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Zum überraschenden Erfolg der digitalen Bücherschau

Kolumne von Antje Weber

Keine Frage könnte besser passen. "Machten die Helden nicht in jedem Märchen ein paar Umwege?", liest Moderator Niels Beintker am Bildschirm aus Cornelia Funkes neuem "Reckless"-Band vor, während die Bestsellerautorin in ihrem weit entfernten Wohnzimmer sitzt und lächelt. Sie glaube an die krummen Wege, sagt Funke dann bei dieser "Weblounge" der Münchner Bücherschau. In ihrem Leben habe sich immer wieder viel verändert und im Nachhinein Sinn ergeben: "Ich bin ein großer Fan der Umwege."

Ob Fans oder nicht - Umwege müssen in diesem Jahr alle machen, und nicht jeder kann dafür einen Heldenstatus beanspruchen. Die Veranstalter der 61. Münchner Bücherschau allerdings werden sich in diesen Tagen doch ein bisschen wie im Märchen fühlen: Sie haben ungewohnte Wege eingeschlagen, um erst eine hybride und dann in letzter Lockdown-Konsequenz nur noch digitale Bücherschau zu organisieren. Der Erfolg ihrer Anstrengungen war völlig ungewiss. Und nun eine Pressemitteilung wie diese: Man gehe in die Verlängerung bis zum 6. Dezember, teilte der bayerische Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels diese Woche mit. Der "enorme Kraftakt" sei gelungen, so Geschäftsführer Klaus Beckschulte. Der Zuspruch sei "richtig gut", so der Vorsitzende Michael Then, man freue sich über die "hohen Klickzahlen im sechsstelligen Bereich", eine "lange Verweildauer". Ein Drittel der Besucher kommen mehrmals; sie stöbern in virtuellen Verlagsregalen, füllen gern Merkzettel aus, machen beim Gewinnspiel mit, ergänzt Then. Und bei den Lesungen erreiche man "deutlich mehr Menschen", als in große Säle passen.

Dass man auf Nummer sicher setzte und überwiegend Bestsellerautoren aufbot - geschenkt. Es ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass die Bücherschau in diesen stream-gefluteten Zeiten ein breites Publikum aus Kindern und Erwachsenen vor den Bildschirm bringt - und damit letztlich zum Buch. Und auch wenn bei den Lesungen das Live-Erlebnis natürlich schmerzlich fehlt - es kommt doch manch witziger Mehrwert für die Fans heraus. Alice Schwarzer gibt zu, in Pantoffeln vor dem Computer zu sitzen, während Ken Follett in Anzug mit Krawatte und Einstecktuch von seinen Recherchen erzählt. Aus Cornelia Funkes Wohnzimmer wiederum kennt die Welt nun ein pastellfarbenes Sofa - und weiß, dass ihrer Frage nach den Umwegen der Märchen-Helden eine weitere Frage folgt: "Waren sie nicht oft ahnungslose Narren, die Taten vollbrachten, für die sie sich später schämten?" Die Antwort lautet im Fall der Bücherschau ganz klar: Nein! Denn die Veranstalter können mit dem Erfolg ihrer wohldurchdachten, aufwendig umgesetzten Strategie sehr zufrieden sein, und die User, ach was: Leser mit ihnen. Das ist schön

© SZ vom 28.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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