Zusammenhalten:Diagnose Krebs

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Evi Riener: "Wir sind kein Jammerverein." (Foto: oh)

Evi Riener hat eine Selbsthilfegruppe für Leidensgenossen in Altomünster gegründet. Der Austausch ist wichtig, um sich nicht allein zu fühlen, sagt sie

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Vor gut einem Jahr hat Evi Riener die Krebsselbsthilfegruppe Altomünster gegründet. Hier treffen sich einmal im Monat Frauen, die die Diagnose Krebs getroffen hat. Evi Riener teilt deren Schicksal. Vor gut drei Jahren erkrankte sie an Brustkrebs. Es folgte das, was Evi Riener "das Übliche" nennt: Schock, Angst, Hilflosigkeit, das Gefühl des Ausgeliefertseins, die anstrengende Therapie mit ihren üblen Nebenwirkungen. In der Reha, offiziell Anschlussheilbehandlung genannt, machte sie eine grundlegende Erfahrung: "Hier habe ich von anderen Betroffenen so viele gute und wichtige Informationen zu meiner Krankheit bekommen. Es ist der Wahnsinn, was dort an Wissen und Verständnis zusammenkommt", sagt sie. Evi Riener fühlte sich endlich "nicht mehr so alleine, nur auf mich gestellt", nicht mehr völlig abhängig von Ärzten, "die fachlich gut sind, aber auf der Datenautobahn der Medizin unterwegs sind". Was sie damit meint? Große Kliniken hätten ihre standardisierten Abläufe, "da bist du eine unter vielen", sagt Evi Riener. Und noch etwas ist ihr wichtig: "Nur Betroffene können wirklich nachfühlen, wie die Diagnose Krebs das ganze Leben auf den Kopf stellt."

Das war für Evi Riener der Auslöser, selbst aktiv zu werden. "Reden gibt Mut und Kraft", sagt sie. Doch mit wem sollte sie reden? "Zwischen Augsburg und Dachau gibt es keine Selbsthilfegruppe", musste sie feststellen. Für Evi Riener kein Grund, aufzugeben. Sie informierte sich und gründete mit Unterstützung der Bayerischen Krebsgesellschaft vor gut einem Jahr in Altomünster selbst eine Gruppe. Zehn Betroffene aus der Marktgemeinde und der Umgebung seien zum ersten Treffen gekommen, erzählt sie. "Das war die Kennenlernrunde, und die meisten litten unter Fatigue, so wie ich auch", sagt Evi Riener. Fatigue, auch Erschöpfungssyndrom genannt, ist eine der gefürchteten Nebenwirkungen der Tumortherapie. Sie tritt der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge bei rund 90 Prozent aller Tumorpatienten auf. Betroffene sind antriebslos und haben keine Kraft mehr. Sie leiden unter ständiger Müdigkeit sowie körperlicher und seelischer Erschöpfung. "Zu wissen, dass ich auch damit nicht alleine bin, hat sich für mich schon gelohnt", sagt Riener. Inzwischen trifft sich die Gruppe regelmäßig jeden dritten Mittwoch im Monat. "Wir sind kein Trauer- und kein Jammerverein", sagt Evi Riener. "Wir helfen uns gegenseitig. Wir haben gelernt, uns positiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen", sagt sie. Für sie ist die Selbsthilfegruppe "ein Netzwerk, in dem wir uns über Therapien, Nebenwirkungen, über neue Erkenntnisse, Ärzte und Kliniken oder Behandlungsalternativen austauschen können. Aber wir können keinen Arzt ersetzen", betont sie. Ihr Ziel sei, "soviel gutes Wissen zu haben, dass ich dem Arzt auf Augenhöhe begegnen kann. Das ist die größte Chance ernst genommen zu werden". Und noch etwas ist ihr wichtig: gegen die immer noch weit verbreitete Stigmatisierung einer Krebserkrankung anzugehen. "Gerade auf dem Land gibt es noch so viele Vorurteile", sagt Evi Riener. Deshalb bleibe "alles, was in der Gruppe besprochen wird, auch in der Gruppe. Mein Herzensanliegen ist, dass jeder weiß: Hier kann ich hingehen, hier werde ich verstanden". Und so denkt Riener nun auch über die Gründung einer Angehörigengruppe nach. "Die stehen an der anderen Seite des Krankenbetts", sagt sie.

Selbsthilfegruppe Altomünster für Krebspatienten in der Region. Evi Riener. Telefon 0160/5251998

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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