Zukunft MD:"Es muss zur Stadt passen"

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Oberbürgermeister Florian Hartmann will sich beim MD-Gelände nicht unter Druck setzen lassen. Die Chance, es zu planen, komme nur einmal

interview Von Viktoria Großmann, Dachau

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erwartet viel von der Bürgerbeteiligung zum MD-Gelände. Für ihn und die Stadtpolitiker aller Fraktionen ist sie das Einlösen eines Wahlversprechens: mehr Kontakt mit den Bürgern. Am Ende muss trotzdem der Stadtrat die notwendigen Entscheidungen treffen. Ein Gespräch über Ängste, Vorurteile und die Planungshoheit im größten Bauprojekt der Region.

SZ: Was muss noch alles entschieden werden, bevor für das MD-Gelände Baurecht erteilt werden kann?

Florian Hartmann: Es gibt noch einen ganzen Themenkatalog. Das ist nichts Endgültiges und Abgeschlossenes. Man kann nicht in eine Bürgerbeteiligung gehen und sagen: Das sind die Fragen, und links und rechts daneben gibt es nichts. Da können ja noch Dinge kommen, an die bisher keiner gedacht hat. Es ist zum Teil auch schwierig, sich dazu zu äußern. Man muss sich mit Baurecht auseinandersetzen und der Frage, was Misch- und Kerngebiete sind. Oder was die Höhenentwicklung angeht - auch da ist die Frage an die Bürgerschaft: Wollen Sie das oder nicht? Die Bürger sollen sich darüber Gedanken machen, wie es in der Stadt aussehen soll, in der sie leben.

Es gibt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Entwickler Herbert R. Ullmann.

Die Bürger, auch die Stadträte haben ein Bild von dem, was von dessen Firma in den letzten Jahren gebaut wurde. Das spricht vielleicht viele Leute nicht an und das wird als Negativbeispiel da hineinprojiziert, und man denkt, um Gottes willen, hoffentlich entsteht nicht so etwas. Ob etwas schön ausschaut oder nicht, darüber kann man natürlich streiten, aber was man sieht, ist, dass es teilweise recht dichte Bebauungen sind und sehr hoch. Gut, da kann man sagen, am Ende muss das ein Stadtrat genehmigt haben.

Sie sagen es. Sie betonen auch immer wieder, die Stadt habe die Planungshoheit. Wo her also die Ängste?

Meine Planungshoheit gebe ich aus der Hand, wenn ich den Bebauungsplan per Beschluss satze. Deshalb muss ich vorher sicher festlegen, dass die Wünsche der Stadt erfüllt werden. Wir müssen sichergehen, dass die Altlasten entsorgt werden und dass das gesamte Gebiet erschlossen wird. Natürlich will der Stadtrat sichergehen, dass die DEG das Projekt stemmen kann.

Was könnte schief gehen?

Es kann passieren, dass es jemand anfängt und dann bleibt es als halb fertig gestelltes Objekt stehen oder halb abgerissen, und dann geht nichts mehr vorwärts. Was auch passieren kann: Die Stadt satzt einen Bebauungsplan, und dann sagt der Investor: Jetzt habe ich eine Wertsteigerung. Da kostet der Quadratmeter gleich um ein paar hundert Euro mehr, und dann sagt er, jetzt verkaufe ich das. Dann habe ich den nächsten, mit dem ich mich vielleicht herumärgern kann. Ideal wäre, dass das, was die Bürger und die Stadträte entscheiden, sich für den Investor rechnet und er das so umsetzt. Das wäre die Idealvorstellung, aber meistens ist die Realität etwas anders.

Es taucht immer mal wieder der Vorschlag auf, die Stadt möge das Gelände selbst erwerben.

Die Diskussion ist damit vom Tisch, dass der jetzige Eigentümer sagt, er will es nicht verkaufen. Es hat auch Interesse von anderen, auch renommierten Investoren gegeben. Für die Stadt könnte der Erwerb eine Möglichkeit sein, wenn gar nichts anderes mehr geht. Man kann sich da ein Konstrukt überlegen: Die ortsansässigen Banken, vielleicht die städtische Wohnungsbaugesellschaft und die Stadt bilden eine Entwicklungsgesellschaft und realisieren das selber. Das sind aber nur theoretische Überlegungen, denn es steht ja nun einmal nicht zur Debatte.

Wie viel kosten die Neubürger? Geht die Stadt daran pleite?

Der Demografiebericht zeigt uns, dass die Stadt ohne Zuzug überaltert und die Kinder fehlen. Dann habe ich leere Kitas. Im Moment haben wir zu wenige Kitas, weil die Stadt zu schnell gewachsen ist und die Infrastruktur nicht mitkam. Es ist wichtig, dass alles mit Augenmaß passiert. Da werden Wohnungen entstehen, aber es muss sozialverträglich sein. Ich muss sehen, dass der Eigentümer an den Kosten und Lasten für die Stadt vom Kindergarten bis zum Friedhof, von der Kläranlage bis zur Feuerwehr beteiligt wird.

Der Zuzug kommt allerdings so oder so, auch das zeigt die Prognose im Demografiebericht. Der Siedlungsdruck ist da.

