Zwei Dutzend Künstler zeigen ihre Werke:Das Vermächtnis

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In der neuen Ausstellung von Kunst aus Zimbabwe in ihrem Depot in Niederroth geht Kristin Diehl der Frage nach den Ursprüngen heutiger moderner Kunst in dem afrikanischen Land nach und findet die Antwort bei Nicholas Mukomberanwa

Von Renate Zauscher, Niederroth

Afrikanische Kunst? Kaum jemand hierzulande, der nicht zunächst an Gebrauchskunst oder rituelle Kultgegenstände aus Afrika denkt. Sehr viel weniger bekannt ist, dass sich in Zimbabwe, dem ehemaligen Rhodesien, seit Mitte des letzten Jahrhunderts eine Kunstszene entwickelt hat, die ihresgleichen in ganz Afrika und auch dem Westen sucht: die der zimbabwischen Steinskulptur. Eine wichtige Vermittlerrolle zwischen zimbabwischen Künstlern und deutschen Kunstkennern und- sammlern spielt seit ungefähr 25 Jahren Kristin Diehl. In ihrer Galerie ConARTz, einem Art Depot, in Niederroth sind derzeit wieder die Arbeiten von rund zwei Dutzend Künstlern des afrikanischen Landes zu sehen.

Als Vermittlerin zwischen zeitgenössischer Kunst aus Zimbabwe und Europa führt Kristin Diehl das fort, was der gebürtige Brite Frank McEwen und der afrikanische Tabakfarmer Tom Blomefield vor rund 60 Jahren begonnen hatten: Sie erkannten das hohe künstlerische Potenzial vieler autodidaktisch arbeitender Menschen im Land, boten ihnen ein Ausstellungsforum und machten einige von ihnen durch Kontakte zur europäischen Kunstszene weit über die Grenzen des damaligen Rhodesiens hinaus bekannt. Heute stehen Arbeiten etwa von Henry Munyaradzi, Bernard Matemera oder Nicholas Mukomberanwa in internationalen Sammlungen und Museen. Der 2002 verstorbene Mukomberanwa war einer der wichtigsten Impulsgeber der ersten Generation; renommierte Kritiker sehen ihn in der Nähe von Henry Moore.

Nicholas Mukomberanwas Werk "Listening to the Spirit". (Foto: Toni Heigl)

Die diesjährige Ausstellung in Niederroth, die Kristin Diehl gemeinsam mit dem Bildhauer Itai Nyamadzawo präsentiert, hat sie unter das Motto "Väter und Söhne" gestellt. So sind Arbeiten von Nicholas Mukomberanwa ebenso zu sehen wie solche seiner Söhne Anderson und Taguma. Während die Künstler der ersten Generation noch überwiegend gegenständlich gearbeitet haben, finden die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen, unter ihnen auch Frauen, mehr und mehr zur Abstraktion.

Das ist besonders gut an den Arbeiten von Itai Nyamadzawo zu sehen. In den Plastiken von Mukomberanwa ist stark noch das Fortwirken traditioneller Ideen und Mythen zu spüren, etwa die Vorstellung von der Gegenwart des "Spirit", des zu jedem individuellen Menschen gehörenden Geistwesens oder die eines persönlichen Totemtiers. Es sind Konzepte, aus denen heraus auch Darstellungen von menschlich-tierischen Mischwesen zu verstehen sind.

Bei Künstlern wie Itai Nyamadzawo hat sich das geändert: Für ihn ist der Gedanke des Sich-Öffnens nach außen wichtig, den er in seinen Bildwerken sichtbar umsetzt. Gleichzeitig aber teilt er mit den früheren Künstlern die Vorstellung, dass der Stein, den er bearbeitet, weit mehr als nur "Material" ist: Er sieht ihn als Gegenüber, mit dem er in intensivem Gespräch ist. Es gehe darum, erklärt er, im Stein dessen Eigenleben, dessen ganz individuelle Eigenschaften zu sehen und herauszuarbeiten und auch zu verstehen, was er von der ihn umgebenden Natur mitteile. Die Entdeckung, "dass der Stein sprechen kann", sei für ihn ein ungeheuer spannender Moment gewesen, aus dem heraus er das Konzept der "Open Mind" entwickelt habe.

Die Vielfalt der Bildhauerei in Zimbabwe zeigt Sammlerin Kristin Diehl in ihrer Galerie ConARTz in Niederroth: hier Bernhard Matemeras "Buschbaby". (Foto: Toni Heigl)

Technisch geht Itai Nyamadzawo an die Grenzen des Machbaren, nimmt dem Stein seine Schwere, entfaltet ihn zu papier-dünnen, origamigleichen Gebilden. "I want to make the impossible possible", sagt er über diese Arbeitsweise. Itai Nyamadzawo ist während der gesamten Ausstellung in Niederroth anwesend: Man kann ihm bei der Arbeit zuschauen oder mit ihm ins Gespräch kommen über seine Skulpturen und seine Intention bei der Arbeit. Insgesamt hat Kristin Diehl die Arbeiten von rund zwanzig Männern und einigen wenigen Frauen in Niederroth versammelt. Entsprechend vielfältig ist die Schau. Sie zeigt Arbeiten, die noch ganz im früheren Stil statuarisch anmutender, in sich geschlossener Bildwerke gehalten sind, und auch solche von jüngeren Künstlern, die bewegter, lebhafter sind wie etwa die Frauenbildnisse von Tutani Mgabazi. Häufig wird jetzt durch den Gegensatz von roher Steinoberfläche und polierten Partien des zumeist verwendeten Serpentins zusätzliche Spannung erzeugt. Im Hof des Ausstellungsgeländes steht eine abstrakte Arbeit von Perlagia Mutyavaviri, die sich als Frau in der Männerwelt der zimbabwischen Bilderhauerei durchgesetzt hat. Wieder ganz andere Wege beschreiten einige innovative junge Künstler wie Victor Nyakauro, der Materialien wie Stein, Holz, Knochen und Metall zu gegenständlichen, höchst eigenwilligen Gebilden kombiniert.

Geöffnet ist die Ausstellung in Niederroth, Münchner Straße 17, noch bis zum 30. Juli. Sie kann jeweils am Freitag von 16 bis 19 Uhr sowie samstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr besucht werden, nach telefonischer Vereinbarung unter 0163/25 68 246 oder kristin.diehl@t-online.de.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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