Wünsche gehen viral:Schöne Bescherung

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Die Dachauerin Isabel Seeber sammelt Spenden, um Bedürftigen in der Region Weihnachtswünsche zu erfüllen. Die Aktion läuft gut. Wegen eines Medienhypes zu gut. Für viele Geschenke fehlen Platz und Zeit, um sie zu verteilen.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Vor der Candisserie in der Münchner Straße steht ein grüner, schmuckloser Tannenbaum, im gegenüberliegenden Schaufenster der Volksbank türmen sich Stapel an Geschenken. "Unsere Wunschbaum-Aktion hat in diesem Jahr einfach überhand genommen", sagt Isabel Seeber, die Candisserie-Inhaberin. Das ist noch untertrieben. Dachau erlebt gerade eine dicke Weihnachtsüberraschung, die selbst den Nikolaus am 6. Dezember vor logistische Probleme stellen würde.

Ende November hat die 50-Jährige den Baum aufgestellt, heuer bereits zum siebten Mal in Folge. Statt Schmuck hängen an diesem Wunschzettel, von Mitarbeitern der Candisserie sorgfältig einlaminiert und mit einer grünen Schleife befestigt. Es sind die Wünsche von Bedürftigen aus der Region. 18 wohltätige Organisationen aus dem Landkreis haben diese gesammelt. Die Idee: Wer an dem Wunschbaum vorbeigeht, kann einen Zettel mitnehmen - und das Päckchen später in der Candisserie abgeben. An Weihnachten ist Bescherung.

Ein Tweet löste eine bundesweite Hilsbereitschaft aus

Eine Münchner Passantin rührte die Aktion so sehr, dass sie gleich mehrere Zettel mitnahm und Fotos von diesen auf Twitter teilte. Der Tweet ging viral, mehrere bundesweite Medien wurden auf di e Aktion in Dachau aufmerksam. Am 25. November hingen 586 Wünsche am Baum in der Münchner Straße - bereits nach vier Tagen waren alle abgehängt und die Päckchen begannen, sich im hinteren Ladenteil der Candisserie zu stapeln.

Im Netz waren es vor allem die Wünsche älterer Menschen, die Aufmerksamkeit erregten. "Die Weihnachtswünsche dieser Senioren sind so bescheiden, dass es dir das Herz bricht", titelte die Onlineplattform watson und zitierte einige Zettel. Viele Menschen wünschten sich Handschuhe, einen neuen Pullover - oder einfach nur, dass jemand Zeit mit ihnen verbringe. So hängte Seeber Wunschzettel aus drei weiteren regionalen Altenheimen am Wunschbaum auf, mittlerweile liegt die Zahl der verteilten Zettel bei rund 620. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es 360 Wünsche, die durch die Aktion erfüllt werden konnten - und schon hier wurde der Lagerraum für die Päckchen knapp.

Das Lager ist zu klein

Genau das bereitet Isabel Seeber gerade die größte Sorge, denn ein weiteres Lager in Laufweite hat sie nicht. Die Volksbank auf der Münchner Straße stellt ihr gesamtes Schaufenster zur Verfügung, um die Pakete dort zu lagern. "Doch auch das wird bald voll sein", so Seeber. Dabei gibt es genug Wünsche: "Ich könnte sofort mindestens zweitausend Zettel hier aufhängen."

Weil Spender so viele Geschenke schicken, muss Isabell Seeber einen Teil davon in einer Filiale der Volksbank auslagern. (Foto: Niels P. Joergensen)

Selbstverständlich freue sie sich über die hohe Spendenbereitschaft, erklärt Isabel Seeber. Der Wunschbaum sei ihr von Anfang an ein Herzensprojekt gewesen. Doch der Medienhype stelle sie nicht nur vor logistischen Herausforderungen, auch die eigentliche Idee des Wunschbaums gehe für Seeber dabei verloren. "Ich wollte eine Spendenaktion für die Region schaffen", erklärt sie. Menschen sollte es möglich sein, direkt vor Ort zu spenden - ohne viel Aufwand, ohne Bürokratie. Mittlerweile beteiligten sich an der Aktion Spender aus ganz Deutschland, Wunschzettel und Päckchen werden bereits per Post verschickt. Das sei zwar sehr schön, sagt Seeber, "doch wenn die Päckchen selbst aus Rostock verschickt werden, macht das einfach keinen Sinn mehr." Schließlich ginge es ihr darum, dass Menschen Bedürftigen aus ihrer eigenen Umgebung helfen könnten.

Eigentlich will Seeber Menschen aus der Umgebung helfen

"Die Idee für den Wunschbaum kommt ja auch nicht von mir, das gibt es überall", sagt sie. Eine Kundin aus München hatte ihr damals von einer ähnlichen Aktion erzählt und die Ladenbesitzerin auf die Idee gebracht, einen eigenen Wunschbaum für Dachau aufzustellen. Anfangs arbeitete sie eng mit der Caritas zusammen, über die Jahre hinweg kamen viele unterschiedliche Organisationen aus dem Landkreis hinzu. Die Wunschzettel stammen von Bewohnern des Franziskuswerk Schönbrunn, mehreren Schulen und Altenheimen, dem Arbeitskreis Asyl oder dem Mehrgenerationenhaus in Dachau. Mittlerweile sei rund um den Wunschbaum ein großes, soziales Netzwerk entstanden. Der Wunschbaum in der Münchner Straße ist nicht der einzige im Landkreis, Markt Indersdorf und Hebertshausen sammeln im Rathaus Wunschzettel und Spenden.

Auf Isabell Seeber warten nun arbeitsintensive Tage, die Päckchen müssen gelagert, sortiert und verteilt werden. Nebenbei leitet sie einen Einzelhandel - in der Adventszeit. "So ist das eben, wenn man im Oktober mit den Planungen beginnt und denkt, das geht schon so", sagt Seeber und lacht.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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