Demos für und gegen Israel:Zwei Ansichten eines Krieges

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Bei den Demonstrationen am Wochenende blieb es weitgehend friedlich - bis auf Eierwürfe gegen eine jüdische Mahnwache.

J. Osel und S. Lankhorst

"Kindermörder Israel" - "Hamas nimmt Kinder als lebende Schutzschilde". Zwei Plakate, zwei Demonstrationen, zwei grundverschiedene Ansichten. Am Samstagnachmittag demonstrieren in der Innenstadt 2500 Palästinenser und Israel-Gegner, am Sonntagmittag kommen etwa 1100 Teilnehmern zu einer Solidaritätskundgebung für Israel auf den Marienplatz. Für die Polizei heißt das: Großeinsatz folgt auf Großeinsatz.

Demonstration für Israel: Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, forderte am Sonntag mehr Verständnis für Israel. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Es ist an diesem Samstag bereits die dritte derartige Veranstaltung der Palästinenser in München seit Ausbruch des jüngsten Krieges. Unter den 2500 Teilnehmern sind diesmal deutlich mehr Deutsche als bisher: Pazifisten, Linke, Autonome. Zwischen Palästinenserflaggen und Transparenten tauchen auch Fahnen der Linkspartei und sogar der fast ausgestorbenen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) auf.

Zwar hat die Polizei laut Einsatzbericht keine Rechtsextremisten festgestellt, die sich unter die Demonstranten gemischt hätten, doch einer der Veranstalter warnt die Menge: "Es sind Leute hier, die ihr braunes stinkendes Süppchen auf dem Anliegen der Palästinenser kochen." Pfeifkonzerte folgen, die Masse antwortet mit "Nazis raus"-Rufen.

Zwischenfall am Platz der Opfer des Nationalsozialismus

Die Stimmung ist sehr aufgeladen, trotzdem bleibt es friedlich. "Abscheuliches Israel" steht auf einem Transparent mit Fotos toter Kinder, kämpferische Ansprachen gibt es. Die Demonstranten skandieren: "Merkel, Merkel, Augen auf, unsere Kinder gehen drauf." Mohamed Saleh von den "Freunden des Libanon" geht in seiner Rede sogar noch einen Schritt weiter: "Die deutschen Politiker haben Angst, sie sind automatisch pro Israel." Man glaube, Israel nicht kritisieren zu dürfen - laut Saleh eine "Staatsräson, die Kriegsverbrecher schützt".

Zu einem Zwischenfall kommt es schließlich, als die Demonstranten zur Schlusskundgebung Richtung Marienplatz ziehen. Am Platz der Opfer des Nationalsozialismus treffen sie auf eine jüdische Mahnwache mit acht Personen. Plötzlich klinken sich einige Palästinenser aus dem Zug aus und versuchen, die Mahnwache mit Eiern zu bewerfen. Auch ein Handy fliegt, trifft aber niemanden. Die Polizisten bauen Sperrgitter auf, schirmen die Mahnwache ab und schieben die Palästinenser zurück.

Auch am Sonntag ist die Polizei massiv im Einsatz, als auf dem Marienplatz mehr als 1100 Menschen zur Solidaritätskundgebung für Israel kommen. Es ist eine der großen Demonstrationen in Deutschland an diesem Wochenende, die um Verständnis für die israelische Politik werben wollen.

"Beide müssen aufhören mit den Raketen"

Marie (22) hat selbst längere Zeit in Israel gelebt und musste sich mehrmals vor Raketenangriffen in Sicherheit bringen. Sie sagt: "Ich habe mitbekommen, was es bedeutet, ständig um sein Leben fürchten zu müssen. Wenn in München tagein, tagaus Bomben fallen würden, würden sich die Menschen doch auch wehren." Am Rande der Demonstration diskutiert der 21-jährige Palästinenser Imad mit Teilnehmern: "Natürlich bin ich gegen Israels Politik", sagt der Student. "Aber beide, Palästina und Israel, müssen aufhören mit den Raketen. Wir wollen nur Frieden."

Größere Vorfälle gibt es nicht. Lediglich mit einer Gruppe rund um einen jungen Jordanier, der eine Palästina-Fahne ausrollen will, haben es die Beamten zu tun. Die Störenfriede empören sich lautstark, räumen dann aber ohne Gegenwehr das Feld. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, fordert mehr Verständnis für Israel: "Wir sind wütend, weil die Staatengemeinschaft nicht verstehen will, dass sich Israel verteidigen muss." Seit acht Jahren zerstöre die Hamas Leben, Eigentum und "den Traum von einem friedlichen Zusammenleben".

Entsetzt über "antisemitische Allianz"

Zu den zivilen Opfern der Militäroffensive meint Knobloch: "Die Hamas hasst Israel mehr, als sie ihre eigenen Kinder liebt. Sie missbraucht ihr eigen Fleisch und Blut als lebendige Schutzschilde." Entsetzt zeigt sie sich über eine "antisemitische Allianz": Auch hier in München machten radikale Palästinenser und Neonazis gemeinsame Sache. Auf der Veranstaltung vom Samstag hätten, so Knobloch, Deutsch-Palästinenser "unverhohlen zugegeben, bei den nächsten Wahlen NPD zu wählen".

Bereits am Freitagabend hatte eine kleine Schar von Rechtsextremisten auf dem Marienplatz gegen den Gaza-Krieg protestiert. Eine größeres Polizeiaufgebot trennte sie von den etwa 100 Gegendemonstranten, darunter vielen Palästinensern, die sich wenig erfreut über die Anteilnahme von rechts zeigten und dagegen protestierten. Ansonsten blieb es ruhig, und die Polizei verlegte eilig einen Einsatzzug: Etwa 40 Hooligans waren auf dem Weg zu einem Eishockeyspiel, mit teils nacktem Oberkörper streiften sie pöbelnd durch die Fußgängerzone und bewarfen Passanten mit Feuerwerkskörpern. Es war der größte Zwischenfall dieses Wochenendes.

© SZ vom 12.01.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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