Natürlich ist der Druck da, aber muss ich mich dem Druck beugen? Das Argument zieht für mich nicht, dem Druck nachzugeben, damit ich günstigeren Wohnraum habe. Das haben wir erlebt. In den letzten Jahren wurden mehr Wohnungen geschaffen und die wurden trotzdem teurer. Das Entscheidende ist, es muss zur Struktur der Stadt passen. Wenn die Struktur für diese Einwohner ausgelegt ist, dann ist es kein Problem. Ich muss denen ja auch etwas bieten, der Kindergartenplatz allein reicht nicht. Es gehört zum Beispiel auch ein Kulturangebot und ein Vereinsleben dazu.

Das man mit Gewerbesteuereinnahmen finanzieren könnte?

Ich finde es nicht richtig, jetzt nur nach Gewerbeflächen im gesamten Stadtgebiet zu schreien. Das ist für mich die komplett verkehrte Entwicklung. Zuerst hat man Wohngebiete ausgewiesen. Jetzt hat man festgestellt, dass das Geld nicht langt für das was man machen muss und sagt nun, dann weisen wir Gewerbegebiete aus, damit das Geld wieder kommt. Da reagiere ich nur mit dem nächsten Problem auf ein Problem. Es hat keinen Sinn, jetzt alles mit Gewerbe zuzuklatschen und nachher beschweren wir uns, dass keine Grünflächen mehr da sind. Man muss alles mit Augenmaß gleichmäßig entwickeln und wachsen lassen. Zum Wachsen von Gewerbe und Wohnflächen gehört auch das Wachsen von Grünflächen, das Wachsen von Freizeitmöglichkeiten.

Gibt es eine große Nachfrage nach Gewerbeflächen?

Ja. Es ist so, dass wir regelmäßig Anfragen ablehnen müssen, weil wir keine Flächen haben. Das sind teilweise auch renommierte Firmen.

Mindestens 40 Prozent von 16,2 Hektar wären ja ein Anfang.

Nur ist Gewerbe nicht gleich Gewerbe. Das ideale Gewerbe verbraucht wenig Platz, ist umweltfreundlich und bringt viele Steuereinnahmen. Man muss schauen, dass man das richtige Gewerbe bekommt. Ich bin nicht Eigentümer dieser Flächen. Wenn ich das wäre, könnte ich aussuchen, wer da einzieht. Weil ich das nicht kann, muss ich das so gut wie möglich im baurechtlichen Kontext so beschreiben, dass am Ende das hinkommt, was ich haben will.

Wie ist es mit dem sozialen Wohnungsbau auf dem MD-Gelände?

Da geht es um die sozialgerechte Bodennutzung. Die wird grundsätzlich das Thema für Baugebiete in Zukunft regeln. Ich gehe davon aus, dass wir das vielleicht noch vor der Sommerpause hinbekommen, die Rahmenbedingungen dafür festzulegen. Solche Dinge müssen juristisch einwandfrei sein, denn es gibt Erfahrungen, nach denen gegen solche Festlegungen geklagt wurde, auch erfolgreich. Was das MD-Gelände betrifft, könnte es sein, dass man sich eine Fläche abtreten lässt, welche die Stadtbau bebaut oder man lässt sich einzelne Wohnungen abtreten.

G ibt es eine Möglichkeit, die Stadt München an den Kosten zu beteiligen?

Das wäre eine Möglichkeit für den privaten Entwickler oder Investor, sich mit der Stadt München zusammenzuschließen. Es wäre auch eine Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit, das gibt es bei Gewerbegebieten auch. Aber da hat man schnell den Streit, wer welche Einnahmen bekommt (lacht). Da gibt es sicherlich denkbare Konstrukte.

Was möchten Sie selbst gern auf dem Gelände sehen?

Ich stehe hinter einem guten Mix aus verschiedenen Interessen und Möglichkeiten. Ich sehe dort Wohnen, Gewerbe, Grün, Kultur. Wenn öffentliche Plätze entstehen, kann man wunderbar Open-Air-Veranstaltungen machen. Ich wünsche mir, dass es ein Ort wird, wo man sich gerne aufhält. Die Zwischenräume müssen Qualität und Größe haben, dass die Leute dort gern spazieren gehen oder im Café sitzen, auf den Mühlbach schauen und ihre Zeit genießen.

Gibt es einen ungefähren Zeitrahmen?

(Lacht) Wir haben mit der DEG einmal einen Zeitplan aufgeschrieben. Die DEG hat Jahreszahlen hingeschrieben, wir haben gesagt, wir lassen die Jahreszahlen mal weg. Aber die Zeiträume für die verschiedenen Schritte, wie von euch vorgeschlagen, sehen wir als vernünftig an. Die Frage wird sein, wann startet man diesen Zeitstrahl.

Klingt, als wollten Sie sich Zeit lassen.

Man darf sich nicht unter Druck setzen lassen. Es ist nicht entscheidend, ob das zwei Jahre länger dauert oder weniger. Es darf nicht darum gehen, möglichst viel herauszuholen, weil so viele Altlasten da sind. Ich muss frei von diesen Gedanken das Gelände so entwickeln, wie es in diese Stadt passt, wie es für die Stadt am besten ist. Denn wir haben genau einmal diese Chance. Wenn das Gelände bebaut ist, dann ist es bebaut.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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