Zukunft der Dachauer Wälder:Schießen und pflanzen

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Der Wald an der Amper beim Hallenbad sieht noch recht gesund aus, aber mit dem Klimawandel wächst auch der Stress für die Bäume. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei einer Veranstaltung des Bunds Naturschutz wirbt Forstwirt Christian Mettin für einen nachhaltigen Umbau der heimischen Wälder. Gleichzeitig macht er sich für eine deutlich Reduzierung des Wildbestands stark

Von Renate Zauscher, Dachau

"Quo vadis, Wald?" Diese Frage stellte der Forstwirt Christian Mettin in einem Vortrag, den er am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Bunds Naturschutz in Gasthof Drei Rosen in Dachau hielt. Wohin also wird die Entwicklung des Waldes, wie wir ihn heute noch kennen, gehen?

Auch wenn Christian Mettin lange Jahre als Professor für Wald- und Bodenschutz an der Fachhochschule Weihenstephan gelehrt hat: Eine eindeutige Antwort auf die von ihm gestellte Frage kann auch er nicht geben. Klar allerdings ist für ihn eines: Es steht schlecht um unseren Wald. "Er ist hochgradig krank", sagt Mettin, nur noch 25 Prozent der Bestände könnten in Bayern als gesund gelten.

Wie das aussieht, wenn der Wald krank und kränker wird, zeigte der Waldspezialist in eindrucksvollen Bildern. Erst lichten sich die Kronen, dann werden einzelne sterbende Bäume sichtbar, dann brechen da und dort ganze Bestände zusammen. Die Ursache besteht laut Mettin aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Da sind zum einen die zwar abnehmenden aber immer noch vorhandenen Folgen des primär von Industrieabgasen verursachten sauren Regens, zum anderen das veränderte Klima, vermehrt Trockenzeiten, zunehmende Stürme, Insekten- und Pilzbefall. Als wichtigsten Waldschädling aber macht Mettin den Menschen aus. Er ist verantwortlich für die industrielle Luftverschmutzung und auch die industrielle Landwirtschaft. Mettin denkt hier etwa an Zusammenhänge mit der Ausbringung von Herbiziden: In Ackernähe hat er eine stärkere "Vergilbung" der Baumbestände festgestellt als in abgelegeneren Bereichen.

Menschengemacht sind auch die Fichtenwälder, die einen Großteil des Waldes in Bayern ausmachen. "Die Fichte gehört in hohe Lagen", sagt Mettin, sie sei andernorts als "Brotbaum", der Geld bringt,angepflanzt worden und sei dort als Flachwurzler durch Trockenheit, Sturm und schließen Borkenkäferbefall extrem gefährdet. Viel Brot kann mit der Fichte mittlerweile allerdings nicht mehr erwirtschaftet werden. Als Folge massiver Sturmschäden ist der Preis für Fichtenholz zum Teil so niedrig, dass Waldbesitzer die Aufarbeitung der Schäden finanziell nicht mehr leisten können: Das Holz bleibt im Wald liegen. Allein im bayerischen Staatswald entstehen laut Mettin pro Jahr Schäden in Höhe von 50 Millionen Euro.

Was also tun? Palmen pflanzen mit Blick auf weiter steigende Temperaturen? Nein, sagt Mettin. Auch wenn wir eine "volle Klimaverschiebung bekommen", würde es weiterhin Kälteperioden mit weniger als zehn Grad minus geben - und das würden Bäume wie etwa die Palme nicht überstehen. Der Forstmann setzt auf Buche, Eiche und Tanne. Alle drei sind Tiefwurzler, die auch aus größerer Tiefe noch Wasser holen könnten. Douglasien dagegen sollte man höchstens in einzelnen Trupps, nicht als Monokultur pflanzen: Das Risiko von Verlusten sei zu groß.

Mettins dringende Empfehlung lautet mithin: Fichtenwälder müssen in widerstandsfähigere Mischwälder umgebaut werden. Ebenso dringend sei auch weitere staatliche Förderung für Privatwaldbesitzer, die die damit verbundenen Kosten nicht allein stemmen könnten. Dazu komme, dass viele privaten Waldbesitzer gar nicht mehr wüssten, wo sich ihr Wald überhaupt befindet - und nichts von den Gefahren ahnten, wenn Wälder nicht mehr gut bewirtschaftet und gepflegt würden.

Vielen Menschen sei aber auch nicht bewusst, wo das vielleicht wichtigste Einzelproblem für den Wald liegt: bei der hohen Wilddichte in unseren Wäldern nämlich. Ohne Baumpflanzungen anstelle der eigentlich normalen Naturverjüngung des Waldes durch Samen, ohne teure, für den privaten Waldbesitzer schier unerschwingliche Schutzzäune und "Aufwuchshilfen" aus Plastik, die die jungen Bäumchen vor Wildverbiss schützen sollen, ist Waldwirtschaft heute kaum noch darstellbar. So gut wie alles bis auf die stacheligen Jungfichten wird vom Wild gefressen oder von den Böcken verfegt.

"Es führt kein Weg daran vorbei - wir müssen die Wildfrage klären", sagt deshalb Mettin. Im Klartext heißt das: Die Bestände an Rehwild und im Gebirge auch die von Hirschen und Gemsen müssen stark reduziert werden - egal wie die Jägerschaft hierzu steht. Und was den Verbraucher angeht: Der solle ruhig öfter zum gesunden, schmackhaften und höchst ökologisch erzeugten Rehfleisch greifen, anstelle von Rind oder Schwein aus der Massentierhaltung.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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