"Wir brauchen Rechtssicherheit":Ein Haufen Geld bricht weg

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Die Durchfahrt im Indersdorfer Ortsteil Gundackersdorf wurde saniert. Doch die Kostenbescheide für die Anlieger liegen auf Eis. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Straßenausbaubeiträge sollen abgeschafft werden. Wer den Einnahmeverlust kompensiert, ist aber nicht klar. Indersdorf hat 730.000 Euro für 2018 eingeplant. Auch Dachau und andere Kommunen leiden unter der Unsicherheit

Von Robert Stocker, Dachau

730 000 Euro Straßenausbaubeiträge sind im Indersdorfer Haushalt für das Jahr 2018 eingeplant. Für eine 10 000-Einwohner-Gemeinde wie Markt Indersdorf ein Haufen Geld. Es sollte eigentlich von den Anliegern kommen, deren Straßen gerade saniert worden sind. Ob und von wem diese Summe beglichen wird, steht in den Sternen. Die Bayerische Staatsregierung beabsichtigt, die Kostenbeteiligung der Bürger abzuschaffen. Sie arbeitet derzeit an einem neuen Gesetz, wie die Straßenausbaubeiträge kompensiert werden sollen. In Dachau geht es um 20 Millionen Euro, die Bürger in den nächsten Jahren für Straßensanierungen hätten zahlen sollen. "Wir gehen davon aus, dass der Freistaat diesen Betrag bezahlt", sagte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) der Süddeutschen Zeitung.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat Anfang Februar an die bayerischen Gemeinden ein Schreiben verschickt. "Im Sinne eines einheitlichen Verwaltungsvollzugs" weist Herrmann in dem Schreiben darauf hin, "dass Bescheide aufgrund von Straßenausbaubeitragssatzungen bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr erlassen werden sollen". Der Indersdorfer Gemeinderat beschloss am Dienstag einstimmig, dem Hinweis des Innenministers Folge zu leisten - obwohl dies eigentlich gegen geltendes Recht verstößt. "Wenn beitragsfähige Straßensanierungen abgerechnet werden können, müsste man das machen", erklärt Geschäftsleiter Klaus Mayershofer. In Indersdorf geht es aktuell um zwei Fälle: die Ludwig-Thoma-Straße und die Ortsdurchfahrt in Gundackersdorf. "Die wären abrechnungsfähig", so Mayershofer. Doch vorerst gehen dazu keine Bescheide raus. Die Gemeinde will in den nächsten Jahren viele weitere Straßen sanieren. Auch der Marktplatz soll umgebaut werden. Anlieger müssten für all diese Maßnahmen Beiträge zahlen. Auch hinter der staatlichen Förderung steht ein Fragezeichen. "Wenn Fördergelder beantragt werden, hängt die Höhe auch davon ab, ob die Anlieger Straßenausbaubeiträge zahlen", so Mayershofer. Wenn der Staat diese Mittel kompensieren muss, werde die Förderung geringer ausfallen. Auch Altfälle sind für Mayershofer "ein heißes Thema". Anlieger, die vor Jahren kräftig zur Kasse gebeten wurden, werden sich ungerecht behandelt fühlen, wenn dies künftig nicht mehr der Fall ist. Für Indersdorfs Kämmerer Thomas Koch sind die Straßenausbaubeiträge ein "absoluter Unsicherheitsfaktor". Wenn sie abgeschafft werden, müsse die Staatsregierung für eine Ersatzleistung sorgen. "Wenn die eingeplanten Beiträge von mehr als 700 000 Euro wegbrechen, müssen wir äußerst sparsam wirtschaften", mahnte Bürgermeister Franz Obesser (CSU) im Gemeinderat. Ein Ausgleich für die Straßenausbaubeiträge müsse zeitnah kommen. "Wir brauchen Rechtssicherheit", so Obesser.

Auch Dachau hat eine Straßenausbaubeitragssatzung. Sie wurde bisher nicht angewandt, weil in den vergangenen Jahren keine Straßen saniert wurden. "Momentan steht bei uns nichts an", so Oberbürgermeister Florian Hartmann. In Betracht kämen nur die geplanten Laufstreifen in der Altstadt, die mit roten Pflastersteinen abgesetzt werden sollen. Außerdem einige Baumquartiere in der Hermann-Stockmann-Straße, die wegen Wurzelschäden umgebaut werden. Doch in den nächsten Jahren seien Straßensanierungen geplant, deren Kosten mit 4,5 Millionen Euro veranschlagt sind. "Ohne die Kostenbeteiligung der Bürger wäre das ein Ausfall von 3,5 Millionen Euro für die Stadt", so Hartmann. Auf lange Sicht gesehen gehe es um etwa 20 Millionen Euro, die Bürger für künftige Straßensanierungen hätten zahlen müssen. Dazu gehören auch Maßnahmen, die nach dem Jahr 2021 vorgesehen sind. Weil diese Straßen bis dahin nicht wiederhergestellt werden können, fallen sie unter das Satzungsrecht.

Wenn die Staatsregierung die Straßenausbaubeiträge streicht, werden sich einige Bewohner des Erdweger Ortsteils Langengern ärgern. Dort wurde die Durchfahrtsstraße saniert; wegen der Kostenbeteiligung gingen die Anwohner auf die Barrikaden. Wie Bürgermeister Christian Blatt erklärt, wurde die Sanierung schon im vergangenen Jahr abgerechnet. "Wenn die Straßenausbaubeiträge jetzt abgeschafft werden, ist es schwierig den Bürgern zu erklären, dass sie in Langengern zahlen mussten", sagt Blatt. "Das macht uns schon Kopfzerbrechen." Im Haushalt 2018 sind Beiträge für die Sanierung der Ludwig-Thoma-Straße im Ortsteil Kleinberghofen eingeplant. Bürgermeister Blatt befürchtet, dass die Gemeinde auf diesen Kosten vorerst sitzen bleibt. "Wir gehen nicht davon aus, dass diese Beiträge kommen." Darüber hinaus gibt es in Erdweg derzeit keine weiteren Straßensanierungen. Es gebe auch keine neuen Planungen, und aktuell stünden keine Bescheide an, sagt der Bürgermeister. Zwischen den Zeilen war ein Gott sei Dank heraus zu hören.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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