Zwischen Tradition und Moderne:Schaumkrone am See

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Das Karlsfelder Siedlerfest hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der erfolgreichsten Volksfeste des Freistaates gemausert. Das Geheimnis des Aufschwungs: ein kreatives Programm und mutige Organisatoren

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

"Süffig", sagt er genießerisch. Langsam setzt Werbefachmann Philipp Paulus den Maßkrug ab und wischt die Schaumkrone weg. "Das Bier schmeckt noch frischer als voriges Jahr." Dabei schwört der Verkaufsleiter der Paulaner Brauerei Harry Stadlmayer, dass es keine Qualitätsunterschiede gibt. Dennoch lädt die Siedlervereinigung Karlsfeld Nord jedes Jahr zu einer exklusiven Bierprobe. Dieses Jahr findet das Spektakel in der Knödel Alm am Ostbahnhof in München statt. Bei dem Ambiente kommt man gleich in Stimmung. Alle schwitzen in Drindl und Lederhosen bei knapp 30 Grad im Schatten. Doch Bürgermeister Stefan Kolbe meistert seine Generalprobe mit Bravour: Zwei Schläge, der Schaum spritzt und das Bier fließt. Morgens um 10.30 Uhr. "Ich will ja nächstes Jahr wieder Bürgermeister werden", witzelt er. Die Brotzeit steht bereit.

Seit fünf Jahren wird auf dem Karlsfelder Siedlerfest "Münchner Urtyp" aus dem Großfass ausgeschenkt. "Wiesnbier wäre zu stark bei der Sommerhitze", erklärt Stadlmayer. Das Export hat aber auch 5,5 Prozent Alkohol. Bei den Karlsfeldern kommt es trotz Hitze gut an. Die Umsatzzahlen steigen. Entgegen den landläufigen Trend werde in Karlsfeld jedes Jahr etwa sechs Prozent mehr Bier auf dem Siedlerfest getrunken, sagt Stadlmayer. 35 000 Mass waren es 2018. Die Erwartungen für heuer sind groß, die Brauerei gibt sich sehr zufrieden. Denn: Das Siedlerfest hat sich zu einem der erfolgreichsten Volksfeste in Bayern gemausert. "Kein anderes liegt so schön am See", schwärmt der Paulaner-Verkaufsleiter. Doch das ist nicht das Geheimnis des Erfolgs. Die Zahlen sahen schon einmal anders aus. Vor fünf, sechs Jahren drohte die Begeisterung für das traditionsreiche Fest einzuschlafen. Immer weniger Karlsfelder lockten Zelt und Fahrgeschäfte. Werbefachmann Paulus und der neue Festwirt Peter Brandl schafften die Trendwende.

Spritzig: Stefan Kolbe braucht nur zwei Schläge zum Anzapfen. "Ich will ja nächstes Jahr wieder Bürgermeister werden", sagt er. (Foto: Florian Peljak)

"Der Erfolg liegt in der Kreativität", sagt Stadlmayer. "Früher gab es wenig Neues, außer dem Bierpreis. Heute gibt es ein Programm." So lockt Brandl die Leute bereits mit einem "Vorabendprogramm" am Donnerstag, 4. Juli, auf den Festplatz. Schon im vergangenen Jahr waren die Brettl Spitzen ein Publikumsmagnet. Sie bieten deftig, komisches Kabarett, vor allem von der Couplet AG. Fast 600 Karten sind bereits verkauft, sagt Festreferentin Christa Berger-Stögbauer. Wer ebenfalls dabei sein will, kann im Rathaus noch Karten für 20 Euro bekommen oder bei München Ticket. An der Abendkasse kostet der Eintritt 22 Euro. Beginn ist um 20 Uhr.

