Damals in der Zeitung:2. Januar 1918

Trotz des Krieges genossen die Münchner den Jahresanfang. Friedensgespräche bestimmen die Schlagzeilen - und ein Appell

Wie erleben die Münchner den Anfang des Schicksalsjahrs? Die Münchner Neuesten Nachrichten, die Vorgängerzeitung der Süddeutschen Zeitung, geben in ihrer ersten Ausgabe am Morgen des 2. Januar ein ziemlich genaues Bild. Die Neujahrsnacht war kalt und neblig gewesen: minus zehn Grad in der Stadt, bis zu minus 15 Grad im Isartal. Trotz des Wetters genießen die Münchner den Feiertag. Die Züge Richtung Isartal sind voll von "Wintersporttreibenden", "auch der Tierpark Hellabrunn hatte regen Besuch, Cafés, Kinos, Theater sahen volle Häuser", schreibt die Zeitung. Im Lichtspiel am Sendlinger Tor läuft der aufwendig inszenierte Stummfilm "Dornröschen" von Paul Leni, "das beste, was bisher in der Filmkunst erzeugt wurde", wie es in einer Anzeige heißt. Kathi Kobus nutzt eine solche, um allen Gäste ihrer Künstlerkneipe "Simplicissimus" "herzlichste Glückwünsche zum Jahreswechsel" auszurichten. Das Königspaar nimmt ebensolche massenweise nach einem Gottesdienst in der Allerheiligenhofkirche entgegen. Und der Krieg? Der bestimmt die Titelseite - und die Todesanzeigen der Abendausgabe. Dort wird etwa Walter Mätzig gedacht, Schüler einer bayerischen Fliegerschule, der an Silvester bei einem Absturz sein Leben ließ. Die Schlagzeile der MNN widmet sich dem "Friedensruf von Brest-Litowsk" - und der Hoffnung, Frankreich und England könnten sich den Friedensgesprächen anschließen, zu denen die russischen Bolschewiki aufgerufen haben. Am Rande findet sich auf der Titelseite aber auch dieser Appell Kaiser Wilhelms II.: "mit stählernem Willen" in das neue Jahr zu gehen.

© SZ vom 02.01.2018 / kc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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