. Er ist davon überzeugt, dass er durch sein Politikstudium und seine Lehre einen soliden Hintergrund hat. Und als Journalist habe er es gelernt, komplexe Sachverhalte verständlich rüberzubringen.

Für seinen Wahlkreis Münchner Osten hat er vor, neue Kindergärten zu bauen und besonders für ältere Menschen erschwingliche Wohnräume zu schaffen. Er setzt sich für Bildung ein, konkret für Ganztagsschulen, kleinere Klassen und für eine höhere Quote von Abiturabsolventen. Er sieht in der Bildung den Schlüssel zu vielen anderen Themen und auch zur Bekämpfung von Jugendkriminalität.

Seine Wahlkampfthemen hat Rinderspacher immer parat. Dass die Wähler nicht immer leicht zu erreichen sind, macht ihm mehr zu schaffen. Das hatte sich Markus Rinderspacher vor dem Wahlkampf einfacher vorgestellt. Frustrierend empfindet er die Politikverdrossenheit der Bürger. "Manchmal wird man als Politiker pauschal für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht, das ist ungerecht", findet Rinderspacher. "Die Politik ist besser als ihr Ruf."

Erschrocken ist er manchmal über so wenig Wissen über die Politik in der Bevölkerung. Da muss mehr in Schulen gemacht werden, meint Rinderspacher. Die Parteien sind oft nicht attraktiv für junge Menschen, der Altersdurchschnitt der Parteimitglieder sehr hoch. Das will der SPD-Kandidat ändern: "Ich will Menschen für Politik begeistern!"

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