Ganz traditionell geht es am Freitag, 5. Juli, mit der offiziellen "Bierprobe" weiter. Von 17 Uhr an wird gezapft. Die Maß kostet an dem Abend nur 5,90 Euro, für viele eine günstige Gelegenheit. Doch selbst an diesem Abend soll sich nicht alles nur um die beste Schaumkrone drehen. Brandl hat erstmals für jeden Tag eine Wiesnband organisiert, die die Festzeltbesucher ordentlich in Stimmung bringen soll. Am ersten Freitag wird es die "Högl Fun Band" sein. Absolutes Highlight ist der Dienstagabend (9. Juli), so der Festwirt. Mickie Krause will dann nämlich von 19 Uhr an ein bisschen Mallorca-Feeling nach Karlsfeld bringen: Ballermann am Baggersee. Der Partyspaß kostet zwar keinen Eintritt, aber man sollte sich vorher für 15,50 Euro Hendl und Bier reservieren. Der Grund: Brandl will abschätzen können, wie viele kommen.

"Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass das Siedlerfest gelingt", sagt Brandl. Heuer ist er zum dritten Mal der Festwirt. Er weiß, wie man ein Bierzelt zum Kochen bringt. In ganz Deutschland war er bereits auf Volksfesten involviert, zum Teil weitaus größere als das Siedlerfest. "Aber in Karlsfeld ist mein Betriebssitz", sagt der Gastronom, der bereits in der vierten Generation den Betrieb leitet.

Ein weiteres neues Highlight ist die "School's out Party" am Montag, 8. Juli mit der Band "Rock Station" und einer Gaudi-Volksfest-Olympiade, bei der Masskrugstemmen und Hau-den-Lukas wichtige Disziplinen sind. Beginn: 17 Uhr. Schüler die sich vorher online anmelden, bekommen eine Mass alkoholfreies Getränk, eine Portion Pommes und einen Chip für ein Fahrgeschäft für 7,90 Euro. Der Nachwuchs soll schließlich auch Feuer fangen.

Ein großes Spektakel wird wohl auch das Fischerstechen. Bürgermeister Stefan Kolbe hat heuer den Vorsitzenden des Karlsfelder Burschenvereins Christian Sedlmair herausgefordert. "Er ist größer, etwa 20 Kilo schwerer und von sehr guter Standkraft", beschreibt Kolbe seinen Gegner. Von 14 Uhr an können die Zuschauer sehen, wer zuerst ins Wasser fällt.

Das Siedlerfest lebt auch von Tradition und so steht am Samstag, 6. Juli, zunächst der Festzug durch den Ort auf dem Programm. Start ist um 13 Uhr. Bieranstich um 14.30 Uhr. Es gibt wie immer den Familientag, 10. Juli, den Seniorentag, 9. Juli, und den Abend der Vereine (11. Juli). Auch das spektakuläre Feuerwerk, das den See in ein Meer aus bunten Farbtupfern taucht, wird nicht fehlen (12. Juli). Das Finale bestreiten die "Blechblosn" am Sonntag, 14. Juli, von 18 Uhr an.

Festreferentin Christa Berger-Stögbauer (links) stößt mit Manfred Lindinger von der Paulaner Brauerei und dem Vorstand der Siedlergemeinschaft Karlsfeld Nord auf das Gelingen des diesjährigen Siedlerfests an. (Foto: Florian Peljak)

Doch nicht nur das Programm hält Neuheiten bereit, die Siedlervereinigung Karlsfeld Nord investiert heuer auch einiges. So wird ein neues Tor an der Hochstraße aufgestellt und 30 neue Fahnenmasten angeschafft. Die alten sind nach 50 Jahren verwittert. Außerdem war eine neue Soundanlage nötig. Mehr als 24 000 Euro muss Kassier Rainer Sackmann dafür locker machen. Das sind aber nicht die einzigen Ausgaben, der Festzug allein verschlingt laut Berger-Stögbauer 15 000 Euro. Das ist die Schattenseite für den Verein, der das Spektakel ausrichtet. Abgesehen von den zahlreichen ehrenamtlichen Stunden, in denen vor allem der Vorstand das Event plant. Aber man ist auch stolz darauf, einer der wenigen Vereine zu sein, die jedes Jahr eine so große Veranstaltung stemmen. Die Gemeinde Karlsfeld schmückt sich ebenfalls gerne damit. Doch die tatkräftige Unterstützung kurz vor dem Start, wenn es gilt, den Festplatz zu schmücken, kommt von den Vereinsmitgliedern, nicht vom Bauhof.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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